Название: Friedrich v. Bodelschwingh: Ein Lebensbild
Автор: Gustav von Bodelschwingh
Издательство: Public Domain
Жанр: Зарубежная классика
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Mitten in diese tapfere Arbeit, die mir viel Freude machte, kam die Nachricht, daß mein Vater, als die Kriegswolken sich dichter zusammenzogen, sich zum Eintritt in die Armee gemeldet und sich sein früheres Regiment als Oberst ausgebeten hatte. In einem seiner Briefe kam es mir so vor, als ob er dächte, mir wäre die Not des Vaterlandes gleichgültig. Ich trat mit diesem Briefe zu meinem Prinzipal und sagte: „Es hilft mir nichts, ich muß mich heute noch in Berlin als Soldat melden.” Als ich in Berlin bei meinem Vater eintrat, sagte er: „Dein Bruder Franz hat sich bereits bei den Garde-Jägern gemeldet; ich wünsche, daß auch du dort eintrittst.” Ich fuhr sofort nach Potsdam, meldete mich beim Kommandeur des Jägerbataillons und wurde als Freiwilliger angenommen. Um dies meinem Vater mitzuteilen, kehrte ich noch einmal nach Berlin zurück. Als ich bei ihm eintrat, war er sehr traurig. Denn soeben war die Nachricht gekommen, daß sich Preußen in Olmütz vor Österreich gedemütigt hatte und das Schwert wieder in die Scheide gesteckt wurde.
Nun sorgte mein Vater dafür, daß meine Meldung für ungültig erklärt wurde und ich wieder auf mein Arbeitsfeld zurückkehren konnte. Noch an demselben Tage langte ich um Mitternacht auf meinem todmüden Pferde in Kienitz an zur großen Freude meines Prinzipals, um am andern Morgen wieder meinen Dienst zu übernehmen. Als nach einiger Zeit auch meine Kollegen zurückkehrten, wollte mein Prinzipal mich nicht wieder Lehrling werden lassen, sondern schickte mich für den Rest meiner Lehrzeit nach Wollup zu seinem Bruder, einem äußerst liebenswürdigen Manne, dem ich das Hauptbuch abschließen half und bei dem ich auch die in Kienitz nicht vorkommenden Zweige der Landwirtschaft kennen lernte, namentlich die dort blühende Branntweinbrennerei.
An herzlicher Freundlichkeit in beiden Familien Koppe hat es mir nicht gefehlt. Im übrigen aber war das Leben für mich mit viel Kampf und Not verbunden. Das Dasein der jungen Landwirte ist meist sehr traurig, weil sie vielfach für höhere Genüsse keinen Sinn haben. In die Kirche ging niemand. Das war insofern freilich kaum recht zu ändern, weil es mit dem Geistlichen in Kienitz überaus dürftig aussah. Ich ging aber aus Trotz, um nicht als Feigling dazustehen, und gerade weil ich darüber ausgelacht wurde, mitunter in die Kirche. Morgens beim Frühstück las ich meinen Tacitus, römische Geschichte. Im Hause war eine Schwester des Professors Steinmeyer, ein vortreffliches Mädchen, die „Fränzchen” genannt wurde. Mit ihr spielte ich, während die andern Karten spielten, manche Partie Schach. Denn für das Kartenspiel hatte ich mich nicht erwärmen können; ich hatte es wohl einige Male versucht, wurde aber, weil ich keinen Ernst bei der Sache zeigte, abgesetzt. Am liebsten ging ich Sonntags still durch die Felder, die ich hatte bestellen helfen, oder auch wohl an das Ufer der Oder, wo ich vom Deich eine liebliche Aussicht über die weiten fruchtbaren Fluren genoß. Der Abschied von diesem arbeitsreichen Ackerfeld wurde mir immerhin nicht ganz leicht, als es im Frühjahr 1851 galt, des Königs Rock anzuziehen, um mein freiwilliges Soldatenjahr abzudienen.”
Als Soldat in Berlin. 1851
Am 1. April 1851 trat ich beim Kaiser-Franz-Grenadier-Regiment ein und ließ mich gleichzeitig in der Universität als Student einschreiben, diesmal als Jurist, während ich vor zwei Jahren Philosoph gewesen war. Auf eine gemütliche Wohnung kam es mir ganz besonders an, weil ich wußte, wie wichtig das für einen Studenten ist, damit ihm sein Zimmer angenehmer bleibt als die Kneipe. Auch liebte ich damals sehr die Romantik, sodaß es mir wichtig war, in dem alten Berlin eine romantische Wohnung zu bekommen. Ich fand eine solche in der Klosterstraße, gerade gegenüber der alten Klosterkirche.
Am Anfang waren meine Eltern noch in Berlin, da mein Vater Mitglied des Landtages war. Aber bald kehrten sie nach Westfalen zurück. Ich hatte sie zum Abschied auf den Bahnhof geleitet, von dem sie den Nachtzug benutzten, und ich erinnere mich noch deutlich, daß es mir eigentümlich bange zu Mute war, als ich beim Schein der Laternen durchs Brandenburger Tor zurückwanderte in die große, böse, versuchungsvolle Stadt, in der ich einen wirklich treuen Freund nicht besaß.
Mein früherer Freund, Gustav Bossart, war zwar auch Student in Berlin. Aber unsere Wege waren weit auseinander gegangen, und für meine Seele hatte ich an ihm keinen Halt mehr. Ja, ich mied ihn sogar. Meine Kameraden aber unter den Freiwilligen waren meistenteils recht lose Gesellen, die nichts als Narrenteidinge im Kopfe hatten. Nur einer war darunter, der Sohn eines armen Schäfers aus Pommern, der sich mit eisernem Fleiß durchgearbeitet hatte, um Theologie zu studieren. Er stand leider bei einer andern Kompagnie. Aber ich sah ihn doch mitunter, und er erzählte mir einmal mit großer Freude, daß ihn sein Hauptmann habe zu sich kommen lassen, weil er sein blasses und müdes Gesicht bemerkt hatte, – er mußte sich damals aufs äußerste durchhungern – und wie er ihn aus eigenen Mitteln aufs freundlichste versorgt und ihm einen Mittagstisch verschafft habe. Auch fand ich einen unter unsern Unteroffizieren, der sich vor der gewöhnlichen Sorte auszeichnete und für seine Leute vortrefflich sorgte.
Mein Kompagnieführer war mein Vetter, August von Witzleben, ein strammer Soldat, der es mit der Ordnung sehr genau nahm, aber von dem Einen, was not ist für seine Soldaten, nichts wußte. Interessant war mir jedesmal der Wachdienst, und ich freute mich immer, wenn ich an die Reihe kam. Am interessantesten war meine letzte Wache, die mir mein Vetter offenbar aus besonderer Freundlichkeit ausgesucht hatte, nämlich vor dem Palais des alten Kaisers, des damaligen Prinzen Wilhelm. Es war die zweite Nacht vor der Enthüllung des Denkmals Friedrichs des Großen. Ich hatte den Vorzug, in der frühen Morgendämmerung, ehe noch jemand auf der Straße sich blicken ließ, die Probe der Enthüllung vornehmen zu sehen und früher als andere das Bild des alten Fritz zu schauen.
An demselben Tage, vor meiner Ablösung, war ein gewaltiges Gedränge vor dem prinzlichen Palais. Viele fremde Offiziere fuhren in ihren Wagen vor, und ich mußte beständig auf meiner Hut sein. Unter andern kam auch mein alter Freund, Prinz Friedrich Wilhelm, und ich hatte die Freude, auch vor ihm mein Gewehr zu präsentieren. Er sah mich einen Augenblick scharf an, erkannte mich aber offenbar nicht in meinem Soldatenrock. Als er fort war, kam mit einem Male mitten aus dem Getümmel des zusammengedrängten Volkes mutterseelenallein ein kleines Stümpchen von höchstens zwei Jahren die Rampe heraufgestiegen, gerade auf mich los. Da es in Gefahr war, von den Wagen überfahren zu werden, nahm ich es bei der Hand und führte es herunter, zum großen Jubel des zuschauenden Publikums.
Am folgenden Tage stand das ganze Gardekorps teils auf dem Schloßplatz, teils auf dem Opernplatz in Parade, und ich erinnere mich noch deutlich, wie ich des Königs Stimme selbst vernahm, als er laut rief: „Achtung!”, ihm nach dann die Generale: „Achtung!” und so herunter bis zu unserm Regimentskommandeur immer eine Stimme nach der andern: „Achtung!” und dann: „Präsentiert das Gewehr!” In demselben Augenblick fiel der Vorhang vom Denkmal des alten Fritz, und 101 Kanonenschüsse donnerten zum Zeichen, daß des großen Königs Andenken erneuert worden war, und in begeisterter Stimmung marschierten wir im Paradeschritt vor des Königs und sämtlicher Prinzen und Prinzessinnen Augen an dem Denkmal vorüber und die Linden hinunter.
Kurze Zeit danach hatten wir am Kreuzberg unser großes Feldmanöver zu Ehren des russischen Feldmarschalls Paskewitsch. Dieses Manöver war nach Gottes Führen und Regieren für meinen ganzen Lebensweg von Entscheidung. Es war ein heißer Tag. Nach längeren, scharfen Bewegungen, zum Teil im Laufschritt, hieß es plötzlich auf dem weiten zugigen Felde: „Halt! Gewehr ab!” Da standen wir. Von der Stunde ab fühlte ich mich nicht wohl, ohne daß jedoch sofort eine Krankheit ausgebrochen wäre. In meinem jugendlichen Trotz wollte ich nicht nachgeben und machte an den folgenden Tagen noch die Felddienstübungen mit. Aber es wurde mir immer saurer, und ich litt an Atemnot. Die Atemnot glaubte ich am besten durch kräftige Anstrengungen der Lunge überwinden zu können. Es war gerade damals ein köstliches Wellenbad in Moabit eingerichtet, wo ich gern mit meinen Kameraden badete. Ich gewann noch eine Wette beim Schwimmen, aber damit war auch meine СКАЧАТЬ