Stille Helden. Boy-Ed Ida
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Название: Stille Helden

Автор: Boy-Ed Ida

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ bedenke, wie über alles Maß anderer Menschen hinaus Sie gearbeitet haben, wird es mir immer rätselhafter, daß …«

      »Daß was, liebes Kind?«

      Sie schlug die Augen zu ihm auf. Sah ihn gerade an. Bat um eine offene Antwort, mit aller Kraft ihrer sprechenden Blicke.

      »Daß Sie so viel Zeit, so viel Gedanken und so viel Güte für mich hatten und haben. Darüber habe ich oft nachgedacht. Zahllose drängen sich an Sie mit Bitten um Hilfe. Aus Ihrer Beamtenschaft starb mancher hinweg und hinterließ Witwe und Waisen. Ich weiß es, daß Sie alle mit Geld gestützt haben, solange es Ihnen nötig schien. Keiner Waise haben Sie sich angenommen wie meiner.«

      »Aber Kind, wie kommen Sie gerade jetzt darauf, mich das zu fragen?« antwortete er ausweichend und sehr beunruhigt.

      Klara stand jetzt neben seinem Stuhl, eine von ihren Händen, die Linke, lag auf der Lehne seines Stuhles. Er schaute unwillkürlich auf diese Hand, die so sehr den edlen beredten Händen der geliebten Toten glich.

      »Früher,« sagte sie, »wenn mich ab und zu die Doktorin Lamprecht zu Ihnen schickte, mit dem Vierteljahrszeugnis, zu Neujahr, zu Ihrem Geburtstag, da war ich ein etwas furchtsames Kind – es ist so natürlich, sich vor Ihnen zu fürchten,« schaltete sie ein, – »ich wäre bereit gewesen, mich für Sie totschlagen zu lassen. Aber so geradewegs dreist mit Ihnen sprechen? O nie! Dann kam ich ja zwei Jahre nach Hamburg in Pension und machte mein Examen. Und nachher war ich wohl couragierter und fühlte, wie gütig Sie mich ansahen und wie milde Sie sprachen. – Bitte, Herr Geheimrat, lachen Sie nicht über mich – aber Ihre Stimme ist ganz anders, wenn Sie zu mir sprechen, als zu andern Leuten.«

      Er sah sie tief an – und mit einem so rätselhaften Ausdruck, daß es sie etwas befangen machte.

      Weniger zutraulich, zögernder fuhr sie fort: »Aber auch dann hatte ich keine Gelegenheit, recht mit Ihnen zu sprechen. Wie wäre mir das zugekommen, Ihre Zeit mehr als für Minuten in Anspruch zu nehmen! Kaum daß ich Ihnen zu danken wagte, daß Sie mir meinen Wunsch erfüllten und mich hier an der Schule anstellten.«

      »Jetzt aber, heute kommen Sie mit der Sprache heraus?«

      »Seit Sie erkrankten, seit ich mich anbot, Sie zu pflegen, was freilich alles nicht angenommen wurde – aber ich darf doch jeden Sonntag kommen …«

      »Ja, und bei dem alten Mann im Krankenzimmer die Zeit verbringen, die gesünder im Freien verbracht würde,« unterbrach er sie ablenkend. Sie aber blieb bei ihrem Wunsch, zu wissen, endlich zu wissen …

      »Und da habe ich nach und nach gelernt, mich hier heimisch zu fühlen. – Ihre Güte erlaubte mir das, und nun traue ich mich auch, zu sprechen. Bitte Herr Geheimrat, ich hab’ manchmal gedacht: vielleicht hat Ihnen mein Vater sehr wichtige Dienste geleistet?«

      Der alte Mann erschrak, auf solche Auffassung war er nicht vorbereitet gewesen. – Ihr Vater … dem er Treulosigkeit, Schädigung und Selbstmord zu verzeihen gehabt! – Aber sie war ja ahnungslos. Er hatte manchmal gedacht, die Doktorin Lamprecht würde den Befehl, zu schweigen, nicht zu halten imstande sein, wo sie sonst etwas an triebhafter Geschwätzigkeit litt – aber so sind Frauen: schwatzen und klatschen – und können dennoch manchmal völlig schweigen – wo sie lieben und schonen wollen …

      Welche Lage! Mußte die Tochter nicht doch einmal die Wahrheit über ihren Vater erfahren? Lüge oder auch nur Unwissenheit läßt sich nicht für immer aufrechterhalten. Die Wahrheit schleicht wie auf einem Nebenweg doch immer schritthaltend mit, und plötzlich gibt eine böswillige Hand oder ein Zufall ihr einen Anstoß, und sie fällt dem Ahnungslosen vor die Füße.

      Aber er wollte nicht der Grausame sein, dem Kinde zu sagen: Dein Vater war ein Sünder, an allem, was er besaß, an Weib, Kind und Amt …

      Nein, er nicht … und gerade jetzt nicht in dieser Stunde.

      Er wußte nicht, daß er sich trotz allen Kraftgefühls doch recht verändert hatte seit seinem Schlaganfall und daß er nicht mehr in so eiserner Selbstbeherrschung seine Nerven zu bezwingen vermochte wie früher. Seine Stirn war ganz rot, seine Hände zitterten bemerkbar …

      Aber da waren ja diese beredten Blicke, die ihn mit unwiderstehlicher Innigkeit um die Wahrheit baten.

      Und er antwortete, während er diesen Blicken auswich: »Ihr Vater? O nein! Wichtige und treue Dienste? O nein!«

      Sie schwieg betroffen. Viele viele Herzschläge lang. Seine Röte, – die heisere Stimme, wie Menschen sie haben, die an ihren Worten würgen. – Das sehr starke Zittern seiner ungelähmten Hand, und vor allem sein abgleitender Blick. – Dies Auge wich ihr aus? – Dies gebieterische Herrenauge, das sonst andere bezwang – was bedeutete das?

      Ihr Frauengefühl wollte nun erst recht nicht von dem Wunsch ablassen, zu wissen.

      »Wegen meiner Mutter?« fragte sie langsam.

      Da blitzten die mächtigen Augen sie wieder hell an.

      »Ja,« sprach er, »Ihre Mutter – ich habe – sie war – Liebes Kind! Ich habe Ihre Mutter sehr lieb gehabt.«

      »Und meine Mutter?« fragte Klara weiter. Ihre Farbe hatte sich verändert, ihr war, als wolle irgend eine dunkle Angst über sie kommen – daß sie mit ihren Fragen an Tragik rührte, die besser ungeweckt und verschleiert bliebe.

      Der alte Mann aber sagte mit einer wunderbaren Einfachheit und Gefaßtheit, die das junge Mädchen ergriff: »Ihre Mutter und ich, wir wußten es rasch – wir waren füreinander bestimmt gewesen – sie mein Segen und Trost, ich ihr Halt und Schutz. Aber wir durften es uns kaum gestehen, die Hoffnungslosigkeit war vom ersten Augenblick an mit uns. Meine Frau hätte mich niemals freigegeben – nie – aus kleinlicher Schadenfreude nicht. – Unsere Lage war bitter – sie war gefährlich – aber in unserem Schicksal hatten wir einen wunderbaren Schutz …«

      Klara sah ihn wartend an. Da schloß er langsam: »Die Würde deiner Mutter …«

      Sie kniete nieder neben seinem Stuhl, etwas zwang sie – und sie küßte seine Hand. Er entzog sie ihr und legte sie auf ihren Scheitel. Unter ihrem schweren Druck richtete sie doch ihr Gesicht ein wenig empor und ihm zu. Sie sah ihn mit grenzenloser Verehrung an.

      »Ich wollte, du wärest meine Tochter, oder du würdest es!« sprach er.

      Sie lächelte mit Tränen in den Augen.

      Sie erhob sich, ganz arglos nahm sie diese Worte.

      »Es war immer schon, als wär’ ich’s, wie ein Vater haben Sie an mir gehandelt. Aber nun ist es doch, als sei ich Ihnen noch näher gekommen …«

      Ihr Gemüt war ihr nun übervoll. Viel hätte sie wissen mögen – von ihrer Mutter – vom Herzeleid dieser beiden ihr heiligen Menschen – von der Frau, die zwischen dem Manne und ihrer Mutter gestanden. Aber auch ihr eigener, leiblicher Vater mußte ja dazwischen gestanden haben – was war es mit ihm? Weshalb erwähnte der alte Herr nur seine Frau, nicht aber den Gatten ihrer Mutter?

      Und in ihr Ohr kam der seltsame Ton zurück, in welchem der Geheimrat gesagt: »Ihr Vater wichtige, treue Dienste? O nein!«

      Dies »O nein!« barg eine Ablehnung, so schroff, so wegwerfend, wie sie der Sprecher selbst mit Vorsatz gewiß nicht hatte verraten wollen.

      Und plötzlich fiel es ihr noch schwer auf, daß er, der in so starken Worten die Mitarbeiterschaft des Generaldirektors Thürauf rühmte, über die ihres Vaters schweigend hinwegging.

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