Название: Handbuch Joint Venture
Автор: Torsten Fett
Издательство: Bookwire
Серия: C.F. Müller Wirtschaftsrecht
isbn: 9783811441323
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(2) Zur Rechtsform des gesonderten Vehikels:
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Im daran anschließenden Schritt ist zu beurteilen, ob das gesonderte Vehikel eine rechtlich selbstständige Einheit darstellt (IFRS 11.B22-B24). Dies trifft zu, wenn die Einheit selbst der Träger von Rechten und Pflichten hinsichtlich der Vermögenswerte und Schulden ist und nicht unmittelbar die einzelnen Parteien der gemeinsamen Vereinbarung. Diese Unterscheidung zwischen der eigenständigen Einheit und den daran beteiligten Parteien findet im deutschen Recht stets bei Kapitalgesellschaften, Personenhandelsgesellschaften oder BGB-Außengesellschaften statt.[102] Dies liegt bei diesen Gesellschaftsformen in erster Linie an der (überwiegenden) rechtlichen Selbstständigkeit sowie an dem gebundenen Gesamthandvermögen, welches eine freie Verfügbarkeit der Gesellschafter am eigenen Vermögensanteil ausschließt.[103] Zum Teil wird aber Meinung vertreten, dass bei der Rechtsform der Personengesellschaft stets eine Joint Operation besteht, da Vermögenswerte und Schulden wegen der unbeschränkten Haftung nicht im Unternehmen eingeschlossen wären.[104] Dagegen spricht m.E., dass die unbeschränkte Haftung für mögliche Schulden der Personengesellschaft nicht automatisch zu einer Joint Operation führt, da die Kriterien direkter Zugriff auf die Vermögenswerte und direktes Einstehen für die Schulden kumulativ erfüllt sein müssen.[105] Da den beteiligten Partnern bei diesen Gesellschaftsformen laut der deutschen Rechtslage lediglich ein Anteil am Nettovermögen zusteht, spricht (bis jetzt) alles für ein Joint Venture.[106] Nun können nur noch vertragliche Vereinbarungen und bestehende sonstige Sachverhalte und Umstände vor der Rechtsform der separaten Einheit Vorrang haben und zur Einstufung als Joint Operation führen (vgl. IFRS 11.B23).
(3) Zur vertraglichen Vereinbarung:
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Die Rechte und Pflichten, die den Parteien aus der Rechtsform des eigenständigen Vehikels erwachsen, stimmen häufig mit dem wirtschaftlichen Gehalt eines zusätzlichen Vertrages zwischen den Parteien überein. Es kommt aber auch vor, dass die Parteien eine vertragliche Vereinbarung zur Überlagerung der durch die Rechtsform begründeten Rechte und Pflichte verwenden (IFRS 11.B25-B28). Wenn für ein Joint Arrangement zum Beispiel aufgrund von steuerlichen oder gesetzlichen Vorschriften eine bestimmte Rechtsform vorgeschrieben ist, kann ein Vertrag davon abweichend unmittelbare Rechte an den Vermögenswerten und Verpflichtungen aus den Schulden der Vereinbarung herstellen. In solch einem Fall liegt ggf. eine Joint Operation vor (IFRS 11.BC32; IFRS 11.B28).[107] Vertragsinhalte, die auf eine Joint Operation bzw. auf ein Joint Venture schließen lassen, sind beispielhaft im Standard unter IFRS 11.B27 aufgeführt. Bei einem Gesamthandsvermögen nach deutschem Recht ist jedoch eine vollständige vertragliche Überlagerung, die zu einer Joint Operation mit einer unmittelbaren Beteiligung an den Vermögenswerten und Schulden führt, weniger denkbar.[108]
(4) Zu sonstigen relevanten Sachverhalten und Umständen:
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Im letzten Schritt muss beurteilt werden, ob andere Sachverhalte und Umstände auf eine Joint Operation schließen lassen (IFRS 11.B29-B32). Ist der Output aus der gemeinsamen Vereinbarung hauptsächlich für die gemeinschaftlich führenden Parteien bestimmt und ein Verkauf an Dritte genehmigungspflichtig, dann spiegelt dies beispielsweise nach Ansicht des IASB eine wirtschaftliche Abhängigkeit des Unternehmens von den Parteien wieder (vgl. IFRS 11.B31-B32).[109] Der Nutzen aus den Vermögenswerten und die Pflicht, Schulden zu finanzieren, entstehen den gemeinschaftlich führenden Parteien unmittelbar infolge ihrer Leistungsabnahme aus der separaten Einheit und nicht in Form eines zufällig zustande kommenden Gesamtergebnisses. Somit liegt aus wirtschaftlicher Sicht eine Beteiligung an einzelnen Vermögenswerten und Schulden vor (Joint Operation).[110] Da Konstellationen in dieser Art in der Praxis häufiger vorkommen können, ist mit Umklassifizierungen in der Übergangsphase von IAS 31 zu IFRS 11 zu rechnen.[111]
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Allgemein gilt auch hier wie bei der Identifizierung einer gemeinschaftlichen Vereinbarung: Wenn sich Sachverhalte und Umstände ändern, dann ist eine erneute Beurteilung der Klassifizierung durchzuführen (vgl. IFRS 11.19). Dadurch wird der Bilanzersteller freilich nicht mittels des Standards zur stetigen Anwendung einer Bilanzierungsmethode diszipliniert. Im Gegenteil, es eröffnet weiteres Potenzial zur gezielten Gestaltung der Konzernbilanz in den kommenden Geschäftsjahren. Die ausgeweiteten Angabepflichten im Anhang führen auch zu keiner Lösung für die Bilanzanalyse, da für die Abschlussadressaten nicht daraus hervorgeht, „ob aufgrund realer Umstände eine Vereinbarung tatsächlich vorteilhaft ist oder lediglich eine [induzierte] Sachverhaltsgestaltung vorliegt“. [112]
Anmerkungen
In Anlehnung an Küting/Weber Konzernabschluss, S. 173.
Vgl. Küting/Weber Konzernabschluss, S. 98.
Vgl. Beckʼscher Bilanz-Kommentar/Winkeljohann/Lewe 2014, § 310 Rn. 73.
Fortan sind demnach Beteiligungen an assoziierten Unternehmen und Gemeinschaftsunternehmen nach IFRS in der bilanziellen Darstellung zwingend gleich zu behandeln. Diese Gleichbehandlung wird aufgrund der unterschiedlichen Intensität der Einflussnahme kritisch gesehen; vgl. hierzu näher Eisenschmidt/Labrenz KoR 2014, 32 f.
Problematisch kann es sein, wenn das Gestaltungspotential ausschließlich zum eigenen Vorteil ausgenutzt wird. Vgl. Eisenschmidt/Labrenz KoR 2014, 28 ff. m.w.N.; vgl. zur Bilanzpolitik und den Begriffsdefinitionen auch näher Coenenberg/Haller/Schultze Jahresabschluss, S. 1001 ff.
Die Sachverhaltsgestaltung ist in der internationalen Rechnungslegung zur Beeinflussung der Konzernbilanz von größerer Bedeutung, da das Regelwerk wenig explizite Wahlrechte enthält. Vgl. Eisenschmidt/Labrenz KoR 2014, 28 m.w.N.
Vgl. hierzu näher Küting/Seel KoR 2011, 349; Fuchs/Stibi BB 2011, S. 1451; Eisenschmidt/Labrenz KoR 2014, 28.
Speziell wenn in bestehenden Verträgen Finanzklauseln vereinbart wurden, sollten im Vorfeld umfangreiche Analysen der Auswirkungen durchgeführt werden um die Verträge ggf. einer notwendigen Änderung zu unterziehen. Vgl. Busch/Zwirner IRZ 2012, 222.