Название: Verteidigung in der Hauptverhandlung
Автор: Klaus Malek
Издательство: Bookwire
Серия: Praxis der Strafverteidigung
isbn: 9783811446458
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d) Zeitpunkt der Ablehnung
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Sind dem Angeklagten die Umstände, die die Besorgnis der Befangenheit begründen, bereits bei Beginn der Hauptverhandlung bekannt, so kann der Ablehnungsantrag nur bis zum Beginn der Vernehmung des ersten Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse gestellt werden (§ 25 Abs. 1). Nach diesem Zeitpunkt ist der Antrag nur zulässig, wenn die Gründe dem Angeklagten erst später bekannt geworden sind und die Ablehnung unverzüglich geltend gemacht wird (§ 25 Abs. 2). Endgültig nicht mehr zulässig ist die Ablehnung nach dem letzten Wort des Angeklagten (§ 25 Abs. 2 S. 2). Aus diesem Grund können Äußerungen des Vorsitzenden zum letzten Wort des Angeklagten („Ich bin unschuldig.“ – „Das werden Sie gleich sehen!“) nicht mehr zum Gegenstand eines Befangenheitsantrages gemacht werden.[84]
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Das Ablehnungsgesuch ist unverzüglich geltend gemacht, wenn es so bald wie möglich, d. h. ohne eine nicht durch die Sachlage begründete Verzögerung, angebracht wird.[85] Bei neu eingetretenen oder bekannt gewordenen Umständen ist die Kenntnis des Angeklagten und nicht die seines Verteidigers maßgebend.[86] Dies gilt selbst dann, wenn die Kenntnisnahme durch den Verteidiger schuldhaft verspätet ist.[87] Wenn der Verteidiger früher als sein Mandant Kenntnis erhält, schadet es diesem nicht. Es kommt ihm aber auch nicht zugute, wenn das später der Fall ist.[88] Auch wenn grundsätzlich ein strenger Maßstab anzulegen ist,[89] so muss doch dem Angeklagten stets eine gewisse Überlegungsfrist und ausreichend Zeit zum Abfassen des Gesuchs eingeräumt sowie Gelegenheit zu einer Besprechung mit dem Verteidiger gegeben werden.[90] Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Frist bei dem in Untersuchungshaft, womöglich in auswärtiger Haftanstalt befindlichen Angeklagten, großzügiger zu bemessen ist als bei dem auf freien Fuß befindlichen Angeklagten, der seinen Verteidiger ohne Mühe zu einer kurzen Besprechung aufsuchen kann. Entsteht der Ablehnungsgrund während einer Beweiserhebung in der Hauptverhandlung, so kann der Verteidiger deren Ende abwarten, bevor er den Antrag stellt.[91] Es darf auch eine Weile zugewartet werden, um festzustellen, ob sich der Eindruck der Befangenheit im Laufe der Hauptverhandlung verfestigt.[92] Wird die Sitzung nur für kurze Zeit unterbrochen, so kann der Antrag auch bei deren Fortsetzung gestellt werden.[93] Dauert dagegen die Unterbrechung längere Zeit, so darf nicht zugewartet werden. Das Ablehnungsgesuch muss in diesem Fall auch außerhalb der Hauptverhandlung zwischen zwei Verhandlungstagen angebracht werden, um das Gebot der Unverzüglichkeit zu erfüllen.[94]
e) Ablehnungsverfahren
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Gemäß § 26 Abs. 1 ist das Ablehnungsgesuch bei dem Gericht, dem der abgelehnte Richter angehört, anzubringen. Eine bestimmte Form schreibt das Gesetz nicht vor. Gemäß § 26 Abs. 1 S. 2 gilt auch nicht § 257a, so dass das Gericht dem Verteidiger nicht aufgeben kann, den Ablehnungsantrag schriftlich zu stellen. Das Gesuch kann daher nach freier Entscheidung des Antragstellers[95] innerhalb der Hauptverhandlung schriftlich oder mündlich gestellt werden, wobei der mündliche Antrag gemäß § 273 Abs. 1 zu protokollieren ist.
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Das Gesuch muss den abgelehnten Richter und die Ablehnungsgründe, auf die es gestützt wird, eindeutig bezeichnen. Im Fall des § 25 Abs. 2 müssen auch die Tatsachen, aus denen sich die Rechtzeitigkeit des Antrags ergeben soll, angeführt werden.[96] Die zur Antragsbegründung vorgebrachten Tatsachen sind glaubhaft zu machen, d. h. so weit zu beweisen, dass das Gericht sie für wahrscheinlich hält, ohne dass es allerdings der vollen Überzeugung von ihrer Richtigkeit bedarf.[97] Der Glaubhaftmachung bedarf es aber nicht, wenn sich der Ablehnungsgrund aus den Akten ergibt oder dieser gerichtsbekannt ist.[98] Zur Glaubhaftmachung kann auf das Zeugnis des abgelehnten Richters, der sich über den Ablehnungsgrund dienstlich zu äußern hat (§ 26 Abs. 2 S. 3, Abs. 3), Bezug genommen werden. Wird das Ablehnungsgesuch ohne Einholung einer dienstlichen Äußerung des abgelehnten Richters verworfen, so begründet dies einen relativen Revisionsgrund, weil dem Revisionsgericht eine wesentliche notwendige Entscheidungsgrundlage fehlt.[99]
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Darüber hinaus steht es im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts, wie es sich Kenntnis vom Bestehen oder Nichtbestehen der Ablehnungsgründe verschafft. Eine förmliche Beweisaufnahme findet nicht statt.[100] Da der Grundsatz in dubio pro reo im Ablehnungsverfahren nicht gilt,[101] nicht behebbare Zweifel daher zu Lasten des Antragstellers ausgehen, und das Gericht auch nicht verpflichtet ist, auf die weitere Glaubhaftmachung der Ablehnungsgründe hinzuwirken, kann nur angeraten werden, den Antrag so sorgfältig und ausführlich wie möglich zu begründen. Neben der dienstlichen Äußerung des abgelehnten Richters kommen als Mittel der Glaubhaftmachung eidesstattliche Versicherungen und andere schriftliche Erklärungen von Zeugen, auch in fremder Sprache,[102] sonstige Bescheinigungen und Unterlagen sowie anwaltliche Versicherungen in Betracht. Die Benennung eines Zeugen reicht nur dann, wenn sich der Verteidiger nicht in der Lage sieht, dessen schriftliche Äußerung beizubringen. Liegt ein solcher Fall vor, der ebenfalls glaubhaft zu machen ist, hat das Gericht von Amts wegen Beweis zu erheben.[103] Teilt der Verteidiger die den Antrag begründenden Tatsachen als eigene Wahrnehmung mit, so bedarf es nicht der ausdrücklichen Angabe des Mittels der Glaubhaftmachung.[104]
Hinweis
Der Verteidiger sollte darauf hinweisen, dass er vor einer Entscheidung über den Ablehnungsantrag die – bei einer zulässigen Ablehnung zwingend vorgeschriebene – dienstliche Erklärung des abgelehnten Richters mit der Gelegenheit zur Stellungnahme zur Kenntnis gebracht haben will.[105] Dies erscheint umso wichtiger, als dem abgelehnten Richter die Möglichkeit eingeräumt wird, ein zu beanstandendes Verhalten durch Klarstellung und Entschuldigung zu beseitigen.[106]
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Muster 10 Antrag auf Ablehnung eines Berufsrichters
An das
Landgericht
…
In der Strafsache
gegen …
lehnt der Angeklagte den Herrn Vorsitzenden Richter X wegen Besorgnis der Befangenheit ab.
Begründung:
Der Angeklagte hat in der heutigen Hauptverhandlung nach Belehrung über sein Aussageverweigerungsrecht erklärt, er sei unschuldig, wolle aber zur Sache keine Angaben machen. Trotz dieser eindeutigen Erklärung des Angeklagten bedrängte ihn der abgelehnte Richter mit der Empfehlung, es sei besser, „jetzt zu dem, was geschehen ist, zu stehen“ und durch ein Geständnis „reinen Tisch zu machen“. Das Gericht werde dies sicherlich bei der Strafzumessung zu würdigen wissen.
Aufgrund der genannten Äußerungen muss der Angeklagte davon ausgehen, dass er für den abgelehnten Richter bereits als Täter feststeht. Er kann daher nicht mehr darauf vertrauen, dass dieser die Ergebnisse der Beweisaufnahme unparteiisch und unvoreingenommen würdigen wird.
Zur Glaubhaftmachung bezieht sich der Angeklagte auf die dienstliche Äußerung des abgelehnten Richters. Es wird gebeten, diese noch vor einer Entscheidung über das Ablehnungsgesuch bekannt zu geben, damit СКАЧАТЬ