Название: Verteidigung in der Hauptverhandlung
Автор: Klaus Malek
Издательство: Bookwire
Серия: Praxis der Strafverteidigung
isbn: 9783811446458
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Gemäß § 26a verwirft das Gericht, in der Hauptverhandlung unter Mitwirkung der Schöffen,[107] und zwar ohne Ausscheiden des abgelehnten Richters, die Ablehnung als unzulässig, wenn der Antrag verspätet gestellt ist (Abs. 1 Nr. 1), ein Grund zur Ablehnung oder ein Mittel zur Glaubhaftmachung nicht angegeben wird (Abs. 1 Nr. 2) oder durch die Ablehnung offensichtlich das Verfahren nur verschleppt oder nur verfahrensfremde Zwecke verfolgt werden sollen (Abs. 1 Nr. 3). Verschleppungsabsicht liegt nur vor, wenn es dem Antragsteller ausschließlich auf eine Verzögerung der Hauptverhandlung ankommt,[108] was allerdings ohne weitere Nachforschungen feststellbar sein muss.[109] Verfahrensfremde Zwecke können vorliegen, wenn der Befangenheitsantrag aus rein demonstrativen Zwecken oder zur Verunglimpfung eines abgelehnten Richters gestellt wird.[110] Verfahrensfremd ist es auch, über einen Befangenheitsantrag einen Streit über das Ergebnis der bisherigen Beweisaufnahme auszutragen.[111] Die Motive des Antragstellers müssen allerdings offensichtlich sein. Fälle des Missbrauchs des Ablehnungsrechts sind daher in der Praxis selten.[112]
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In der höchstrichterlichen Rechtsprechung wird allerdings dem Fehlen der Begründung der Fall gleichgestellt, dass die Begründung aus zwingenden rechtlichen Gründen zur Rechtfertigung des Ablehnungsgrundes völlig ungeeignet ist.[113] Entscheidend soll hierbei sein, ob das Gesuch ohne nähere Prüfung und losgelöst von den konkreten Umständen des Einzelfalls zur Begründung der Besorgnis als gänzlich ungeeignet angesehen werden kann,[114] z.B. die Ablehnung bei bloßer prozessordnungsgemäßer Mitwirkung an einer Vorentscheidung oder einer bloßen Vorbefassung mit der Sache.[115] Diese Rechtsprechung ist problematisch, da bei genauer Betrachtung eine Begründetheitsprüfung im Mantel einer Zulässigkeitsprüfung durchgeführt wird. Überschreitet das mit dem Ablehnungsgesuch befasste Gericht die engen Grenzen, die die Rechtsprechung gesteckt hat, so kann dies wiederum die Besorgnis der Befangenheit begründen.[116]
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Wird die Ablehnung nicht als unzulässig verworfen, so entscheidet das Gericht ohne Mitwirkung des abgelehnten Richters (§ 27 Abs. 1). Betrifft die Ablehnung ein richterliches Mitglied der Strafkammer, so beschließt diese in der für Entscheidungen außerhalb der Hauptverhandlung vorgeschriebenen Besetzung (§ 27 Abs. 2), also ohne Schöffen (§ 76 S. 2 GVG). Werden mehrere oder alle Richter einer Strafkammer abgelehnt, so ist hierüber in einem einheitlichen Beschluss zu befinden[117] – es sei denn, die Ablehnungsgesuche gehen nacheinander ein und werden unterschiedlich begründet; für diesen Fall gebietet der Grundsatz des gesetzlichen Richters nach Art. 101 GG eine sukzessive Entscheidung in der Reihenfolge der Ablehnungsgesuche.[118] Nur wenn der erkennende Richter und außerdem ein Richter abgelehnt wird, der über das Ablehnungsgesuch als Vertreter zu beschließen hat, ist über das Gesuch gegen Letzteren vorab zu entscheiden und, wenn es für unbegründet erachtet wird, mit ihm eine Kammer zu bilden, die dann über das Ablehnungsgesuch gegen den erkennenden Richter befindet.[119]
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Wird ein Richter beim Amtsgericht abgelehnt, so entscheidet ein anderer Richter dieses Gerichts, außer der Abgelehnte selbst hält das Gesuch für begründet (§ 27 Abs. 3).
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Die Entscheidung, mit der die Ablehnung für begründet erklärt wird, ergeht durch Beschluss. Eine förmliche Beweisaufnahme über die Befangenheitsgründe findet nicht statt,[120] allerdings kann das Gericht im Freibeweisverfahren Zeugen vernehmen und andere Beweise erheben.[121] Der Beschluss ist nicht selbständig anfechtbar (§ 28 Abs. 1). Dasselbe gilt für die Verwerfung oder Zurückweisung der Ablehnung, wenn die Entscheidung einen erkennenden Richter betrifft und dieser im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung noch erkennender Richter ist.[122] Die Entscheidung betrifft auch dann einen erkennenden Richter, wenn das Ablehnungsgesuch vor Eintritt der Rechtshängigkeit gestellt wurde, die Entscheidung hierüber aber erst später ergeht.[123] War der abgelehnte Richter dagegen kein erkennender Richter, so ist gegen den Verwerfungs- oder Zurückweisungsbeschluss die sofortige Beschwerde zulässig (§ 28 Abs. 2). Das Beschwerdegericht prüft den Ablehnungsbeschluss umfassend.[124]
f) Unaufschiebbare Amtshandlungen
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§ 29 enthält detaillierte Regelungen über Amtshandlungen, die auch ein abgelehnter Richter vor Erledigung des Ablehnungsgesuchs vornehmen kann. Zulässig sind grundsätzlich nur Handlungen, die keinen Aufschub gestatten (§ 29 Abs. 1). Dies sind solche, die wegen ihrer Dringlichkeit nicht anstehen können, bis der Ersatzrichter an die Stelle des abgelehnten Richters treten kann,[125] z.B. die Erhebung von Beweisen, deren Verlust droht, unaufschiebbare Haftentscheidungen[126] und die Bestimmung eines Fortsetzungstermins.[127] Die Vernehmung von Zeugen ist in der Regel aufschiebbar,[128] es sei denn, der Zeuge wäre bei Zuwarten nicht mehr erreichbar.
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Erfolgt die Richterablehnung in der Hauptverhandlung und wäre für eine Entscheidung die Unterbrechung der Hauptverhandlung notwendig, so kann diese so lange fortgesetzt werden, bis ein Beschluss über die Ablehnung ohne Verzögerung möglich ist. Eine Entscheidung hat dann spätestens bis zum Beginn des übernächsten Verhandlungstages und in jedem Fall vor Beginn der Schlussvorträge zu ergehen (§ 29 Abs. 2). Den Zeitpunkt der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch trifft der Vorsitzende nach pflichtgemäßem Ermessen,[129] gegen dessen Entscheidung der Verteidiger einen Gerichtsbeschluss nach § 238 Abs. 2 herbeiführen kann.[130]
g) Weiteres Verfahren bei begründetem Antrag
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Wenn das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt wurde, ist eine Wiederholung der Hauptverhandlung erforderlich (§ 29 Abs. 2 S. 2). Sie muss ausgesetzt und neu begonnen werden, wenn kein Ergänzungsrichter (§ 192 GVG) an ihr teilgenommen hat.
Anmerkungen
Vgl. hierzu Sommer Rn. 998 ff., der nach einem Befangenheitsantrag dramatische Veränderungen in der Kommunikationsstruktur ausmacht und hinter der systemimmanenten Gegnerschaft zwischen Gericht und Verteidigung plötzlich „persönliche Feindschaft“ schimmern sieht.
Vgl. Krekeler AnwBl. 1981, 327.
Vgl. auch Sommer Rn. 1003.
Vgl. LG Mainz StV 2004, 531.
Vgl. OLG Koblenz zfs 2004, 186.
So geschehen im Verfahren zur Entscheidung BGH NStZ-RR 2001, 258.