Название: Verteidigung in der Hauptverhandlung
Автор: Klaus Malek
Издательство: Bookwire
Серия: Praxis der Strafverteidigung
isbn: 9783811446458
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Hinweis
Unsinnige Anträge sollte der Verteidiger unterlassen. Gesuche, die von vornherein aussichtslos sind und die auch im Sinne einer Sachverhaltsfestschreibung nichts bringen (z.B. die Ablehnung mit dem Argument, der Richter sei befangen, weil der Angeklagte im Betreff des Strafverfahrens nur mit Vor- und Nachnamen, aber nicht mit „Herr“ und der Berufsbezeichnung genannt werde)[6] wirken inkompetent und schwächen dadurch die Verteidigungsposition. Es darf dann nicht verwundern, wenn der Verteidiger sich schwer tut, auch mit ernsthaften Anträgen durchzudringen.
aa) Ablehnung bei gesetzlichem Ausschluss
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Gemäß § 22 ist ein Richter von der Ausübung des Richteramtes ausgeschlossen, wenn er selbst Verletzter der Tat ist (Nr. 1). Dies ist dann der Fall, wenn er durch die Tat, die Gegenstand des Verfahrens ist, also nicht erst während der Hauptverhandlung begangen wurde,[7] unmittelbar in seinen Rechten betroffen ist. Eine nur mittelbare Betroffenheit, etwa durch Parteimitgliedschaft, reicht nicht aus,[8] ebenso wenig die Betroffenheit als Mieter bei Schädigung des Grundstückseigentümers.[9] Ausgeschlossen ist der Richter auch, wenn er zum Beschuldigten oder Verletzten in bestimmten rechtlichen oder persönlichen Beziehungen steht (Nr. 2, 3), wenn er in der gleichen Sache als Beamter der Staatsanwaltschaft, als Polizeibeamter, als Anwalt des Verletzten oder als Verteidiger tätig war (Nr. 4), oder wenn er in der Sache als Zeuge oder Sachverständiger vernommen worden ist (Nr. 5). Dies gilt selbst dann, wenn über seine Anhörung kein förmliches Protokoll erstellt wurde und diese kein relevantes Wissen erbracht hat.[10] Ob seine Tätigkeit bei der Strafverfolgung als Staatsanwalt oder Polizeibeamter wesentlich war, spielt keine Rolle. Entscheidend ist, ob er, wenn auch in untergeordneter Weise, irgendetwas zur Erforschung des Sachverhalts oder zur Beeinflussung des Verfahrensablaufs getan hat.[11] Der Richter ist auch in bestimmten Fällen richterlicher Vorbefassung von der Mitwirkung bei der Entscheidung ausgeschlossen (§ 23).[12] Ein ehrenamtlicher Richter, der der deutschen Sprache nicht mächtig ist, ist gemäß § 33 Nr. 5 GVG vom Richteramt ausgeschlossen.[13]
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Der Ausschluss des Richters wirkt kraft Gesetzes. Die Bedeutung der zusätzlichen Ablehnungsmöglichkeit nach § 24 Abs. 1 liegt daher lediglich darin, dass die Behauptung des Antragstellers, es sei ein Fall der Ausschließung gegeben, überprüft werden muss.[14] Der Verteidiger muss wissen, dass die Ausschließung des Richters die Fehlerhaftigkeit sämtlicher Amtshandlungen in dem Verfahren zur Folge hat. Allerdings sind diese nicht unwirksam, sondern lediglich anfechtbar, insbesondere mit der Revision nach § 338 Nr. 2.[15] Dies gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch für den Eröffnungsbeschluss, an dem ein kraft Gesetzes ausgeschlossener Richter mitgewirkt hat.[16] Entsteht ein Ausschließungsgrund erst während der Hauptverhandlung, so muss diese vollständig wiederholt werden, weil § 226 verletzt ist.[17]
bb) Besorgnis der Befangenheit
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Aus den gleichen Gründen, bei denen der Richter von der Ausübung seines Amtes kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, kann er auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden (§ 24 Abs. 1). Gemäß § 24 Abs. 2 kann ein Richter auch dann wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Um die Erfolgsaussichten eines Ablehnungsantrags einschätzen zu können, muss der Verteidiger die nachfolgenden Grundzüge des Ablehnungsrechts sehr gut kennen.
(1) Allgemeines
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Das Vorliegen des Ablehnungsgrundes ist grundsätzlich vom Standpunkt des Ablehnenden aus zu beurteilen. Ob der Richter tatsächlich parteiisch oder befangen ist, spielt dabei keine Rolle.[18] Misstrauen in die Unparteilichkeit eines Richters ist somit gerechtfertigt, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, dass der abgelehnte Richter ihm gegenüber eine innere Haltung einnimmt, die seine Unparteilichkeit oder Unvoreingenommenheit störend beeinflusst.[19] Entscheidend ist, ob ein „vernünftiger Angeklagter“[20] Grund zu einer solchen Besorgnis hat, nicht jedoch, ob sich der Richter selbst für befangen hält, oder ob er für Zweifel an seiner Unbefangenheit Verständnis aufbringt.[21]
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Bei der Frage der Befangenheit ist nach herrschender Meinung auch die dienstliche Erklärung des abgelehnten Richters zu berücksichtigen, wodurch ein zunächst berechtigt erscheinendes Misstrauen überwunden werden kann.[22] Umso wichtiger ist es aus der Sicht der Verteidigung, darauf zu bestehen, vor einer Entscheidung über das Ablehnungsgesuch diese Erklärung zur Kenntnis zu erhalten, um im Rahmen des rechtlichen Gehörs Stellung nehmen zu können.
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Die Ablehnung kann sich immer nur auf einen bestimmten Richter in einer bestimmten Strafsache beziehen,[23] nicht auf ein Kollegialgericht als Ganzes.[24] Möglich ist es jedoch, jedes einzelne Mitglied eines Gerichts abzulehnen, z.B. dann, wenn das Kollegialgericht eine die Ablehnung begründende Entscheidung gefasst hat, ohne dass es dem Beschuldigten möglich wäre zu klären, welche Richter im Einzelnen der Entscheidung zugestimmt haben.[25]
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Kein Ablehnungsgrund kann nach allgemeiner Meinung aus dem Verhalten des Angeklagten selbst hergeleitet werden, da er es ansonsten in der Hand hätte, sich nach Belieben jedem Richter zu entziehen.[26] Dasselbe gilt für Spannungen zwischen dem Richter und dem Verteidiger, die erst im Verlauf des Verfahrens entstanden sind.[27] Die Besorgnis der Befangenheit kann sich allerdings gleichwohl aus Reaktionen des Richters ergeben, wenn diese zu dem auslösenden Anlass in keinem vertretbaren Verhältnis mehr stehen[28] oder sich die Animosität des Richters auch auf den Angeklagten überträgt.[29]
(2) Konkrete Befangenheitsgründe
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Bei der Bewertung, ob sich ein bestimmter Vorgang eignet, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen, sind stets die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Diese entziehen sich weitgehend einer abstrakten Kategorisierung,[30] so dass sich in der Rechtsprechung eine sehr unübersichtliche Kasuistik entwickelt hat. Ablehnungsgründe können sich insbesondere aus den persönlichen Verhältnissen des Richters, seinem Verhalten und seinen Äußerungen vor oder während der Hauptverhandlung und aus seiner Vortätigkeit im Verfahren gegen den Ablehnenden ergeben. Die nachfolgenden Ausführungen erheben keinen Anspruch auf auch nur annähernde Vollständigkeit. Wegen der Fülle der zum Befangenheitsrecht ergangenen und sich ständig vermehrenden Einzelfallentscheidungen muss auf die Kommentierungen zur StPO und die jeweils aktuellen Fachzeitschriften verwiesen werden.
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