Название: Handbuch des Strafrechts
Автор: Dennis Bock
Издательство: Bookwire
isbn: 9783811455566
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dd) Zeitlicher Zusammenhang zwischen Angriff und Ausnutzung
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Zwischen dem Angriff und dem Ausnutzen muss ein zeitlicher Zusammenhang bestehen.[571] Dies ergibt sich aus dem Wortlaut („dabei“) und aus dem Koinzidenzprinzip (§ 8 S. 1 StGB).[572] Die Ausnutzung muss während der Verübung des Angriffs, also in der Phase zwischen Versuchsbeginn und Vollendung des Angriffs erfolgen, nicht vorher und nicht nachher.[573] Damit ist die Phase der Angriffsvorbereitung nicht erfasst.[574]
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Problematisch sind vor Fahrtantritt bzw. zunächst aus einem anderen Grund begonnene Angriffe, die während der Fahrt fortdauern, wenn dann erst die Führer- bzw. Mitfahrereigenschaft hinzutritt (Rn. 121). Dies wird deshalb als problematisch angesehen, weil der Angriff an sich verübt, also schon vollendet ist. Deshalb fordert die Rspr., dass die Eigenschaft als Führer bzw. Mitfahrer für die Aufrechterhaltung bzw. Fortdauer des Angriffs objektiv zumindest mitursächlich sein muss.[575] Dies sei nur ausnahmsweise der Fall.[576] Wenn der Täter das Opfer bereits während der Fahrt in uneingeschränkte Kontrolle gebracht hat und die Nötigungslage während der Fahrt nur unverändert aufrechterhalten wird (verfestigte Nötigungslage), sei ein Ausnutzen mangels Mitursächlichkeit deshalb zu verneinen.[577] In diesen Fällen diene das Fahrzeug lediglich Beförderungszwecken.[578] Es ist zwar zutreffend, dass ein Ausnutzen nur dann vorliegt, wenn der Täter sich die Tatsache zunutze macht, dass das Opfer mit der Beherrschung der Verkehrsvorgänge beschäftigt ist. Dann kann es aber im Hinblick auf die daraus resultierende Gefahr für den Straßenverkehr keinen Unterschied machen, ob der Angriff „nur“ fortdauert, die Opfereigenschaft also erst hinzutritt, oder bereits bei Beginn des Angriffs vorlag.[579]
aa) Vorsatz
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Der Täter muss Vorsatz hinsichtlich der objektiven Tatbestandsmerkmale, d.h. hinsichtlich des Verübens eines Angriffs auf einen Kraftfahrzeugführer oder einen Mitfahrer, haben. Dafür genügt dolus eventualis.[580]
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Das Ausnutzen der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs setzt subjektiv voraus, dass der Täter entsprechend dem Ausnutzungsbewusstsein bei der Heimtücke nach § 211 Abs. 2 StGB in tatsächlicher Hinsicht sich der die Abwehrmöglichkeiten des Tatopfers einschränkenden besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs bei seinem Angriff (nicht bei der räuberischen Tat) bewusst ist.[581] Nicht erforderlich ist, dass er eine solche Erleichterung seines Angriffs (subjektiv) zur ursächlichen Bedingung seines Handelns macht.[582] Nach Ansicht der Rspr. ist das Merkmal des Ausnutzens der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs in erster Linie dann erfüllt, wenn der Täter sich eine verkehrstypische Gefahrenlage zunutze macht, die dem fließenden oder ruhenden Verkehr eigentümlich ist.[583] Ein Ausnutzungsbewusstsein ist etwa zu verneinen, wenn der Täter davon ausgeht, dass das Opfer aufgrund zahlenmäßiger Überlegenheit der Angreifer ohnehin keine Abwehrchance hat.[584]
bb) Absicht bezüglich der räuberischen Tat
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Die Erfüllung des subjektiven Tatbestandes erfordert die Absicht, einen Raub, einen räuberischen Diebstahl oder eine räuberische Erpressung zu begehen, wobei eine wahlweise Feststellung ausreichend ist.[585] Sonstige Straftaten sind wegen Art. 103 Abs. 2 GG als Bezugstaten ausgeschlossen. Die Absicht schließt auch sämtliche subjektiven Merkmale dieser Bezugstaten (Zueignungsabsicht, Beutesicherungsabsicht, Bereicherungsabsicht) ein.[586] Da es auf die tatsächliche Ausführung der Bezugstat nicht ankommt, handelt es sich um ein Delikt mit überschießender Innentendenz.[587] Absicht ist i.S.e. zielgerichteten Wollens (dolus directus 1. Grades) zu verstehen („zur Begehung“).[588] Die räuberischen Taten müssen wenigstens in den wesentlichen Grundzügen geplant sein, was eine konkrete Vorstellung über Art und Zeit der Begehung voraussetzt.[589] Allerdings brauchen die näheren Umstände, unter denen die Raubtat begangen werden soll, nicht bis ins einzelne in den Plan aufgenommen worden zu sein.[590] Auch ist es für die Absicht ausreichend, wenn der Täter den Einsatz von Nötigungsmitteln nur für den Fall beabsichtigt, dass er das Wegnahmeobjekt nicht unbemerkt erlangen kann („bedingte“ Absicht), also neben einer gewaltlosen auch eine gewaltsame Wegnahme ins Auge gefasst hat.[591] Bei einem Motivbündel muss die Raubabsicht dominieren.[592]
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Nach h.M. muss der Täter die Absicht einer täterschaftlichen Begehung der Bezugstat haben.[593] Die Gegenansicht, die es genügen lässt, dass der Täter die Bezugstat eines anderen als Gehilfe fördern will, argumentiert mit einer Parallele zum Ermöglichungsmord gemäß § 211 Abs. 2 StGB und zur Urkundenfälschung gemäß § 267 StGB, wo es genügt, dass der Täter die Begehung einer Straftat bzw. die Täuschung im Rechtsverkehr durch einen anderen ermöglichen möchte.[594] Zwar ist dieser Ansicht zuzugeben, dass die genannten Delikte eine dem § 316a StGB ähnliche „unvollkommen zweiaktige Struktur“ aufweisen,[595] jedoch unterscheiden sie sich in ihrem Wortlaut. Allein § 316a StGB erfordert explizit ein Handeln zur „Begehung“ der Bezugstat, ist also enger formuliert als §§ 211 Abs. 2, 267 StGB. Gegen die Einbeziehung des Gehilfen, der die Bezugstat ja nicht „begeht“, sondern lediglich unterstützt,[596] spricht auch die Entstehungsgeschichte der Norm. Das Autofallengesetz (Rn. 13 ff.) setzte ein Handeln „in räuberischer Absicht“ voraus, woraus sich ergab, dass hinsichtlich der Bezugstat Tätervorsatz vorliegen musste. Dafür, dass durch die nachfolgenden Gesetzesänderungen eine Erweiterung erfolgen sollte, gibt es keine Anhaltspunkte.[597]
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