Mütter. Anja Bagus
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Название: Mütter

Автор: Anja Bagus

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isbn: 9783944180786

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СКАЧАТЬ über ihren Ex geöffnet habe und sie sich nun nicht mehr länger Vorwürfe mache, die Beziehung beendet zu haben. Thors Aufmerksamkeit verflog schnell, denn am Kopierer stand Fiona Gratmüller. Sie hob den Kopf und lächelte ihm zu. Plötzlich bewegte sie sich vom Kopierer weg und kam geradewegs zu seinem Tisch. Dies nahm Thor wie in Zeitlupe wahr, und als er schon dachte, sie würde ihn ansprechen, tippte ihr jemand von hinten auf die Schulter. Sie wandte sich ab.

      „Hallo, bist du noch da?“, fragte Vanessa.

      „Ja, entschuldige, ich war gerade in Gedanken.“

      „Also, wie sieht es mit morgen aus? DVD-Abend bei mir?“

      „Ja, ich weiß nicht recht. Aber klar, machen wir.“

      „Was hat dich denn gerade so irritiert? Die Blonde?“

      „Nein, ich muss mich nur an den Gedanken mit dem neuen Job gewöhnen.“

      Sobald er an diesem Tag nach Hause kam, setzte er sich vor den Bilderrahmen und grübelte etliche Stunden lang. Nach dem Bild, auf dem er zum Ritter geschlagen wurde, hatte man ihn befördert. Wie schon das Bild am Vortag hatte es wie eine Prophezeiung gewirkt. Wenn also das Kriegerbild und das, auf dem er zum Ritter geschlagen wurde, tatsächlich die Dinge vorausgesagt hatten, so war es gut möglich, dass auch heute wieder ein neues Bild erschien. Und plötzlich sah er es. Das neue Bild zeigte wiederum den Mann, der ihm so ähnlich sah, dieses Mal mit einer wunderschönen Frau an seiner Seite – offenbar bei ihrer Hochzeit. Und Thor erkannte auch sie. Es war Fiona.

      Sein Herz machte einen Luftsprung. Fiona war die Antwort auf alle seine Fragen, alle Entbehrungen der letzten Jahre, die er hatte ertragen müssen. Schon als er sie zum ersten Mal gesehen hatte, war ihm klar geworden, dass diese Frau zu seinem Leben gehörte. Vielleicht hatte sie ja mitbekommen, dass er sich nun durchsetzte und dass er befördert worden war. Inzwischen lächelte sie jedes Mal, wenn sie ihn sah. Thor nahm den Bilderrahmen hoch wie einen Pokal und nannte ihn ein „wunderbares Zauberding“, denn endlich würde sein Leben so sein, wie er es sich immer vorgestellt hatte.

      Der nächste Tag war ein Samstag und Thor hatte zusammen mit Vanessa seine letzte Vormittagsschicht am Wochenende. Ständig schaute er zum Eingang in freudiger Erwartung, dass Fiona kommen würde. Den Bilderahmen hielt er bei sich, und wenn er nicht zur Tür sah, musste er auf das Foto starren. Endlich erschien sie am Kopierer. Thor ahnte, dass nun der Moment gekommen war. Er stellte sich den Ritter auf dem Foto vor, bekam Schwung in seine Bewegungen und schritt ehrerbietig auf den Kopierer zu. Es wunderte ihn nicht, dass er diesmal keinen großen Mut aufbringen musste, zu ihr hinzugehen und sie anzusprechen, und so sagte er mit feierlich tiefer Stimme:

      „Hallo.“

      „Hallo, kann ich dir helfen?“

      „Nein, also, ich dachte, ich könnte dir helfen. Hast du Probleme mit dem Rechner?“

      „Nein.“

      „Aber mit dem Kopierer?“

      „Nein, gar nicht. Sehe ich so aus?“

      „Ja, also ich dachte, wahrscheinlich hast du sie. Aber vielleicht ist das mit dem Rechner auch gar nicht wichtig. Aber falls du Hilfe brauchst, bin ich für dich da.“

      „Danke, aber ich brauche wirklich keine Hilfe. Ich muss nur hiermit heute fertig werden.“

      „Ach so, ja, wenn du fertig bist, gehen wir einen Kaffee trinken?“

      „Warum sollten wir das?“

      „Naja, ich dachte, wenn es vielleicht doch irgendwelche Probleme gibt, dann kann man die ja am besten bei einem Kaffee besprechen.“

      „Hör zu, ich weiß jetzt nicht, was das soll. Aber wenn ich Probleme mit dem Computer habe, frage ich meinen Freund. Und jetzt entschuldige mich, ich muss das hier fertig machen.“

      In seiner Brust spürte Thor ein höllisches Ziehen und sein Magen krampfte sich zusammen. Die Wirklichkeit, nein, die Menschheit kannte wirklich keinen Zauber mehr, dachte er. Wie ein Aussätziger stand er noch ein paar Sekunden neben dem Kopierer, dann ging er verschämt zurück zu seinem Arbeitsplatz.

      Vanessa hielt gerade den Bilderrahmen in der Hand und fragte ihn, was das für einer sei. Doch Thor antwortete nicht, nahm seinen Rahmen und verschwand aus der Bibliothek.

      Den Rahmen wie das Foto einer vermissten Person vor sich haltend, rannte Thor ziellos durch die Straßen. Die Braut sah Fiona ähnlich, aber vielleicht hatte er sich auch getäuscht. Der Bilderrahmen hatte ihn bisher nicht im Stich gelassen, deshalb konnte es einfach nur so sein, dass eine andere Frau gemeint war. Am Trödelladen von Herrn Koreander sah er wieder das Mädchen, das von der Polizei abgeführt worden war, als er den Rahmen gekauft hatte. Und da Thor in den letzten Tagen gelernt hatte, auf das Schicksal zu vertrauen, fiel ihm sofort auf, dass auch sie der Frau auf dem Foto ähnlich sah, dachte man sich die Ringe aus ihrem Gesicht weg und stellte sie sich mit ihren blonden Haaren ohne Mütze vor. Natürlich, dachte er. Ihr Schmuck, ihre Kleidung, sie waren wie eine Maske, in Wahrheit steckte eine ganz andere Frau in ihr, die darauf wartete, dass man anklopfte und sie hinaus bat. Es konnte kein Zufall sein, dass sie da war, gerade als der Rahmen in sein Leben getreten war. Er sah Herrn Koreander durch das Schaufenster mit dem Rücken zu ihm stehen, als er sich vor die Frau stellte.

      „Hallo, möchtest du vielleicht mit mir mitkommen?“

      „Mitkommen? Was bist du denn für einer?“

      „Ich möchte dir helfen. Möchtest du etwas zu essen?“

      „Ich habe schon gegessen.“

      „Dann vielleicht etwas trinken oder sonst etwas?“

      „Nein, lass mich in Ruhe!“

      „Aber dir geht es doch nicht gut. Das sieht man. Wenn du …“

      „Was willst du von mir? Du hast sie doch nicht alle!“

      „Ich habe dich vor ein paar Tagen gesehen, als du von der Polizei abgeführt wurdest.“

      „Ach so einer bist du. Jetzt mach bloß, dass du verschwindest. Als ob ich mit jedem Arsch mitgehen würde. Das habe ich nicht nötig. Also, verpiss dich!“

      Zutiefst beschämt schritt er weiter und sah sich nicht um, bis er sich hinter der nächsten Ecke befand. Doch war sein Glaube noch nicht gebrochen. Es zog ihn weiter durch die Stadt. Eigentlich musste er sich einfach nur treiben lassen, dachte er, musste es dem Zufall überlassen, dass er heute – und wann sonst, wenn der Rahmen es ihm prophezeite – seiner Traumfrau begegnen würde; einer Frau, die wie eine Königin aussah. Vielleicht traf er sie in einem Brautgeschäft, oder auf der Königsstraße in der Innenstadt, vielleicht war es die Verkäuferin mit der schwarzen Brille und der Tätowierung auf dem Oberarm im Games Workshop oder eine, die sich zufällig neben ihn stellen würde, wenn er an der Ampel stand.

      Thor lief lange durch die Straßen, ohne dass irgendetwas geschah. An diesem Nachmittag stieß er einige Flüche aus. Zunächst СКАЧАТЬ