Wandlerin zwischen den Welten. Bianca Wörter
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Название: Wandlerin zwischen den Welten

Автор: Bianca Wörter

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783847654605

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СКАЧАТЬ Tisch verdeckten. Das Ungeheuer würde sie sofort sehen. Wenn ich mich verstecken wollte, musste ich mir einen anderen Platz suchen.

      Aber wo?

      Dann sah ich sie: Die Großmutter, wie sie in allen Träumen einer Enkeltochter vorkommen musste. Uralt, klein, rund, runzelige Haut im Gesicht, weißes, geflochtenes Haar, das in einem Kranz um ihr Haupt gewunden war. Sie thronte in einem Schaukelstuhl, versuchte sich nicht zu verstecken, und hielt eine Schüssel mit gekochten und geschälten Kartoffeln seelenruhig in der Hand. Ich schlafwandelte auf sie zu und sie fixierte mich neugierig mit wässrig blauen Augen. Plötzlich brach ein gewaltiger Lärm vor der Tür los und ich wusste, dass ich es nicht mehr rechtzeitig aus dem Raum schaffen würde, denn das Ungeheuer kam hierher.

      Die Großmutter winkte mich zu sich heran: "Du scheinst Mut zu haben. Iss eine Kartoffel und wenn das Ungeheuer kommt, dann biete ihm auch eine an. Es wird dich zunächst übersehen, dann kannst du flüchten."

      Seltsame Worte, die keinen Sinn ergaben. Warum bot sie niemandem hier in diesem Raum ihre Hilfe an, warum versuchte sie nicht selbst damit dem Ungeheuer zu entkommen? Ich wusste die Antwort. Alle waren in tiefste Resignation, wie die drei Frauen zuvor, verfallen. Sie würden weder den Mut, noch die Kraft für eine mögliche Flucht aufbringen. Sie waren verloren.

      Ich konnte nicht weiter überlegen, denn die Tür sprang mit einem Knall auf und das Ungeheuer stand vor mir.

      Ich blickte zu Boden, wollte das Ungeheuer nicht anstarren, damit es nicht auf mich aufmerksam wurde. Dennoch konnte ich meine Neugier nicht zügeln. Unter meinen Wimpern blickte ich hervor und vor mir offenbarte sich etwas, was ich gar nicht erwartet hatte: Ich erkannte einen großen, dunklen Schatten, durch den ich wie durch Nebel hindurch schauen konnte. Der Schatten flimmerte wie die Luft an einem heißen Sommertag, aber ich fühlte, dass das Ungeheuer real war, ich konnte seine Ausstrahlung körperlich spüren, ebenso die Hitze, die es verbreitete. Der Boden wankte, wenn es einen Schritt vor den anderen setzte, es musste sehr schwer sein. Ich hob meinen Blick noch etwas weiter und bemerkte, dass es mich mit seinen glühenden Augen zu mustern begann.

      Oh-oh, ich wollte es doch nicht anstarren!

      Abwehrend hob ich die Arme, in der ich noch die Schüssel mit den Kartoffeln hielt und bot ihm somit unfreiwilligerweise die Speise dar. Das Ungeheuer riss mir die Schüssel aus den Händen und ich drehte mich nach der Großmutter um, die mir daraufhin zuzwinkerte.

      Ein Hoch auf meine Reflexe, ich hätte sonst vergessen, was Großmutter mir geraten hatte!

      Ein Problem tat sich auf - ich selbst hatte keine Kartoffel, wie empfohlen, gegessen. So würde ich vielleicht noch weniger Zeit haben, dem Ungeheuer zu entkommen. Ich rannte zu der Großmutter, wollte ihr für die Rettung danken, doch dann sah ich den Schatten des Ungeheuers, der direkt über der kleinen, alten Frau gebeugt war. Ich wollte ihr helfen, sie mit mir ziehen, doch sie rief mir laut "Lauf!" zu, und schon rannte ich wie ein gehetztes Reh zur Tür, meinte den heißen, fauligen Atem des schattenhaften Ungeheuern in meinem Nacken zu spüren, drehte mich um - doch da war nichts. Es war nur die Angst gewesen. Ich öffnete die Tür, schlüpfte hindurch und schloss sie unsinnigerweise wieder hinter mir. Dann schaute ich gehetzt nach rechts und links.

      Wohin sollte ich gehen? Ich befand mich wieder in dem Gang und hatte keine Ahnung, wo ich in Sicherheit sein würde, falls ich es je sein würde. Ich entschied mich nach rechts zu rennen, obwohl der Gang rechts von mir sofort wieder nach links abbog und ich nicht wusste, was sich dahinter verbarg. Doch noch weniger gefiel mir der Gedanke, mich nach links zu wenden und in dem endlosen Gang eine unheimlich lange gerade Strecke zu rennen, wo mich das Ungeheuer jederzeit hätte sehen können und an dem Raum, in dem sich derzeit das Ungeheuer befand, vorbei zu gehen, aus Angst, es würde durch die Wand brechen. Dass es die Kraft dazu hatte, davon war ich fest überzeugt. Also rannte ich um die Ecke, entdeckte, dass sich auch hier ein endlos gerader Gang befand und blickte mich immer wieder ängstlich um, wenn ich heisere Schmerzensschreie hinter mir hörte. Würde ich es erkennen können? Es offenbarte sich mir nur als Schatten. Als gewaltiger, durchaus reeller und todbringender Schatten, verbesserte ich mich in Gedanken.

      Ich rannte weiter, die endlosen Gänge, die immer wieder nach rechts oder links abbogen, oder sich in mehrere Richtungen verzweigten. Es war wie in einem Labyrinth und ich war noch nie gut darin gewesen, schnell einen Ausgang zu finden. Erst, wenn ich schon zum hundertsten Mal an der gleichen Stelle vorbeigekommen war, dann erst verstand ich, dass dies wirklich der falsche Weg gewesen war. Ich kam mir vor wie in einem Computerspiel, das ich noch nicht kannte - doch dieses Spiel war für mich tödlicher Ernst.

      Das Schicksal musste endlich doch Einsicht mit mir gehabt haben, denn ich kam an einen Gang, der zu einer Treppe führte.

      Verblüfft blieb ich stehen, als ich am Ende der Treppe angekommen war: Ich befand mich in einem Schiff, das in einer riesigen Lagerhalle auf Trockendeck lag!

      Die Masten mit den Segeln und Tauen tauchten vor mir auf und ich musste meinen Kopf tief in den Nacken legen, um die Aussichtsplattform zu erkennen - ein kleiner Korb, in dem ich mich wunderbar verstecken konnte! Ich sah höher zu dem Dach der Lagerhalle hinauf und bemerkte, dass sie sich in keinem guten Zustand befand - überall prangten riesige Löcher, zum Teil so groß, dass ein Kleinwagen ohne Probleme hindurchgepasst hätte. Hinter den Löchern erkannte ich den Himmel. Es war wohl ein sehr bewölkter Tag. Nebel waberte in Schwaden über das Dach. Wahrscheinlich würde es auch bald zu regnen beginnen. Aber das war mir im Moment herzlich egal, Hauptsache ich würde in Sicherheit sein. In vermeintlicher Sicherheit, denn ich wusste nicht, ob das Ungeheuer mich hier finden würde. Aber eine relative Chance war besser als keine und ich wollte sie nutzen. Noch zögerte ich, doch die Entscheidung wurde mir leichter gemacht, als ich mir gewünscht hätte, denn ich vernahm hinter mir die charakteristischen Geräusche des Ungeheuers - sogar der Boden schwankte unter den schwerfälligen Tritten des Schattenwesens. So schwerfällig es sich auch anhörte, ich machte nicht den Fehler, es zu unterschätzen, denn ich ahnte intuitiv, dass es sich flink wie ein Gepard bewegen konnte. Im Moment musste es seine Geschwindigkeit nicht unter Beweis stellen, denn es war sich seiner Beute sicher. Seine Opfer konnten oder wollten nicht entkommen, es konnte sich Zeit lassen. Ich konnte mir keine Zeit lassen, denn wenn es mich in den Momenten sah, in denen ich den Mast zu dem Korb herauf klettern würde, dann konnte das Versteck noch so gut gewesen sein, es würde mir nichts mehr nutzen.

      War es schon auf meiner Spur, so schnell schon? Dann fiel mir wieder ein, wie lange, wie unendlich lange ich durch den Irrgarten im Bauch des Schiffes herumgerannt war. Sollte ich mich gleich kampflos ergeben?

      Es kam schnell näher.

      Nein!

      Ich wollte kein schnelles Ende, ich wollte überhaupt kein Ende!

      Ich hatte eine Chance erhalten und wollte sie nutzen, auch wenn ich vor Angst kaum mehr stehen, geschweige denn klettern konnte.

      Es dauerte eine kleine Ewigkeit, bis sich meine Beine nicht mehr dem mentalen Befehl meines Gehirnes widersetzten, aber ich hatte es endlich geschafft, dass sie sich bewegten und diese kleine Bewegung riss mich aus meiner beginnenden Lethargie.

      Ich hatte wieder den Mut zum Kämpfen gefunden.

      Kämpfen klang gut - ich flüchtete!

      Tau um Tau kletterte ich hoch, schlang meine Arme und Beine um den Mast, zog mich Meter um Meter hoch zu meinem Versteck und bemerkte, dass mir die Angst Flügel verlieh. Ich ergriff weiter oben Seile, fand die nächste Stelle für meinen Fuß, zog mich ein Stück höher, griff wieder nach oben, fand das nächste Tau und hangelte mich in schwindelerregende Höhen. Meine Muskeln schmerzten ob dieser ungewohnten Belastung, doch das Adrenalin in meinem СКАЧАТЬ