Die Reise nach Ameland. Thomas Hölscher
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Читать онлайн книгу Die Reise nach Ameland - Thomas Hölscher страница 11

Название: Die Reise nach Ameland

Автор: Thomas Hölscher

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783750220447

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СКАЧАТЬ will gar nichts behaupten, hatte Michel schnell beschwichtigt und nach einer Weile hinzugefügt: Bloß ist die Ehe auch nichts anderes als ein Ritual, um die Sexualität auszuleben, und ich frage mich oft, ob die nicht schon längst das albernste aller Rituale geworden ist.

      Auch diese Bemerkung hatte ihm die Möglichkeit gegeben, noch einmal den Empörten zu spielen, bis Michel ihn ziemlich schroff aufgefordert hatte, nun endlich den Rest seines Zusammenseins mit Klaus Ferner zu erzählen.

      Da ist nicht mehr viel zu erzählen. Ein paar Wochen später ist es dann halt passiert.

      Was ist passiert?

      Na ja, die Katastrophe eben. Da ist irgendetwas aus dem Ruder gelaufen. Wir waren wieder abends zusammen auf meinen Zimmer, meine Eltern waren im Theater oder bei Bekannten. Er hat sich breitbeinig in den Sessel gesetzt, und irgendwie habe ich gespürt, dass er es jetzt endgültig drauf anlegte. Und dann habe ich ihm den Gefallen getan.

      Was hast du denn getan?

      Das aufdringliche Nachfragen hatte ihn geärgert, und Michel hatte wieder gegrinst. Oder soll ich mal raten?

      Er hatte es nicht unbedingt gewollt, es aber auch nicht mit Entschiedenheit nicht gewollt, dass Michel angefangen hatte zu raten: Du hast ihm einen geblasen.

      Was soll das denn! Ich verstehe nicht, weshalb du auf einmal ordinär werden musst.

      Ordinär? Und wieder hatte Michel laut losgelacht. Was soll denn daran ordinär sein? Wie nennst du es denn? Was ich einfach nicht verstehe ist, dass du tatsächlich Hemmungen hast, die Dinge beim Namen zu nennen. Statt dessen bezeichnest du sie als Katastrophe. Da ist etwas aus dem Ruder gelaufen! Ich könnte mich totlachen!

      Damals hatte es Ferner und ihm allerdings endgültig die Sprache verschlagen. Er hatte plötzlich vor Ferner auf dem Boden gehockt, zwischen dessen weit gespreizte Oberschenkel gestarrt und seine Hände schließlich nicht mehr bei sich halten können. Am Ende hatte er sogar am Reißverschluss der Hose hantiert, und das Ding hatte geklemmt.

      Mach doch!, hat Ferner dann gesagt. Er hat mich dazu animiert. Ich hätte das niemals getan. Noch die Erinnerung an dieses Bekenntnis Michel gegenüber war peinlich. Angestrengt versuchte er sich an Michels Gesichtsausdruck zu erinnern, als er diese Sätze gesagt hatte.

      Aber es war tatsächlich so gewesen. Wahrscheinlich hatte Ferner an jenem Abend Angst gehabt, so kurz vor dem Ziel könne die Vorstellung schon beendet sein. Als habe er befürchtet, die Gelegenheit könne wegen der ängstlichen Unentschlossenheit der impotenten Sau vor ihm womöglich noch ungenutzt vorübergehen, hatte er schließlich selber den Reißverschluss der blauen Cordhose nach unten gezogen und sein Ding aus der Hose gepellt. Der Schmier unter der Vorhaut hatte ganz penetrant nach Fisch gestunken, und auch dem aufkommenden Gefühl des Ekels hatte Klaus Ferner keine Chance gelassen: Wenn du ihn nicht anfassen willst, dann geht er eben in deinen Mund.

      Michel hatte sich vor Lachen auf den Boden fallen lassen. Wahrscheinlich glauben die Heteros, das Ding ist nur zum Pinkeln.

      Michel hatte sich kaum einkriegen können. Soll ich dir sagen, was dann passiert ist? Er ist gekommen, und dann hat er plötzlich ein schlechtes Gewissen gehabt. Du warst ein dreckiges Schwein, und er war der arme verführte Hetero. So war`s doch?

      Er hatte nichts darauf gesagt.

      Hast du denn wirklich etwas anderes erwartet?

      Eigentlich schon.

      Plötzlich hatte Michel ihn von der Couch auf den Boden gezogen, sich rittlings auf ihn gesetzt und schließlich seine Hose geöffnet. Darf ich vorstellen: das ist mein Schwanz. Der beißt nicht und stinkt auch nicht nach Fisch, weil er nämlich unheimlich gerne geleckt wird.

      Und dann hatte er das nicht gewollt, mit Michel hatte er diese Szene einfach nicht gewollt. Er verspürte plötzlich eine tiefe Abneigung dagegen, sich an diese Episode überhaupt noch zu erinnern. Macht es dir auch bei mir Spaß, unten zu liegen?, hatte Michel noch gefragt, dabei gegrinst und die Knie auf seine Oberarme gelegt. Mehrfach hatte der Junge sich auf seinen Körper zurückfallen lassen, die Oberschenkel gegen seinen Brustkorb gepresst und ihm die Luft genommen. Ich glaube, du brauchst das einfach, hatte er schließlich gesagt und gegrinst.

      Es war peinlich gewesen, ausweglos peinlich. Zum einen hatte er sich durchschaut gefühlt, weil plötzlich ihre eigenen Worte zwischen ihnen gestanden und alles unerbittlich auf den Punkt gebracht hatten, auf einen Punkt, den er nie hatte benennen wollen; das eindeutigste und damit unausweichlichste Wort hatte er zudem selber genannt: es war pervers. Zum anderen sollte Michel nicht so etwas mit ihm machen, es hatte überhaupt keinen Sinn, wenn Michel so etwas mit ihm machte.

      Und bei ihrem letzten Treffen war es dann gerade diese Pose gewesen, die endgültig alles zwischen ihnen zerstört hatte. Ihm selber war es so vorgekommen, als habe Michel sich wegen ihrer permanenten Auseinandersetzungen nicht mehr genügend von ihm beachtet gefühlt, habe einfach attraktiver auf ihn wirken wollen und deshalb ganz gezielt diese Pose zur Anwendung gebracht, von der er wusste, wie sie angeblich auf ihn wirkte. Aber Michel war nicht Klaus Ferner, und als Michel rittlings auf ihm saß und ihn erwartungsvoll ansah, war er außer sich geraten. Glaub doch bloß nicht, dass du mir über bist, hatte er plötzlich geschrien und Michel mit aller Kraft von sich gestoßen, so dass der mit dem Hinterkopf gegen die Tischkante geschlagen war.

      Was ist denn plötzlich in dich gefahren? Sekundenlang hatte Michel völlig entgeistert auf das Blut an seiner Hand gestarrt, mit der er sich zuvor an den Hinterkopf gefasst hatte. Warum tust du so etwas?

      Weil ich nie so werden möchte wie du. Du bist einfach ekelhaft.

      Er konnte es plötzlich selber nicht glauben, dass er Michel gegenüber diesen Satz tatsächlich gesagt hatte. Mehr noch: dass er nicht aus Trotz oder Wut so etwas gesagt hatte, sondern aus tiefster Überzeugung. Michel hatte ihn schließlich aus der Wohnung geworfen. Du brauchst mich auch nicht mehr anzurufen, hatte er ihm noch an der Wohnungstür gesagt. Und geh vor allem davon aus, dass auch andere Menschen nun Entscheidungen treffen, die dir vielleicht nicht passen oder sogar wehtun.

      Irgendwann an diesem elenden Abend hatte er zumindest für einen Augenblick noch das Gefühl, sich wegen dieser Bemerkung Vorwürfe machen, sich auf jeden Fall entschuldigen, das eigentlich schon lange getan haben zu müssen. Nur wenig später kam ihm jeder Gedanke daran vor wie Zeitverschwendung, weil dieser Vorfall doch lediglich der allerkleinste Teil all des Elends war, das er verursacht hatte und aus dem es schon deshalb keinen Ausweg mehr gab, weil er absolut nicht wusste, was er zu tun hatte, und immer nur die Gewissheit blieb, dass alles mit jeder Sekunde schlimmer wurde, in der er nichts tat.

      Und dann kam schließlich wieder diese riesige Mattigkeit, die schon seit Wochen den Schlaf abgelöst hatte; ein klobiges, nicht greifbares Gefühl unendlicher Resignation, das jede Hoffnung nahm, den ganzen Wust von Schmutz und Scheiße, den er produziert hatte, jemals noch hinter sich lassen zu können. Ein Gefühl, das zudem mit jeder Minute zu wachsen schien, die man es noch ertrug, anstatt mit letzter Entschlossenheit endlich einen Schlusspunkt zu setzen.

      3

      Er erwachte abrupt aus einem traumlosen Schlaf.

      Erschrocken sah er sich um, und es dauerte eine Weile, bis er sich seine Situation vergegenwärtigt hatte: Er befand sich in einem drittklassigen Hotel in einer holländischen Stadt, deren Namen für ihn bisher noch nicht einmal einen eindeutigen Punkt auf einer Landkarte bezeichnet hatte, und das alles, weil er gestern seine Familie verlassen hatte. Je länger СКАЧАТЬ