Die Reise nach Ameland. Thomas Hölscher
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Читать онлайн книгу Die Reise nach Ameland - Thomas Hölscher страница 10

Название: Die Reise nach Ameland

Автор: Thomas Hölscher

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783750220447

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СКАЧАТЬ style="font-size:15px;">      Hast du nicht auch oft Bock darauf, 'nem Mädchen mal unter die Bluse zu fassen?, hatte Klaus Ferner ihn einmal gefragt, als sie noch spätabends nebeneinander auf der Bank des Spielplatzes gesessen hatten.

      Nein, habe ich nicht.

      Ach, hör doch auf! Du traust dich bloß nicht.

      Nein, ich habe dazu einfach keine Lust.

      Du bist doch 'ne impotente Sau.

      Warum willst du es denn?

      Na, du stellst vielleicht Fragen! Wenn ich nur daran denke, so warme Titten anzufassen, kriege ich schon 'ne Latte.

      Dabei hatte sich Ferner in den Schritt gefasst, aber trotz der Dunkelheit hatte er selber nicht einmal gewagt, den Händen des anderen zu offensichtlich mit seinen Blicken zu folgen. Bei einem flüchtigen Blick aus den Augenwinkeln war alles nebulös geblieben genau wie Schwanz, Latte, schwul, einen Steifen kriegen nur Worthülsen blieben, die im eigenen Kopf zwar ständig neue Bilder produzierten, in der Wirklichkeit aber kaum etwas auf den Punkt brachten, weil man über so etwas nicht wirklich auch nur redete.

      Wenn Ferner diese Wörter benutzte, dann nur weil er gewusst haben musste, dass sie sein Gegenüber in Verlegenheit brachten, da es keine wirklichen Antworten geben konnte; weil er ein instinktives Gespür dafür hatte, dass diese Wörter im Kopf seines Gegenübers Bilder produzierten, die den immer mehr unter Druck setzten, damit der endlich etwas tat, von dem ein Klaus Ferner sich anschließend völlig empört distanzieren konnte.

      Wenn ihm selber lange unverständlich geblieben war, weshalb er trotz immer häufiger und immer ungenierter vorgetragener Demütigungen zu jeder Sekunde geradezu eifersüchtig die Nähe von Klaus Ferner gesucht hatte, so war ihm damals völlig unklar geblieben, was den anderen eigentlich an ihm hatte interessieren können. Im Nachhinein ließen sich natürlich plausible Erklärungen finden: nicht trotz, sondern gerade wegen aller Demütigungen war dieser Kerl immer attraktiver für ihn geworden; denn obschon ein Wort wie schwul oder Homo zwischen ihnen tatsächlich nicht ein einziges Mal gefallen war, musste Klaus Ferner natürlich die Macht gespürt haben, die er letztlich über ihn besessen hatte. Die kleinste Kleinigkeit wie das Berühren ihrer Oberschenkel, wenn sie nebeneinander auf der Couch in der Küche von Ferners Eltern saßen, hatte ihn schon in die schlimmste Verlegenheit bringen können. Und je unabsichtlicher von Ferners Seite alles ausgesehen hatte, um so mehr hatte es gewirkt.

      Irgendwann hatte ihnen beiden diese Absichtslosigkeit wohl nicht mehr gereicht, und er hatte bestimmte Situationen ganz bewusst herbeigeführt, Rituale gezielt inszeniert, die das zum Ausdruck bringen sollten, für das sie niemals Worte gefunden hatten.

      Sie saßen zusammen in seinem Zimmer und hörten die Beatles-Songs, deren Texte er heute noch auswendig hersagen konnte, obschon sie doch so offensichtlich nicht für jemanden wie ihn geschrieben waren, sondern exklusiv für Jungen, die gerne mal einem Mädchen unter den Pullover fassen wollten. Irgendwann fingen sie an herumzubalgen, schließlich war daraus ein regelrechter Ringkampf geworden. Wer zuerst auf dem Rücken liegt hat verloren. Er selber hatte diese Regel aufgestellt, und natürlich hatte er als erster auf dem Rücken gelegen.

      Ich habe gewonnen!

      Ich ergebe mich aber nicht.

      Und dann hatte Ferner endlich auf ihm gesessen.

      Ergibst du dich jetzt?

      Nein, ich ergebe mich nie.

      Ferner war weiter auf seinem Oberkörper nach vorne gerutscht und hatte die Knie auf seine Oberarme gesetzt. Jetzt denn?

      Er wusste nicht mehr, wie lange er sich zwischen den weit gespreizten Oberschenkeln in der blauen Cordhose genüsslich irgendwelchen Torturen wie Muckireiten und ähnlichen Scherzen unterzogen hatte. Auf jeden Fall war irgendwann die Beule in der blauen Cordhose, die schließlich sogar sein Kinn erreicht hatte, einfach nicht mehr zu übersehen gewesen. Ihn hatte der Anblick und die Tatsache, dass er sie ganz offensichtlich hatte sehen sollen, völlig irritiert.

      Ich verstehe wirklich nicht, warum du mir das überhaupt erzählst, hatte Lisa ihn gestern an dieser Stelle unterbrochen, und in ihrer Stimme hatte die Entrüstung darüber mitgeschwungen, dass eine derartig belanglose Peinlichkeit irgendetwas bedeuten, anscheinend sogar der Höhepunkt seiner skurrilen Anekdote über einen pubertären Ausrutscher sein sollte.

      Ihn hatte ihr offensichtliches Unverständnis und Desinteresse nur wütend gemacht. Klaus fand das eben geil, und ich auch.

      Was soll denn daran geil sein? Ich finde es einfach widerlich, wenn jemand einem anderen bewusst wehtut.

      Du vielleicht, aber wir fanden das eben geil! Klaus hat sogar einen steifen Schwanz gehabt.

      Mein Gott! Jetzt werde doch nicht auch noch ordinär. Das ist ja nur noch peinlich.

      Und damit war diese Geschichte für Lisa endgültig beendet gewesen. Er hatte nichts mehr gesagt, und sie hatte nichts mehr davon hören wollen. Er hätte ihr die Geschichte ohnehin nicht weiter erzählen können.

      Mit Lisa konnte man gar nicht über Sexualität reden. Es war verrückt, aber er hatte mit seiner Frau nie offen über Sexualität reden können. Von Beginn an hatte sie so etwas abgeblockt, und vor allem war ihr eine Sprache ein Horror, die die Dinge beim Namen nannte. Die Pille absetzen, Empfängnisverhütung, Monatsblutung, das waren die Wörter, mit denen Lisa diesen Bereich ihres Zusammenlebens abgedeckt hatte. Erst nach Jahren hatte sie ihm wahrscheinlich ohne es zu wollen einen möglichen Grund dafür genannt. Als Kind war sie während einer Ferienfreizeit einmal von einem Betreuer missbraucht worden. Nein, missbraucht war das falsche Wort: bedrängt hatte Lisa gesagt. Sie sei bedrängt worden.

      Er hatte dieser Geschichte für ihr Zusammenleben ohnehin nie eine besondere Bedeutung beigemessen, hatte sogar kein einziges Mal das, was das Wort bedrängen denn nun genau bedeuten sollte, ernsthaft in Erfahrung bringen wollen. Aber nun war er plötzlich davon überzeugt, dass er es mit Lisa 16 Jahre lang überhaupt nur gekonnt hatte, weil er so etwas zwar nicht gewusst, ihre Angst vor Männern aber insgeheim immer schon gespürt hatte. Eine Frau, die von ihm etwas erwartet hätte, wäre ihm doch weggelaufen.

      Michel hatte über die Episode mit Klaus Ferner nur gelacht. Ein besseres Bild kann ich mir für deine Situation kaum vorstellen: der arme schwache Homo, der dem bösen geilen Hetero ausgeliefert ist. Und da hatte er wieder einmal Angst gehabt, schon viel zu viel von sich preisgegeben zu haben, nur um letztendlich zum wiederholten Mal lächerlich zu wirken. Plötzlich hatte Michel sogar laut losgelacht, und er hatte sich endgültig auf den Arm genommen gefühlt. Ich weiß wirklich nicht, warum du mich jetzt auslachst.

      Michel hatte ihn sofort in den Arm genommen und sich entschuldigt. Aber ich lache dich doch gar nicht aus. Es ist nur so seltsam, dass du über diese Dinge einfach nicht reden kannst.

      Es ist doch auch pervers.

      Was ist denn daran pervers?

      Es ist sadistisch.

      Sadistisch? Michel hatte noch ungenierter gelacht und den Kopf geschüttelt. Und wenn schon. Wenn du daran Spaß hast, findest du alleine in Amsterdam zig Läden, in denen du diese Vorliebe befriedigen kannst.

      Zunächst hatte er überhaupt nichts verstanden; als Michel ihm dann von irgendeiner Lederszene und Schwulenläden mit SM-Praktiken erzählte, hatte er den Empörten gespielt. Das ist ja unglaublich! Du willst doch wohl nicht behaupten, dass derart alberne Rituale mit Peitsche und Gummiwäsche СКАЧАТЬ