Muzungu Facetten zentralafrikanischer Jahre. Peter Kunkel
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Название: Muzungu Facetten zentralafrikanischer Jahre

Автор: Peter Kunkel

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783741831362

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СКАЧАТЬ übrig hatte, war unschwer zu erkennen. Noch Jahre später überkamen mich sofort Unruhe und diffuse Schuldgefühle, wenn ich Glühwürmchen durch die Nacht fliegen sah und die Grillen dazu zirpten…

      Nach drei Stunden kam der Freund tatsächlich. Den Boy hatte er wieder mitgebracht, damit er das Benzin aus dem Kanister in den Tank füllte. Vielleicht hatte der Boy auch darauf bestanden, es zu tun.

      In Beni setzte mich der Mulatte in einem kleinen griechischen Hotel ab, dessen Besitzern er auf Griechisch noch einige Kommentare zu seinem seltsamen Mitbringsel gab. Ich bekam etwas zu essen und ein einfaches sauberes Zimmer für die Nacht.

      Griechen waren damals vielerorts eine ausländische Mittelklasse in Zentralafrika. Sie teilten diese Rolle mit den Indern einschließlich der Pakistani. Griechen fand man als Kaufleute, kleine und mittlere Unternehmer und Hotelbesitzer bis in die kleinsten Posten hinein. Sie waren bewundernswert. Sie hatten den Auftrieb, aber nicht die Ansprüche des Westeuropäers und waren fähig, es auch unter primitiven Verhältnissen zu etwas zu bringen. Sie hatten einen klaren Blick für die Qualitäten und Fehler der anderen Nationaltäten im Land und wahrscheinlich von allen Minoritäten die geringsten Vorurteile. Sie mochten nur die Inder nicht. Es waren ihre stärksten Konkurrenten, und Zentralafrika war geradezu in Flecken aufgeteilt, in denen entweder die Griechen oder die Inder den Handel in der Hand hatten. Selten hatte einmal ein Inder in einer ‚griechischen‘ Kleinstadt ein Geschäft oder umgekehrt. Beni war, wie viele Posten im Nordkivu, griechisch.

      In meinem Hotel machte ich die erste Bekanntschaft mit einer Einrichtung, der ich bis heute nichts habe abgewinnen können: dem zamu oder Nachtwächter. Als ich in mein Zimmer gehen wollte, fiel ich vor der Tür über eine armselige Gestalt, die in einen alten Militärmantel gehüllt vor einem Feuerchen hockte, neben sich ein ‚Bett‘ aus Resten alter Pappkartons, auf denen sie sich später zur Ruhe legte.

      Daß dieses Wesen die ganze Nacht vor meiner Tür meinen Schlaf – und die anderen Hotelzimmer – bewachen und an seinem lächer-lichen Feuer frieren sollte, schien mir ein ungeheuerlicher Mißbrauch eines Homo sapiens zu sein. Allerdings landesüblich. Ich brauchte nur auf die Straße hinauszuschauen. Vor jedem Geschäft saß eine dunkle Gestalt neben ein paar glimmenden Holzstückchen, die manchmal hell aufflackerten und kurz ihr Gesicht oder ihren Umriß sichtbar werden ließen. Wie diese Wächter Häuser und Geschäfte wirksam beschützen sollten, falls nun wirklich Diebe kämen, begriff ich nicht: Es schien eine Auswahl der kümmerlichsten Männchen des Landes zu sein, und die Jüngsten waren sie meistens auch nicht mehr.

      Der Neuling verkennt eben das Wesen des zamusystems. Er weiß nicht, daß ein zamu zwar das niedrigste aller Minimalgehälter bezieht (auf dem schwarzen Markt bekam man damals gerade für den Gegenwert von etwa zweieinhalb Euro ein zamumonatsgehalt), daß er aber davon noch ungefähr die Hälfte an potentielle Diebe abgeben muß und daß das die eigentliche Schutzwirkung ist, wenn man einen Nachtwächter anstellt. Nament-lich in größeren Städten ist das System gut ausgearbeitet. Auch die Polizei figuriert unter den Endempfängern. Es ist also gar nicht nötig, starke Männer wachen zu lassen. Es ist eine Arbeit für Schwache und Alte, die bereit sind, für das Taschengeld, das nach den Schröpfun-gen verbleibt, die Nacht im Freien zu verbringen.

      So genial dieses System auch sein mag, wenigstens ein Quäntchen der Gewinne ausländischer Geschäftemacher und der Gehälter der Experten der Entwicklungshilfe auf einen größeren einheimischen Personenkreis zu verteilen, so genierlich ist es für mich, jemand draußen in der Kälte bibbern zu lassen, damit ich mich sorglos im warmen Bett zusammenrollen kann. Lieber stelle ich mir einen Speer neben den Nachttisch. Das hat mir später viele Zusammenstöße eingebracht. „Du hast Arbeit, aber du willst sie nicht geben“, hieß es, wenn ich keinen Nachtwächter einstellen wollte.

      Soweit war ich noch lange nicht. Verzagt wachte ich am nächsten Morgen auf. Wenn ich in dem Stil weiterreiste, wie ich von Kasese nach Beni gelangt war (ohne Bukavu auch nur einen Kilometer näher gekommen zu sein), konnte das noch heiter werden. Aber es erwies sich, daß mein Mulatte ein viel freundlicherer Charakter war, als ich gedacht hatte: Der Hotelbesitzer erzählte mir, daß sein Freund bereits einen Lastwagen aufgetan hatte, der seine Fracht nach Goma bringen sollte, am Nordende des Kivusees. Von dort gäbe es eine Schiffslinie nach Bukavu. Noch war der Lastwagen nicht vorgefahren. Von der Terrasse vor dem Hotel aus betrachtete ich die kurze Geschäftsstraße von Beni und die Volksmenge, die vorbeiströmte, bemerkenswert abgerissene Gestalten verschiedensten Typs, darunter auch winzige, die deutlich als Pygmäen zu erkennen waren.

      Kaum aber hatten sie mein Interesse wachgerufen, so gab es, wie stets auf dieser Reise, keinen Augenblick mehr, sich ihnen zu widmen. Der Wagen erschien, mit einem ugandesischen Fahrer, der zum Glück ein bißchen Englisch sprach. Meine Griechen handelten einen Fahrpreis aus (wie freundlich und nützlich das war, begriff ich erst viele Monate später) und wieder ging‘s auf die Straße. Ich hoffte, diesmal bis zum Abend wenigstens in Goma zu sein. Die fünfhundert Kilometer bis dorthin mußte man doch an einem Tag schaffen kön-nen. Der ugandesische Fahrer stimmte meinen Berechnungen zu, wenn auch mit einer gewissen Zurückhaltung.

      Es wurden drei volle Tage. Gleich hinter Beni erhielt mein Opti-mismus den ersten Stoß. Die Erdstraße erklomm den steilen Abfall eines Hochplateaus. Sie war nicht nur voller Löcher, sondern auch glatt wie Schmierseife. Ein ganzer Konvoi von Lastern kroch im Schrittempo empor, darunter auch der meine. An mehreren Stellen war die Straße zur Hälfte abgebrochen und in der Tiefe ver-schwunden. Handbreite Risse zeigten an, daß der Rest bald folgen würde. Schräg über den Abbruch geneigt, passierten die Lastwagen, was von der Fahrbahn übriggeblieben war.

      Ich will den Leser diese drei Tage nicht im Einzelnen nacherleben lassen, das ständige Anhalten, weil Leute mitfahren wollten und der Preis dafür diskutiert werden mußte (meistens konnte man sich nicht einig werden) oder weil der Fahrer Gemüse, Hühner oder Bananen einkaufte, was ebenfalls nicht ohne langwierige Preisverhandlungen abging, oder weil der Fahrer sich absentierte, um für ein halbes Stündchen mit einer Schönen der Liebe zu pflegen. Auch darüber schienen erregte Preisdebatten stattzufinden, von denen ich leider so gut wie nichts verstand. Wo ich gern angehalten hätte, fuhren wir so schnell vorüber, wie es auf dieser Straße eben ging: an den großen Grasflächen des Albertparks (heute Virungapark), die von Büffeln und Antilopen übersät waren, oder am Rutshurufluß, in dem ich graue Tupfen gerade noch als Flußpferde identifizieren konnte. Nie gesehene Schönheiten, die ich mit Grimm an mir vorübergleiten sah. Wie leicht hätte ich das ändern können! Mit Vergnügen hätte der Fahrer für den verrückten muzungu überall beliebig lange ange-halten, wenn ich ihm dafür die nächsten Liebesfreuden finanziert hätte. Aber das wußte ich eben einfach nicht.

      Endlich tauchte die blaue Fläche des Kivusees vor uns auf. Ich konnte es kaum noch glauben. Langsam kroch der Laster auf den Hängen des Nyiragongovulkans zum Seeufer hinab. Der See hat es mir sofort angetan, in dessen Dunstkreis ich von jetzt an leben sollte. Wenn ich allerdings gewußt hätte, daß es fast zehn Jahre werden würden, wäre ich sicher nicht schlecht erschrocken.

      Noch war die Irrfahrt nicht zu Ende: Drei Tage versuchte ich in Goma zu ergründen, wann und wo das reguläre Passagierschiff nach Bukavu abginge, das erstaunlicherweise alle Wirren der Unabhängigkeit überlebt hatte. Es gab zwei Parteien in Goma. Die eine war für Diens-tag und Donnerstag, die andere für Mittwoch und Freitag. Am Sams-tagabend kam ich zur Überzeugung, daß ich das Boot für diese Woche versäumt hatte. Ich hatte übergenug von den Auskünften der schwar-zen und weißen Bewohner Gomas und mietete mich auf einem Lastkahn ein, der die Nacht über fahren und am Morgen in der Nähe des Instituts anlegen sollte.

      Der Kapitän lud mich auf den Schlepper ein, der verhältnismäßig frisch gestrichen und ganz adrett anzusehen war. Ich wollte aber nicht schon wieder als Weißer behandelt werden und stieg mit einer großen Volksmenge auf den Lastkahn. Nie zuvor noch jemals später habe ich soviel Rost auf einmal gesehen. Als es zu regnen anfing, wurde eine Plane über den ganzen Kahn gespannt, unter der sich das Volk verkroch, СКАЧАТЬ