Muzungu Facetten zentralafrikanischer Jahre. Peter Kunkel
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Название: Muzungu Facetten zentralafrikanischer Jahre

Автор: Peter Kunkel

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783741831362

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СКАЧАТЬ von der Plane herab, in die Haare, in die Augen, ins Hemd. Reumütig verließ ich meine Leidensgenossen beim nächsten Halt, als Kaffeesäcke einge-laden wurden, und nahm doch die Einladung des Kapitäns an.

      Auf dem Schlepper ging es die ganze Nacht fröhlich zu. Kapitän und Steuermann hatten sich ein Mädchen mitgebracht, das mir unter Gackern und Kichern half, wenigstens die gröbsten Rostflecken aus Hemd und Hose zu entfernen. Es kochte Abendessen und benutzte jeden Vorwand, um immer wieder kreischend loszulachen. Als sich der Kapitän ihm zuliebe (vielleicht auch, um dem muzungu zu imponieren) in der Pose des fliegenden Holländers vor die Steuer-kabine stellte und ein Brecher ihn von oben bis unten durchnäßte, wollte das Gekreisch und Gegickel kein Ende mehr nehmen.

      Im Morgengrauen legten wir an einem dunstverhängten grünen Ufer an. Der Kapitän deutete in die Nebelschwaden hinein: Dort oben in den Bergen liege das Institut. Ich lief mit meinem Koffer los, auf die Berge zu und befand mich bald in einer ausgedehnten Kaffee-plantage. Ich ging weiter und traf auf ein kleines Häuschen, in dem zwei Leute offenbar mit Papieren beschäftigt waren. Sie liehen mir einen Lastwagen mit Chauffeur aus, und eine Stunde später stand ich tatsächlich unter den Bogengängen zwischen den Laborgebäuden, die ich von Fotos her kannte. Es war Sonntagmorgen. Kein Mensch war zu sehen.

      Hier mußte irgendwo Urs, der Schweizer Zoologe, zu finden sein, der das Institut leitete. Mit ihm und seiner Frau hatten wir ausgiebig korrespondiert, und jetzt hatte ich den dringenden Wunsch, wieder in eine mitteleuropäische Atmosphäre zu tauchen und mich vom Trommelfeuer der Eindrücke zu erholen, mit denen ich vor allem von Kasese ab so reich gesegnet worden war. Ohne Zweifel hatte ich Zentralafrika hautnäher erlebt, als es manchem anderen in Jahren beschieden ist. Aber begriffen hatte ich eigentlich nur, daß alles, was man in der Bundesrepublik über den Kongo zu hören und zu lesen bekam, falsch oder doch wenigstens schief und mißverständlich war.

      Durch die Bogengänge kommt eine Frau gelaufen, eine Weiße dies-mal, klein, energisch, gepflegt, aber in robuster Bluse und Hose. Sie sieht sehr alemannisch und eidgenössisch aus, aber man kann sich ja täuschen. Ich raffe also mein Französisch zusammen und erkläre, wer ich bin und warum ich mich hier befinde. Sie unterbricht mich:

      „Ja, aber wie kommen denn Sie daher?“

      Der Schweizer Akzent ihres Hochdeutschs ist dezent, aber Gott sei Dank nicht verloren gegangen. Meint sie nun meinen Aufzug, der mit den Reminiszenzen an den rostigen Lastkahn in der Tat wenig ver-trauend erweckend aussehen muß, oder die Art und Weise, wie ich an das Institut gekommen bin? Ich erkläre in drei Sätzen meine letzten Transportmittel und Routen.

      „Na, Sie haben wirklich dagestanden wie ein Commis-voyageur mit seinem Muschterchöfferli!“

      Farben und Fetzen

      Ein ganzes Volk in Lumpen ist ein erschreckender Anblick. Es genügt auch schon, wenn nur die Hälfte, nämlich die Männer, abgerissen herumläuft. Als ich 1963 in den Kongo kam, war das der erste, niederschmetternde Eindruck. Als ich 1973 das Land verließ, gab es zwar viele, die einigermaßen manierlich gekleidet waren, aber vor allem auf dem Land hatte mehr als die Hälfte der Männer immer noch unwahrscheinliche Fetzen um sich herumhängen.

      Dabei waren die Frauen ausgesprochen hübsch angezogen. Für sie gab es überall auf dem Markt und in den indischen und griechischen Läden sogenannte wax zu kaufen, etwa vier Meter lange Streifen billiger, bunt bedruckter Stoffe, die in England, Holland und Indien hergestellt wurden, später auch in anderen Ländern der Dritten Welt und im Lande selbst. Die Frauen ließen sich daraus auf dem Markt Blüschen einfachsten Zuschnitts zurechtschneidern. Was übrig blieb, wurde zum größeren Teil um die Hüften geschlagen und hing bis auf die Füße herunter, zum kleineren kam es in einem hohen, möglichst kunstvollen Aufbau auf den Kopf. So war es wenigstens im Kongo-Zaire. Andere Völker hatten andere Frauentrachten entwickelt, die Gandafrauen in Uganda zum Beispiel ein langes Kleid mit kurzen, gerade den Ansatz des Oberarms deckenden Puffärmelchen, die den stämmigen Figuren ein noch matronenhafteres Aussehen gaben, als sie ohnehin schon hatten. In Rwanda trugen die Frauen ein toga-artiges langes Gewand, dessen durchhängende Falten die schlanken Figuren namentlich der Tutsifrauen voll zur Geltung brachten. Die langen Röcke all dieser Trachten gaben den Frauen Ansehen und Würde. Es war eine Freude, sie anzusehen, vor allem, wenn man sie mit der Kleidung in Gebieten verglich, in denen sich keine Tracht entwickelt hatte, wie etwa in Kenya, wo die Mehrzahl der Frauen schlecht geschnittene, in keiner Weise an die afrikanische Frauenfigur angepaßte Kleider europäischen Zuschnitts wie Säcke um sich herum-hängen hatte.

      Alle diese Trachten waren jungen Ursprungs. Noch um die Jahr-hundertwende gab es in östlichen Zentralafrika kaum andere Stoffe als Felle und Rindenbast, aus denen zum Teil kunstvolle, aber nur geringe Teile des Körpers bedeckende Kleidungsstücke hergestellt wurden: um die Hüften geschlungene Stoffbahnen, vielfach nur einfache Durchziehschurze, schmälere und breitere Gürtel, bei man-chen Stämmen auch einfache Schultercapes. Die Kolonialzeit hat mit dieser Mode aufgeräumt, vor allem aber die ersten Jahre der Unabhängigkeit. 1963 sah ich im Kivuhochland noch Frauen in Fell-kleidung herumlaufen, im Waldgebiet des nahen Tieflands einmal sogar noch eine alte Frau im Lendenschurz, später (außer bei Pygmäen) nicht mehr. Auch damals schon trug man dergleichen nur noch zu Hause oder bei der Arbeit auf dem Feld.

      Was aus der alten Zeit geblieben war, war die Vorliebe für bestimmte Farbtöne. Sie wechselte von einem Volk zum andern und spiegelte neben der Stammestradition die Atmosphäre der jeweiligen Land-schaft wieder. Die Frauen suchten sich ihren wax in ähnlichen, manchmal sogar den gleichen Farbschattierungen aus, in denen ihre Mütter Glasperlen für Halsketten, Hüftschnüre und Stirnbänder gewählt hatten.

      Auffallend war in dieser Hinsicht damals noch der Unterschied zwi-schen Rwanda und dem Kivuhochland. In Rwanda trug man mit Vorliebe einfarbige oder klein und unauffällig gemusterte Stoffe in klaren Farben, im Einklang mit der hellen, klaren und trockenen Luft der Savanne, in der die leuchtenden Flecken der Frauenkleider weit-hin sichtbar waren. Im westlichen Kivuhochland ist die Luft feuchter, oft diesiger, und das Grün der üppigen Vegetation spielt unter der Wolkendecke nicht selten ins Blaue. Hier bevorzugen die Frauen gebrochenere Farben mit einem Hang besonders zu Ockergelb und violetten Tönen, und die Muster können ihnen nicht groß und kontrastreich genug sein. Inzwischen haben sich die Rwandesinnen, soweit sie nicht europäische Kleidung tragen, der zairischen Mode angepaßt. Haben sie sich dem Diktat der Mode des größeren Nachbarn unterworfen, oder liegt es wenigstens zum Teil auch daran, daß die Savanne in diesem übervölkerten Land verschwunden und überall nur noch das dunklere, bläulichere Grün der Kulturen zu finden ist?

      Es muß für die Designer ein Vergnügen gewesen sein, den verrück-testen Einfällen auf den wax Gestalt zu geben. Ihren Kundinnen im kongolesisch-zairischen Kivu konnte es jedenfalls nicht wild genug zugehen. Die Rwandesen machten da zusammen mit einigen ver-wandten Nachbarvölkern eine Ausnahme. Wahrscheinlich hatte ihnen die aristokratische Hirtenkaste der Tutsi diese Zurückhaltung aufgeprägt. Weiter im Westen konnte man auf den wax eigentlich abbilden, was man wollte, ohne den Absatz zu gefährden. Aber politische Themen haben sich seit der Unabhängigkeit als besonders attraktiv erwiesen. Das gab den wax oft eine komische Note, vielfach aber auch etwas Bedrohliches, bis hin zum Alptraum. Die Trägerin ahnte freilich in den meisten Fällen weder das eine noch das andere. Oft konnte sie kein Französisch, und meistens waren die Schlagworte in dieser Sprache auf ihr Kleid gedruckt.

      Natürlich stand 1963 ‚Indépendence‘ auf vielen Frauenleibern geschrieben, manchmal in so riesigen Lettern, daß man es nur lesen konnte, wenn die Frau ihr Umschlagtuch bis zum Hals hinaufzog. Das war tragikomisch, wenn man an die Stellung der Frau in der kongo-lesischen Gesellschaft dachte, bedrückend war es noch nicht. Das kam erst mit Mobutus Flut politischer slogans (welches Wort man französisch aussprechen möge). Parolen wie ‚Retroussons les manches! – Krempeln wir die Ärmel hoch!‘ oder ‚Servir: oui – se servir: non! – Dienen: ja – sich bedienen: nein!‘ entströmten nicht nur täglich und stündlich СКАЧАТЬ