Muzungu Facetten zentralafrikanischer Jahre. Peter Kunkel
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Название: Muzungu Facetten zentralafrikanischer Jahre

Автор: Peter Kunkel

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783741831362

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СКАЧАТЬ gewissermaßen alle Fenster ins afrikanische Land hinaus staubsicher abdichten und dahinter mit unsicherem Geschmack ein monumentales Denkmal feudalistischer Reminiszenzen an die belgische Heimat errichten? Auch das spät entdeckte Gemälde war ja nur zu deutlich dieses Geistes Kind. Dieses Heimweh nach seigneurialer Pracht dürfte im Heimatland, in der Atmosphäre wachsenden Sozialbewußtseins, schon damals un-zeitgemäß, wenn nicht sogar anrüchig gewesen sein. Hier konnte man sich ihm noch ungehindert hingeben, gerade im Kivuhochland, das eine Hochburg des belgischen Adels geworden war.

      Aber es zeugt doch von beängstigender Enge, daß das neue Land in diese Prachtentfaltung nur in der Darstellung psychisch verkrüppelter ‚Eingeborener‘ einging. Eins der zahlreichen Kunstwerke kongole-sisch-zairischer Völker, die zum Besten gehören, was Schwarzafrika hervorgebracht hat, hätte doch wenigstens mit von der Partie gewesen sein können.

      Wie dem auch sei, mit Forschung hat dieser ganze Aufwand sowieso nichts zu tun. Sie ist glücklicherweise nicht vergessen worden. Hier konnte man wissenschaftlich arbeiten. Es gab geophysikalische, biologische und medizinische Labors, die bis zur Unabhängigkeit reichlich, um nicht zu sagen: verschwenderisch ausgestattet waren. Es gab eine kleine Forschungsklinik für unterernährte Kinder und eine umfangreiche Bibliothek, die, so hieß es, bis 1960 die größte Schwarzafrikas außerhalb der Südafrikanische Union gewesen ist. Sie war zum Mindesten auf den Gebieten auf dem Laufenden, auf denen jemand am Institut gearbeitet hatte. Es gab gut ausgestattete Werk-stätten, Garage, Schreinerei, Klempnerei, Feinmechanik und einiges andere. Sie waren im unabhängigen Kongo-Zaire noch notwendiger, als sie in der Kolonie gewesen waren. Ohne sie hätte man sich noch mehr an den Schwierigkeiten des Landes aufgerieben, als man es ohnehin schon tat. Es gab ja nicht einmal ein öffentliches Verkehrs-mittel, mit dem man vielleicht, sehr vielleicht solche Werk-stätten in der nächsten Stadt hätte erreichen können. Man konnte sich freilich fragen, ob die Autonomie hätte soweit getrieben werden müssen, daß das Institut oben am Waldrand, gleich neben unserem Haus, eine ferme mit über hundert Stück Vieh besaß, darunter vierzig Kühen. Aber es ist natürlich angenehm, immer frische Milch und Butter, gelegentlich auch einmal Fleisch zu haben, und auf Umwegen, nämlich über die Versorgung der unterernährten Kinder in der kleinen Klinik, kam die Produktion der ferme ja auch der eigentlichen Arbeit des Instituts zugute.

      Es war gewiß ein kostbares, wenn auch erschreckend kostspieliges Erbe, das dem jungen Staat mit der Unabhängigkeit in die Hand gefallen war. Kostspielig nicht zuletzt durch die weitläufige Behaglichkeit und geselligen Einrichtungen, die der Gründungs-direktor offenbar als unumgängliche Voraussetzungen für wissen-schaftliche Tätigkeit angesehen hatte: ein Gästehaus mit vielen über einen hübschen Park am Hang verstreuten Pavillons, fünfunddreißig Villen mit großen Gärten für die Europäer und für die Afrikaner wenigstens ein Angestelltendorf mit zahlreichen Häuschen, zwei Schulen, eine Krankstation, Klubhaus und zwei Kirchen – das alles will unterhalten sein. Es hat aber auch von jeher den nachkolonialen Machthabern imponiert, von denen sich nur wenige ein Bild der eigentlichen Aufgabe des Instituts machen konnten. Wer an den übertriebenen Luxus Hand anlegen wollte, stieß bei ihnen auf wenig Gegenliebe. Es war besser, nicht zu berechnen, wieviel Arbeiter und Angestellte am Institut auf einen Wissenschaft-ler kamen. Man hätte nur graue Haare davon bekommen, und än-dern konnte man es doch nicht.

      Vor der Unabhängigkeit entfaltete das Institut eine rege wissen-schaftliche Tätigkeit. Freilich verführten die Möglichkeiten, sich innerhalb seiner Grenzen behaglich auszuleben, viele der europä-ischen Insassen und ihre Familien dazu, von der Umgebung kaum Notiz zu nehmen. Sie verließen das Institut sozusagen nur im Wagen, und lediglich, um sich auf eine andere Insel der europäischen Zivilisation zu begeben, in die Stadt oder zu Freunden auf eine Plantage.

      Den Vogel schoß ein Flame ab, der bereits acht Jahre am Institut gearbeitet hatte, als wir ankamen. Er war noch nie auf einem ‚Eingeborenen‘markt gewesen. Er hatte noch nie den Fuß ins Stam-mesland gesetzt, das das Institut von allen Seiten umschloß. Er hatte abenteuerliche Vorstellungen über das, was hinter seinem Garten-zaun lag. Er war aufrichtig um unser Leben besorgt, als wir dort zwischen Bohnen und Bienenkorbhütten einen kleinen Spaziergang machten. Er hat auch in den nächsten zehn Jahren nicht gewußt, wie ein Sorghofeld aussieht, geschweige denn ein einheimisches Gehöft. Er ist in der ganzen Zeit, die wir am Institut verbracht haben, nie einen Schritt über seinen Gartenzaun hinausgegangen.

      Die Anreise oder wie man es nicht machen soll

      Der Neuling hat es nicht leicht, besonders wenn er sich auf dem Weg zum Kongo bereits siebzig Kilometer vor Nairobi mit seinem Kombi (für solche, die den Wagen unter dieser Bezeichnung nicht mehr kennen: ein Minibus von VW) überschlägt und unterhalb der Straße in weichem Schlamm wieder auf die Räder zu stehen kommt.

      Zum Glück war ich allein. Meine Frau und mein Söhnchen sollten in einigen Monaten mit dem Flugzeug nachkommen, was sie ohne weitere Vorkommnisse auch taten. Ich war mit dem Schiff von Triest nach Mombasa vorausgefahren. Man hat Zeit, sich an die immer dunkler werdende Menschheit zu gewöhnen. Natürlich hat man schon vorher Schwarze gesehen, aber in Mengen waren sie schon beeindruckend, besonders wenn man auf dem Weg in ein Land war, das sich wegen seiner katastrophalen Zustände einer traurigen Berühmtheit erfreute.

      Die Straße von Mombasa ins Hochland hinauf wurde gerade asphaltiert. Mehr als dreihundert Kilometer waren noch Erdstraße und nicht allzu breit. Sie lief eher wie ein Fußpfad durch die herrliche wilde Vegetation des Tsavoparks, der damals noch voll großer Baobabbäume war, die inzwischen einer Elefantenüberpopulation zum Opfer gefallen sind. Immer wieder standen Schilder am Weg, die vor überquerenden Elefanten warnten, aber es kam nie einer. Die Fahrbahn war voller Löcher und führte, wie die Erdstraßen im früheren britischen Ostafrika oft, ohne Rücksicht auf das Gelände schnurgerade durch das Land. Immer wieder ging es schwindel-erregend hinunter, und unten im Tal hatte man das Gefühl, gegen eine Wand zu fahren, so steil führte die Straße wieder nach oben. Nach kurzer Visite eines winzigen Stücks Tsavopark, wo mir die Fülle der Antilopen, Vögel, Elefanten und gigantischen Mistkäfer den Atem verschlagen hatte, war ich erst mittags von Voi aufgebrochen. Ich war müde und abgehetzt, als ich siebzig Kilometer vor Nairobi auf den Asphalt kam – wenige Augenblicke später war ich wieder hellwach und mein Wagen nach allen Himmelsrichtungen verbeult und ge-faltet.

      Ich darf mich nicht beklagen. Ich war unverletzt. Mein Umzugsgepäck war zwar durcheinandergewirbelt, aber offensichtlich unbeschädigt. Selbst die Kameraausrüstung, die auf dem Sitz neben mir ausge-breitet gewesen war, war zwar überall hingeflogen, aber noch intakt. Und der Motor sprang an, als ich den Zündschlüssel drehte.

      Trotzdem ist es kein gutes Gefühl, in einem neuen Kontinent gleich am ersten Tag neben seinem zerbeulten Auto im Schlamm zu stehen und nicht zu wissen, ob es noch weiterführe, wenn man es nur erst wieder oben auf der Straße hätte. Inzwischen war es stockfinstere Nacht, so schwarz, wie es sie in unserem lichterreichen Europa über-haupt nicht mehr gibt. Nur eine einsame Birne leuchtete irgendwo weit weg, über einer Stalltür vielleicht, denn im Licht meiner Schein-werfer sah ich, daß ich an einem Stacheldrahtzaun stand, und im Dunkel konnte ich die Umrisse einiger Kühe wahrnehmen.

      Erleichtert sah ich nach einiger Zeit die Lichter eines anderen Fahrzeugs aufleuchten. Es hielt auf mein Winken auch wirklich an. Der arabische Chauffeur verstand zum Glück Englisch und besah sich meinen Kombi. Dann drehte er sich um und fragte in aggressivem Ton:

      „Liebst du Nasser?“

      Es wäre unhöflich und unter den gegebenen Umständen auch unklug gewesen, Nasser nicht zu lieben.

      „Da hast du Glück. Wenn du Nasser nicht geliebt hättest, hätte ich dir jetzt nicht geholfen.“

      Er ließ von seiner Ladefläche eine erstaunliche Menge fröhlicher Schwarzer herunterspringen, die erregt in Kiswaheli auf mich einre-deten. Ich antwortete ihnen auf Italienisch, weil das von den mir geläufigen Sprachen klanglich noch am ähnlichsten war, eine ebenso СКАЧАТЬ