Muzungu Facetten zentralafrikanischer Jahre. Peter Kunkel
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Название: Muzungu Facetten zentralafrikanischer Jahre

Автор: Peter Kunkel

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783741831362

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СКАЧАТЬ in Kasese ausgelöst hatte. Besonders gut vorbereitet war ich auf dieses grausige Land nicht. Mein Französisch war mehr als kümmerlich (mit dem Korsen hatte ich Italienisch gesprochen), und mein Kiswaheli bestand aus einem Dutzend Wörtern (es sollte sich herausstellen, daß die Hälfte davon im Kiswaheli des Kongo ungebräuchlich, wenn nicht überhaupt unbekannt war).

      Kaum war nach einer Straßenkurve Kasese außer Sicht, als die schwarzen Fahrer anhielten und erst einmal ausgiebig Brotzeit machten. Bis zur Grenze sei es nicht weit, und die Grenze schließe erst um sechs Uhr abends. Diese Art der Betrachtung war mir neu. Ich lehnte ihre freundliche Einladung empört ab und rannte wie ein eingesperrter Wolf mit wachsender Verbitterung am Straßenrand auf und ab, ringsum Savanne und flammend heiße Luft. Um die Mittags-stunde fanden die Fahrer, man müsse doch allmählich aufbrechen. Wenn nämlich der ugandesische Zoll Schwierigkeiten mache, sei nachher der kongolesische vielleicht schon geschlossen.

      Man meine nur ja nicht, daß dies besonders nachlässige Fahrer gewesen seien. Viele Jahre später warteten wir einmal auf einen Transport empfindlicher geophysikalischer Geräte, die eine unter Zeitdruck stehende amerikanische Wissenschaftlergruppe dringend brauchte. Nach vierzehn Tagen brach der Leiter der Gruppe zusam-men mit dem (belgischen) Transportunternehmer nach Bujumbura auf, wo der Laster zuletzt gesehen worden war. Sie fanden ihn auch. Er hatte die ganzen vierzehn Tage hindurch Trockenfisch oben auf den Gerätekisten von einem Fischerdorf in die Stadt Bujumbura transportiert und seinem Fahrer ein kleines Taschengeld eingebracht, auf einer halsbrecherischen Straße, wo er nur so von einem Loch ins andere flog.

      Meine Fahrer waren also im Grunde brave Leute, wenn es mir auch damals nicht so schien. Sie kamen immerhin schon um vier am ugandesischen Zoll an. Er bestand aus einem winzigen Häuschen mitten in den endlosen Grasflächen des nördlichen Queen-Elisabeth-Parks und einem vergrämten indischen Zollbeamten, der übertrieben höflich, fast kriecherisch freundlich zu den Fahrern war (die Unab-hängigkeit stand vor der Tür, und das Schicksal der asiatischen Staats-beamten war ungewiß). Er mußte sie aber doch nach Kasese zurück-schicken, weil irgendein wichtiges Papier fehlte. Sie nahmen es mit Fassung hin, richtiger, mit heiterer Gleichgültigkeit. Ich aber wollte lieber per Autostop weiterfahren als am nächsten Tag noch eine Brotzeit miterleben. Ich ließ also meinen Koffer abladen und nahm Abschied von den Leuten. Fröhlich winkend fuhren sie davon.

      Mit dem Zollbeamten waren bald keine Gesprächsthemen mehr zu finden. Die Straße lag weithin sichtbar, weiß, unbefahren und fried-lich in der Sonne. Manchmal käme auch am Nachmittag noch jemand vorbei, versuchte der Inder mich zu trösten. Der Nachmittag verrann, zäh und unendlich langsam. Es wurde sechs Uhr. Das sei nicht schlimm, meinte der Zollbeamte, die Kongozeit sei um eine Stunde zurück, so daß der kongolesische Zoll erst um sieben Uhr ugandesischer Zeit schließe.

      In letzter Minute fuhr ein großer amerikanischer Wagen vor. Die Pracht war etwas angerostet, zwar an vielen Stellen, aber doch noch ganz passabel. Am Steuer saß ein dicker Mulatte. Hinten drückte sich ein kleines, dürres schwarzes Männchen in die Ecke, in ein Jackett gehüllt, dem überall das Futter entquoll, und mit einer Hose angetan, deren Beine schon mehrere Verkürzungen hinter sich gebracht haben mußten. Es war, wie sich später herausstellte, der Boy. Der Mulatte stellte sich als Grieche aus Beni vor. Das konnte, was seinen Volksstamm anging, meiner Meinung nach nur zur Hälfte wahr sein; aber er nach freundlicher Intervention des indischen Zollbeamten bereit, mich mitzunehmen. Und nun ging es dem schrecklichen Land zu, aus dem die Belgier zu Tausenden geflohen waren, in dem totales Chaos herrschte und die Weißen von der Bevölkerung mit Haß verfolgt und verabscheut wurden. So wenigstens stellte es sich in deutschen Zeitungen dar.

      Was erwartete mich am kongolesischen Zoll?

      Auch dort war es wieder ein solches Häuschen, allerdings lange nicht so sauber und ordentlich wie der Zoll auf der ugandesischen Seite. Es stand zehn Kilometer weiter ebenso einsam in der Savanne; aber in ihm ging es geräuschvoller und heiterer zu. Vier Zollbeamte saßen adrett gekleidet um einen Tisch, auf dem mehrere Bierflaschen und –gläser zu sehen waren. Sie begrüßten den Mulatten fröhlich wie einen alten Bekannten. Dann kamen sie heran und studierten meinen Paß und meine Bescheinigung, daß ich einen Arbeitsplatz am IRSAC in Bukavu hätte. Ihre Gesichter strahlten: ein Weißer, der in den Kongo kam, um sich niederzulassen und zu arbeiten. Meinen Koffer wollten sie erst gar nicht sehen. Der Mulatte drängte zwar heftig, wenigstens die Kamera zu plombieren; das sei doch Vorschrift. Aber sie meinten, wenn sich jemand im Kongo niederlassen wolle, müsse man freund-lich zu ihm sein. Sie kannten das Institut und schienen eine gewisse Hochachtung vor ihm zu hegen, wenigstens taten sie so. Ich verstand nicht alles, was verhandelt wurde. Aber ich war unendlich erleichtert, als ich zu dem Mulatten ins Auto stieg und die Zollbeamten zu ihren Biergläsern zurückkehrten.

      Das nächste für mich erstaunliche Erlebnis war ein Lastwagen, gestopft voll mit Kongolesen und gesteuert von einem jungen Belgier, der uns entgegenkam und neben uns anhielt. Nach unseren Medien hatte ich mir vorgestellt, daß es Belgier im Kongo sozusagen nicht mehr gäbe, und nun fuhr hier einer in dieser Einöde herum! Er stieg sogar aus und begann ein längeres Gespräch mit dem Mulatten. Ich erwartete jeden Augenblick, daß die Volksseele auf dem Wagen überkoche und man ihn zur Weiterfahrt auffordere. Aber nichts der-gleichen geschah. Die Menge sah stumpf und ergeben zu, wie die beiden ohne Hast miteinander schwätzten, und als der Lastwagen weiterfuhr und der Mulatte mir mitteilte, das seien alles Arbeiter des jungen Belgiers gewesen, dämmerte mir, daß es im Kongo doch recht anders aussehen müsse, als man es sich selbst in Kasese vorstellte.

      Es wurde Nacht, wieder tiefschwarze Nacht. Plötzlich röchelte das Auto, verstummte und stand.

      „Panne d’essence“, erklärte der Mulatte.

      Es war das erste Mal, daß ich mit dieser merkwürdigen panne Bekanntschaft machte: kein Benzin mehr. Ob ich noch ans Institut gelange, bevor mein Stipendium abgelaufen ist? Der Mulatte schnaufte verärgert. Er zog einen leeren Kanister aus dem Koffer-raum und schickte den Boy damit los. Zu seinem Freund in Beni, erklärte er, denn die Tankstelle sei ja jetzt wohl schon geschlossen. Es sei nicht mehr weit bis Beni, nur noch so etwas wie zehn Kilometer, und wenn der Freund selbst nicht kommen könne, könne der Boy ja allein mit dem Benzin zurückkommen.

      Daß ein solches Kümmermännchen in pechschwarzer Nacht mutter-seelenallein zehn Kilometer zu Fuß nach Beni laufen sollte und wo-möglich mit dem vollen Kanister den ganzen Weg wieder zurück, verschlug mir die Sprache. Ich fand das unglaublich roh und herzlos, besonders von jemand, der selbst so fett war, daß er schon auf dem Weg zum Kofferraum zu schnaufen anfing wie eine Dampfmaschine. Aber der Boy verschwand ohne Widerrede in der Finsternis.

      Wieder warten. Warten ins Ungewisse hinein. Wenn nun der Boy den Freund nicht antraf und auch sonst niemand, der ihm Benzin gab? Der Mulatte hatte die Unterhaltung mit mir in kurzer Zeit aufgegeben, weil mein dürftiges Französisch jedes flüssige Gespräch unmöglich machte. Er vertiefte sich in eine griechische Zeitung. Zwischendurch nickte er auch einmal ein.

      Ich stieg aus, und nach all dem Ringen mit Widerwärtigkeiten, mit Brotzeiten, lärmenden Zollbeamten, plombierter Kamera, verges-senen Zollpapieren, mißbrauchten Boys, pannes d’essence, überfiel mich die afrikanische Nacht mit voller Wucht, nichts weiter als das Zirpen von Millionen von Grillen im Gras der Savanne und das Gefunkel von Tausenden von Glühwürmchen , die anders als unsere deutschen immer nur kurz aufblinkten. So taten auch ihre Damen im Grase.

      Die Ruhe und Reinheit dieser Nacht stand in schroffem Gegensatz zu dem Schlamassel, in das ich mich augenblicklich verstrickt hatte. Hier stand ich irgendwo in Afrika, wo ich von Rechts wegen nichts zu tun und nichts zu suchen hatte, auf Leute angewiesen, die ich weder sprachlich noch in ihrer Motivation verstand. Mein Eigentum war über Ostafrika verstreut. Weniger denn je war gewiß, wann ich nun eigentlich mit dem beginnen könne, dessentwegen ich nach Afrika gekommen war. Mir war, als täte ich etwas Verbotenes, wenn ich mich auch nur einen Augenblick von der nächtlichen Schönheit gefangen nehmen ließ, als müsse ich mich СКАЧАТЬ