Название: ATTENTI AL CANE! - e al padrone
Автор: T. F. Wilfried
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783741827426
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Da dieser aber weder in der Lage war, das System zu verstehen und zu durchschauen, noch bereit, es signifikant zu ändern, blieb alles, wie es war.
Tom-Tom sorgte für Kundenanfragen, die keiner haben wollte. Schrieb Konzepte zur Umsatzsteigerung, Kundenbindung und Erhöhung der Produktivität, allesamt praktikabel und installierbar.
Problem jedoch blieb: Hätte man etwas ändern wollen, hätte man etwas ändern müssen. Und dazu schien niemand bereit. Also verschwanden diese Konzepte schnell wieder in der Schublade, mindestens bis zum nächsten Rundumschlag des Geschäftsführers. Dann wurden diesem die nahezu unveränderten Konzepte erneut vorgelegt.
Der Geschäftsführer fand sie wieder sehr innovativ. Wollte keinesfalls, dass sie in der Schublade vergilbten. Berief Arbeitskreise und Arbeitstreffen ein. Und danach war alles wie zuvor. Die Konzepte lagen in der Schublade bei den anderen und niemanden hat es wirklich interessiert.
Es gab also keinen plausiblen Grund, die Wochenendplanung länger aufzuschieben. Bis auf einige Telefonate, welche noch zu führen waren und einige Mails, die beantwortet sein wollten.
Nachdem er dies erledigt hatte, rief Tom-Tom gegen elf Uhr seinen Kollegen in einer Behindertenwerkstatt im tiefsten Ruhrgebiet an, der dort die Schreinerei leitete. Ihm hatte er vor seinem Urlaub Muster und Zeichnungen überlassen in der Hoffnung, die Ruhrpöttler würden sich an einer Eigenproduktion beteiligen, die Tom-Tom vor kurzem initiiert hatte. Dem war natürlich nicht so.
Auch im Ruhrgebiet stand das Tagesgeschäft einer strategischen Neuausrichtung im Weg. Die überlassenen Muster und Zeichnungen wollte Tom-Tom immerhin nicht ebenso abschreiben wie die erhoffte gedeihliche Zusammenarbeit. Also war ein zweites Treffen unumgänglich.
Es passte ihm an diesem Tage zudem ausgesprochen gut. Für vierzehn Uhr hatte Tom-Tom sich mit dem Avvocato am üblichen Treffpunkt verabredet, keine fünf Kilometer von seinem aktuellen Termin entfernt. Denn WIR hatten das Abendspiel.
Auch unter Berücksichtigung eines erhöhten Verkehrsaufkommens an einem Freitag sollten sechseinhalb Stunden allemal reichen, um aus dem Ruhrgebiet nach Hamburg zu kommen. Einen kostenfreien Parkplatz am Stadion zu finden. Ein paar Freunde zu treffen. Die nächsten Auswärtstickets am Supporters-Stand abzuholen und pünktlich zum Anpfiff im Block zu sein. Pinkelpause inbegriffen.
Immerhin hatten WIR ja Heimspiel, da kommt man nicht gern zu spät.
Wieso man plus minus achthundert Kilometer für ein Heimspiel verfährt und das für völlig normal hält, ist vielleicht nicht jedem und nicht auf den ersten Blick ersichtlich. Wie sich heraus stellen sollte, für den Schreiner-Kollegen ebenfalls nicht.
Jedenfalls war Tom-Tom um Punkt dreizehn Uhr bei der befreundeten Werkstatt für Behinderte im tiefsten Ruhrgebiet, wie er es dem Kollegen, der heute mal früher Schluss machen wollte, versprochen hatte. Er fand ihn nicht gleich, denn es war Mittagszeit. Und vor der Zeit Feierabend machen heißt ja jetzt nicht, auch vor der Zeit Pausen zu streichen. Nicht in einer Werkstatt für Behinderte. Und schon gar nicht im Ruhrgebiet.
Er fand seinen Kollegen also in der Kantine bei dessen wohlverdienter Mittagspause, die im Grunde bereits das Einläuten des auf dreizehn Uhr dreißig geplanten Wochenendes war.
Wartete geduldig, bis der Kollege seinen Kaffee ausgeschlürft hatte und wollte eigentlich nur noch eben die überlassenen Muster und Zeichnungen einladen, um sich dann auf den Weg zum Treffpunkt zu machen. Doch so schnell gehen die Dinge im Ruhrgebiet nicht. In einer Werkstatt für Behinderte schon mal gar nicht.
Wo waren denn noch gleich diese verdammten Muster? Der Kollege fing an, zu suchen und war sich jedes Mal sicher, hier müssen sie doch sein! Nicht, dass er seit gut zwei Stunden fernmündlich darauf vorbereitet gewesen war. Nicht, dass er etwa zur Unordnung neigte. Nein, er war schlicht und ergreifend nur noch nicht dazu gekommen, die besagten Gegenstände zu suchen.
Übrigens ein unverkennbares Merkmal, sich in einer Werkstatt für Behinderte zu befinden. Und dies gilt nicht nur für das Ruhrgebiet. Im Zweifel wird es der Kollege gewesen sein, welcher die Urlaubszeit des Schreiners missbraucht hatte, das wohlgeordnete Chaos in ein nicht durchschaubares, weil systematisches Ablagesystem zu verwandeln.
Gegen dreizehn Uhr zwanzig, also höchste Zeit für beide, endlich zum Abschluss zu kommen, war dann alles Gesuchte beisammen: Die Muster und die Zeichnungen. Man hatte sich im Grunde nur noch zu verabschieden und beide konnten ihre Termine voraussichtlich gemäß Plan einhalten.
Doch so ist nicht das Ruhrgebiet. Da ist ein klein Pläuschken ein Zeichen des Respekts, also unverzichtbar. Egal, wie sehr die Zeit drängte.
Kollege Schreiner: »Die Verkehrslage ist ja mal wieder ziemlich chaotisch.«
Anmerkung: Es lagen etwa eineinhalb Zentimeter Schnee, denn der Winter hatte erbarmungslos zugeschlagen im Ruhrgebiet!
»Mein Chef, die arme Socke, muss nachher nach Hamburg! Der tut mir richtig leid. Hoffentlich kommt er überhaupt heute noch an.«
Tom-Tom fragte interessiert, denn Hamburg interessierte immer: »Fährt dein Chef auch zum Spiel?« Kollege Schreiner: »Nee, der fährt Verwandtschaft besuchen, bleibt wohl auch das ganze Wochenende. Aber wieso auch, und wieso zum Spiel, zu was für einem Spiel?«
Tom-Tom holte seinen Autoschlüssel aus der Tasche und zeigte auf den Anhänger mit der HSV-Raute: »Na zu dem Spiel natürlich, wohin denn sonst?«
»Wie jetzt?«, fragte der Kollege. »Sag nicht, du fährst für ein Fußballspiel nach Hamburg?«
»Natürlich«, antwortete Tom-Tom. »Ich fahre nicht für ein Fußballspiel nach Hamburg. Ich fahre zu jedem Spiel des HSV.«
Der Kollege: »Dann bleibst du aber über das Wochenende da oben in Hamburg, oder?«
Tom-Tom: »Nein, wir fahren zum Spiel und heute Abend noch zurück.«
Der Schreiner: »Das ist aber ganz schön bekloppt, vierhundert Kilometer zu einem Fußballspiel zu fahren und danach gleich wieder vierhundert Kilometer zurück!?«
Bevor Tom-Tom noch antworten konnte, wobei er schon eine Weile überlegte, wie er denn jetzt eine auch für Außenstehende verständliche Antwort geben sollte, stand weiter hinten in der Werkstatt einer der behinderten Mitarbeiter auf.
Schlurfte gemächlich nach vorne. Zog umständlich mit etwas ungeschickter Bewegung aus seiner Hosentasche einen Schlüsselbund, an dem ein zwar recht abgenutzter, aber unverkennbar ebensolcher HSV-Anhänger prangte, wie Tom-Tom ihn eben noch stolz dem Kollegen gezeigt hatte.
Gab Tom-Tom kumpelhaft die obligatorische Fünf und sprach laut und selbstverständlich in aller Ruhe aus, was sowieso jeder weiß: »Gar nicht bekloppt!!!«
Das breite Grinsen des behinderten Mitarbeiters, die völlige Verblüffung des Kollegen, die Absurdität der Situation, welche der behinderte Mitarbeiter so pointiert als schlichte Normalität auf den Punkt gebracht hatte.
Noch im selben Augenblick wusste Tom-Tom: Vielleicht hatte er nicht immer einen leichten Job. Aber Momente wie diesen erlebst du nicht mal eben so, nicht einmal im Ruhrgebiet.
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