Название: Eine Faust-Sinfonie
Автор: José Luis de la Cuadra
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783737589291
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Die Erlösung kam mit dem Chorus Mysticus, der Verherrlichung der Mater Gloriosa. Die Macht des orchestrierten Chores versöhnte alle gegeneinander strebenden Kräfte zu einer göttlichen Einheit. Es war, als würde ein leuchtender Schweif vom Himmel auf die Erde herunter stürzen und die Menschheit von ihren Qualen erlösen. Ich war froh, dass die Spannung endlich abnahm und ich mich am Ende des Konzertes am tobenden Applaus beteiligen konnte.
All das blöde Getue. Dieses anzügliche Ewig Weibliche! Pfui,
ich halte mich lieber an das Unzulängliche und Vergängliche.
Mach was du willst. Ich strebe nach Sphären, die dir versagt sind.
Wie zutreffend! Ja, ich strebe nach den Tiefen der Finsternis. Mein
Reich ist die Hölle. Glaub mir, du Knecht Gottes, meine Welt
wird dir mehr geben, als dein gescheites Hirn sich vorstellen
kann. Vergnügen und Lust werden deine Sinne bedienen. In der
Verderbtheit liegt die Befriedigung des menschlichen Seins.
Wann wirst du es begreifen?
Ich bin zu verwirrt, als dass ich dir antworten könnte.
Nimm dir Zeit, mein Lieber, ich kann warten.
Der Zuhörerstrom quälte sich durch die engen Gänge der Stuhlreihen wie zähflüssige Melasse. Ich presste mich zwischen die Gäste und ließ mich von ihnen treiben. Der Druck in meiner Brust verstärkte sich wieder, Enge ergriff meinen Hals. Ich bekam kaum mehr Luft. Alles Leben wollte aus mir weichen. Als mich der Besucherstrom in die Haupthalle ausspuckte, kam ich ins Schwanken und ein Schleier tiefer Melancholie senkte sich über mein Bewusstsein.
Ich erwachte am Boden. Ein älterer Herr half mir auf die Füße.
„Soll ich die Ambulanz rufen?“
„Nein, bitte, sehr freundlich, es geht schon. Nur ein kleiner Schwächeanfall.“
Ich setzte mich auf eine Bank. Der Mann reichte mir ein Glas Wasser, das ich dankbar entgegennahm. Ich wusste nicht, was mir mehr zugesetzt hatte, die Spannung zwischen Faust und Mephisto oder diese lästige innere Stimme, die wie mit Messern in mir herumbohrte. War es mein schlechtes Gewissen, welches mich wie ein innerer Schatten daran erinnerte, was ich im Begriffe zu tun war?
Meine frühere Welt schien wie Ballast auf mich herunter zu stürzen. Ich hatte nicht genug über mein Vorhaben nachgedacht, hatte mein Leben überstürzt verlassen. Mit Reue erinnerte ich mich an die Tränen in den Augen meiner Frau Marthe, an das
Unverständnis und Entsetzen in ihrem Gesicht. Nicht auszumalen, wie ich vor meinen Kindern, Sonja und Tobias dastehen würde. Meine wissenschaftliche Karriere war zerstört. Es gab kein Zurück. Ich war allein, allein mit meinem gespaltenen Ich, einem teuflischen Jesuitenpriester und einer vatikanischen Hure. Nicht zu reden vom Teufel in mir.
Die reife Frucht fällt bald vom Baum.
Könnte sein.
So lieb’ ich dich.
Auf die Liebe des Teufels kann ich verzichten.
Ich erlöse dich von deinen Qualen, lasse dich den Sinn des Lebens
entdecken. Ich zeige dir die wahre Liebe, den Weg in die Seligkeit.
Große Worte.
Worte des Teils, der am Anfang alles war ...
Kommt mir irgendwie bekannt vor.
Langsam begreifst du.
Ich bin jetzt müde.
Also dann, gute Nacht und bis morgen.
Nein, ich konnte das nicht länger aushalten. Es wäre wohl besser, wieder nach Hause zurückzukehren. Ich hatte mir Erleichterung und Befriedigung erhofft und steckte nun tiefer im Schlamassel, als ich es je gewesen war. Sollte ich meinen Freund Daniel anrufen? Er wusste nicht einmal, dass ich aus meinem Leben ausgestiegen war. Meine Schwester Agathe? Sie würde mir durch das Telefon hindurch den Kopf abreißen. Meinen Psychiater konsultieren, den ich während mehrerer Monate aufgesucht hatte? Er würde mich nur fragen, ob ich meine Tabletten nahm.
Ich musste erst mal ausschlafen. Morgen würde ich meine Situation überdenken.
Das Auditorium war schon fast menschenleer, als ich mich auf den Weg zu meiner Pension in der Nähe der Spanischen Treppe machte. Eine Frühjahrsbrise strich durch die Gassen und kühlte meinen Kopf. Ich schöpfte Hoffnung.
4
Auch muss ich, wenn die Nacht sich niedersenkt, mich ängstlich auf das Lager strecken; auch da wird keine Rast geschenkt, mich werden wilde Träume schrecken.
(FAUST, Faust: Der Tragödie erster Teil)
Teufelsquinten prasselten wie Hagelkörner auf mich herunter. Mein Leib lag auf der Streckbank eines finsteren Gewölbekellers, nackt. Eine Gruppe Jesuitenpriester stand mit Fackeln und Prügeln in den Händen um mich herum. Ein Folterknecht drehte am Streckrad. Ich kannte ihn. Es war der Jesuit von der Taverne, Monsignore Diabelli. Er lächelte verächtlich, während er das Rad immer weiter drehte und mein Körper zu knirschen begann. Der Schmerz durchfuhr meine Wirbelsäule als würde sie mit einem Messer aufgeschlitzt. Die Arme zerrten an den Schultergelenken und drohten sie auszurenken. Ich schrie und brachte nur noch ein Krächzen hervor. Mein Körper wand sich in seinem Schweiß hin und her, obwohl jede Bewegung die Qual verstärkte.
Ein grober Schlächter führte eine Frau in das Verließ und warf sie vor die Streckbank. Er befahl ihr, sich auszuziehen, und als sie sich widersetzte, schlug er mit einem Knüppel auf sie ein. Zwei Folterknechte ergriffen sie, rissen ihr die Kleider vom Leib und setzten sie mitten auf meinen überstreckten Leib. Ich stöhnte auf. Mein Körper schien unter dem Gewicht zu bersten. Ihr Gesicht war aufgedunsen und aus den geschwollenen Lidern flossen Tränen. Ich spürte die warmen Tropfen auf meine Brust fallen. Durch den stickigen Dunst des Kerkers hindurch konnte ich erahnen, dass es sich um die Kurtisane aus der Taverne handelte.
„Fick ihn! Los, fick ihn, Schlampe!“
„Bitte, nicht ihn.“
„Warum nicht ihn?“
„Er sucht etwas anderes.“
„Es interessiert uns nicht, was der Mistkerl sucht. Gott steht hinter uns. Weißt du nicht, wer wir sind? Dass uns der Glaube führt? Wer sich nicht unterwirft, wird in der Hölle schmoren. Wer nicht nach den Gesetzen Gottes lebt, ist des Teufels.“
„Ist es ein Gebot Gottes, was ihr von mir verlangt?“
„Es dient der Reinigung deiner Seele, du Luder. Es ist der Ablass deiner Sünden, ein Opfer für diesen verlorenen Sohn hier. Los schon!“
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