Название: Das Leben ist ´ne Session
Автор: Frank Gahler
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783844257328
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Am nächsten Tag erfuhren wir gegen Nachmittag, dass der Studentenclub der technischen Hochschule „Otto v. Guericke“ einen Wasserrohrbruch größeren Ausmaßes zu beklagen hätte und wir dort somit heute Abend unmöglich auftreten könnten – 70% der Gage würden aber schon für uns bereit liegen. Klasse – freier Tag bei guter Bezahlung in `nem prima Hotel – wir waren nicht sauer. Speiche und ich setzten uns nach einem seeehr ausgedehnten Frühstück in die Lobby und begannen zu trinken. Nüscht schlimmes – nur Bier! Es vergingen einige sehr gemütliche Stunden (hab’ ich eigentlich schon erwähnt, dass man mit Speiche geradezu wochenlang sitzen und quatschen kann?) – Also nach einigen Stündchen bekamen wir Knast, schlenderten ins Restaurant und speisten uns mit ostentativ abgespreizten kleinen Fingern durch die Karte. Jetzt musste der Magen mit einigen Kräuterlikören aufgeräumt werden! Ach komm, bei dem fetten Essen muss es mindestens noch einer sein… In der zurückgekehrten Hallenbar ging’s dann weiter mit Kräuter…!
So gegen 17 Uhr soll ich mich dann auf allen Vieren durch ein Spalier erstaunter, teils angewiderter Touristen und Geschäftsreisenden in Richtung Fahrstühle begeben haben. Aber wie so oft dachte ich mir: lieber einen sitzen haben und nicht stehen können, als einen stehen haben und nicht sitzen können.
Pünktlich um 10 Uhr am nächsten Morgen wachte ich mit den Geschmack eines verfaulenden Hamsters im Mund wieder auf. Ich war also noch am Leben! Da wir ja noch eine Nacht in diesem Hotel bleiben wollten, an diesem Tage aber wieder die günstigeren „Normalzimmer“ zu haben waren, zogen wir also innerhalb des Hauses um. Aus irgendeinem, für uns nicht nachvollziehbarem Grund mussten wir aber auch noch mal diese verschissenen Anmeldezettel ausfüllen. Micha hatte selbstverständlich immer noch keinen Ausweis dabei, was uns an der Rezeption wieder zur Höchstform auflaufen ließ: „ warte mal, gib mal noch mal den Zettel her – ach nee, mein Ausweis – äh die Nummer iss nich richtig, ach so HIER soll die Adresse also hin – kann ich noch mal vergleichen – wo sind wir denn hier eigentlich – sagen se mal, haben sie auch Zimmerservice...?“ Was einmal klappt…!
Wir also die neuen Zimmer bezogen, um dann schnurstracks zum neuen Veranstaltungsort, wie gesagt irgendwo in der Nähe von Magdeburg – genau weiß ich heute nich’ mehr wo das war, zu fahren. Danach kamen wir völlig geschafft mitten in der Nacht – na klar – wieder im Hotel an und verkrümelten uns alle auffallend schnell nach einem obligatorischen Absacker in unsere Kojen. Irgendwie hat Kalle es geschafft, dass wir fast alle unsere Einzelzimmer hatten, was nach den letzten Tagen für das Bandklima einfach günstig war. Am nächsten Morgen wollten wir uns ziemlich zeitig beim Frühstück treffen, weil wir zu einem riesen Openair nach Gera mussten und dort aus organisatorischen Gründen schon gegen Mittag einschweben sollten.
Am Frühstückstisch trudelten wie immer als erstes Gala - sehr schnell gefolgt von Kalle und Mario Janik ein. Basti und Speiche lagen – zwar mit verschlafenen kleinen Äuglein immer noch gut in der Zeit. Aber wo blieb Linke, der Hund? Nach geraumer Zeit wurde es mir zu bunt – ich fuhr nach oben, um an Michas Tür Sturm zu klopfen. Da rührte sich nix, aber auch garnix. Ich also wieder runter. In der Zwischenzeit ist Kalle an der Rezeption vorstellig geworden: „Wie, der Herr Linke? Na der iss doch heute Nacht von der Volkspolizei abgeholt worden!“ WAAAS? „Ja verdammte Scheiße, wann wollten sie uns denn diese kleine unbedeutende Nachricht übermitteln – und vor allem WARUM ist der Goldjunge arretiert worden?“
Nach einigem hin und her stellte sich heraus, dass in der Nacht routinemäßig von den Bullen die Meldezettel kontrolliert wurden. Tatsächlich sind dann so ’nem übereifrigen Pisseschnüffler die unterschiedlichen Ausweisnummern von Herrn Linke aufgefallen – diss musste natürlich sofort überprüft werden – roch der Kollege doch mit seinen langen Loden schwer nach Staatsfeind, Konterrevolutionär und Hustensaftschmuggler.
Nach einigen Telefonaten mit den „zuständigen Stellen“ kam dann der völlig übermüdete Micha im Hotel an. Auf der Fahrt nach Gera erzählte er uns erstmal was geschah: Nachts, so gegen 5 Uhr früh hämmert irgend so’n Arsch an die Zimmertür. Klar, dass Micha glaubt, dass es höchstwahrscheinlich der durstige Sebastian ist. Micha reißt also splitterfasernackt mit richtig Wut im Bauch die Tür auf, in dem er brüllt: „Du verdammte Mistsau, verpiss dich von meiner Tür!“ DAS fanden die strengen Ordnungshüter der Deutschen Demokratischen Republik ü – ber – haupt nicht witzig! Bei diesen humorlosen Wichsern war es schon fast ein Wunder, dass sie Micha noch die Möglichkeit gaben seine Blöße zu bedecken, bevor sie ihn zum Zwecke der Feststellung der Personalien mit ins Revier nahmen.
Nach dem Motto: Wer den Schaden hat braucht für den Spott nicht zu sorgen haben wir uns noch lange über diesen Vorfall amüsiert. Anders als mit Humor – wenn auch sehr oft schwarzem – war die Omnipräsenz der Bullen und anderer
Ordnungshüter manchmal kaum noch zu ertragen.
KINO INTERNATIONAL
In Berlin z. B. gaben wir mal ein Konzert im Kino „International“ in der Karl – Marx – Allee. Einer unserer Songs – „bye, bye Lübben City“ (Text übrigens von Lello) handelt davon, wie Leute ihrer Musik bzw. ihren Lieblingsbands jedes Wochenende hinterher trampen.
BYE BYE LÜBBEN CITY
er heißt Andreas, Micha oder Frank
und kommt aus Lübben, Frankfurt oder anderswo
in der Woche ist er Koch oder Schlosser oder Stift
bei Meister sowieso
er steht auf Karussell, auf Kerth und auf Monokel
und auf singende Abgeordnete ach-i-wo
am Wochenende steht er wieder an der Piste
und zeigt seinen Daumen vor
die Musik, die da gespielt wird, wo er hin will
hat er lange schon im Ohr
bye bye Lübben city
the sun is gonna shining anymore
Fieto, Wille, Gala, Kuhle, Speiche. Vor dem Pissoir Senefelder Platz
Nun ergab es sich, dass in der DDR irgend so’n Typ einen Inlandsflug gebucht hatte und das Flugzeug doch tatsächlich entführte, um auf diesem Wege in den Westen zu kommen. Ein Fan von MONOKEL jedenfalls nahm auch mal einen Inlandsflug von Erfurt nach ich – weiß – nicht - wo, um zu einem unserer Konzerte zu kommen. Ich also nicht blöd und um keinen Gag verlegen werde daraus natürlich die Ansage zu „bye, bye Lübben City“ machen: “Also, wir wissen ja, dass viele von Euch viele, viele Kilometer trampen und viele, viele Strapazen auf sich nehmen, nur um Eure Lieblingsbands zu sehen. Einer ist sogar von Erfurt aus geflogen – DER WIRD WOHL GEHOFFT HABEN, DASS DAS FLUGZEUG ENTFÜHRT WIRD!“ Helle Freude im Publikum, super Stimmung! Nicht so nach dem Konzert in der Garderobe: vollkommen vergessend, dass wenn MONOKEL spielte auch immer mit der Anwesenheit staatlicher Gralswächter, sprich Stasischergen, zu rechnen war, hab ich mich laut Kalles nicht gerade leise vorgetragener Meinung viel zu weit aus dem Fenster gelehnt. СКАЧАТЬ