Название: Das Leben ist ´ne Session
Автор: Frank Gahler
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783844257328
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Letztendlich kann man anhand dieses Beispiels genau erkennen, wie leicht es war, in der DDR mit irgendwelchen Verboten belegt zu werden.
Jahre später bei N.O.55 – wenn ich mal kurz vorgreifen darf - hatten wir z.B. einen Song: „Schlüsselkind“. In diesem Lied ging es ganz einfach darum, dass Kinder, deren Eltern den ganzen Tag arbeiten müssen oder wollen, mehr oder weniger auf sich gestellt sind und eben mit einem Schlüssel um den Hals durch die Landschaft ziehen. So weit, so gut, meiner Meinung nach nicht sooo ein wildes Thema, war schließlich auch ich so ein Schlüsselkind. Zu diesem Titel wurde ein Videoclip gedreht, und das Machwerk wurde in der Sendung „STOP ROCK“ beim Fernsehen der DDR vorgestellt. Relativ zeitgleich kamen wir mit jener Nummer noch bei dieser teilweise ungelenk anmutenden Jugendsendung des DDR-Fernsehens namens „RUND“ über den Äther, und die Welt schien, da der Song auf allgemeine Gegenliebe stieß, in bester Ordnung zu sein.
Ja denkste wieder mal! Irgend eine sozialistische Lehrerpersönlichkeit, genau genommen eine Direktorin, hat nach abhören der Nummer bei „RUND“ doch tatsächlich einen geharnischten Brief ans Fernsehen der DDR geschrieben, mit dem bitterbösen Inhalt, dass ja solche „Auswüchse gesellschaftlicher Verwahrlosung“ in unserer sozialistischen Heimat unmöglich stattfinden können - immerhin gibt es ja bei uns ein hervorragendes Schul - und Hortsystem, darüber hinaus die beiden prima Pionierorganisationen, dann noch die FDJ, und zu guter letzt, allerorten Jugend - und Sportclubs mit aufregenden und spannenden Angeboten für unsere Buben und Mädchen, ergo: bei – uns – gibt - es – kei – ne - Schlüss – el – kin – der, basta!
Ob Ihr’s glaubt oder nicht, von diesem Augenblick an wurde dieser Titel von diesen arschlosen, vorauseilend gehorsamen Pennern nie wieder im Fernsehen der DDR aufgeführt. Klar, wir haben den Song live bei jedem Konzert gespielt und ab und an wurde meist zu vorgerückter Stunde von besonders - ich schütt’ mich aus vor lachen – „mutigen“ Redakteuren oder Moderatoren das Werk zum besten gegeben, aber die Chance mit diesem erstklassigem Teil einen Hit zu landen war mit diesem Tage gründlich vertan.
Da ich den Text von Werner Karma damals wie heute zwar sehr schön und treffend fand und finde, aber ehrlich gesagt nix Brisantes oder gar Gesellschaftsfeindliches in ihm zu entdecken vermag, komme ich zu dem unumstößlichen Schluss, dass in diesem miefigen, kleinen Land Verbote in sehr vielen Fällen nicht ausgesprochen wurden, weil das zu Verbietende so intelligent, weitsichtig oder gar revolutionär war, sondern doch ja wohl eher, weil die Verbieter so erbärmlich dumm, kurzsichtig und spießig waren. Leider ergeben sich im Laufe der Geschichte gerade daraus pikante Merkwürdigkeiten: Leute (und bei „Künstlern“ beobachte ich dieses Phänomen ganz oft), die nicht besonders viel zu sagen hatten, aber – weil sie vielleicht in irgend eine Hotelhalle gekackt haben – mit stumpfsinnigen Verboten, welcher Art auch immer, zu kämpfen hatten, spielen sich heute, nach der Wende als Dissidenten und wahre Volkshelden auf. Auch irgendwie eklig! Hier ein Text von dem wunderbaren Werner Karma für einen Song, den ich dann Jahre später bei N.O.55 trällern sollte…
SCHLÜSSELKIND
Ich war so lang ich denken kann ein Schlüsselkind
Und niemand hat mich je gefragt
Wie ich das wohl find
Die Alten hatten wenig Zeit für ihren Sohn
Und kamen sie gestresst nach Haus
Schlief ich meistens schon
Ich war so lang ich denken kann auf mich gestellt
So war die Welt in die ich kam
keine heile Welt
So kommt es dass ich heute noch
An Ecken Stoss`
Und alle Leute wundern sich
– Woran liegt das bloß?
Die Schlüssel hängen mir am Hals
Wie ein Gewicht
Doch Mutters oder Vaters Herz
Öffnen sie mir nicht
Ich weiß ich hab sie mal gefragt
Ob in jener Nacht
Liebe zwischen ihnen war
Als sie mich gemacht
Ich war so lang ich denken kann ein Schlüsselkind
Und jetzt such ich bis ich irgendwann
Meinen eignen Schlüssel find
An diesem Tag befrei ich mich aus meiner Haut
Und alle Wünsche werden war,
Die sich angestaut
Die Schlüssel hängen mir am Hals
Wie ein Gewicht
Doch Mutters oder Vaters Herz
Öffnen sie mir nicht
Ich weiß Ich hab sie mal gefragt
Ob in jener Nacht
Liebe zwischen ihnen war
Als sie mich gemacht
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