Название: 19 Tage
Автор: Andy Klein
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783741811227
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Jeder Tag wird durch sein Denken und Handeln
neu geschrieben.
M. L., 1849
Er klappte das Tagebuch wieder zu und betrachtete es ganz genau - von allen Seiten.
»1849, so alt kannst du doch noch nicht sein und wer zum Teufel ist M. L.?«, fragte er sich laut, denn das Tagebuch sah aus, als wäre es nagelneu.
„Na ja, vielleicht nur ein Zitat einer berühmten Person.“, dachte Lucas. Er öffnete das Tagebuch wieder und blätterte eine Seite weiter…
Liebes Tagebuch!
Heute Morgen hat mich Mimi aus dem Schlaf gerissen. Sie klingelte Sturm, um mir Ihren heiß begehrten Käsekuchen zu bringen. Sie blieb etwa eine Stunde und ich musste morgens um 10.00 Uhr Käsekuchen frühstücken. Sie ist ganz schön mitgenommen. Als sie ging habe ich mich erst noch mal aufs Ohr gelegt und habe ganze drei Stunden lang geschlafen. Mir war kotze-schlecht, deshalb bin ich etwas spazieren gegangen und habe Sarah getroffen. Wie hübsch sie doch ist und wie lange habe ich sie nicht mehr gesehen. Sie ging mit zu mir, wir aßen Mimis Käsekuchen und unterhielten uns den ganzen Abend lang. So gegen 23.00 Uhr ging sie dann nach Hause. Ich bin so froh, dass sie wieder hier ist!!!
Moonville, 17. März 2007
Lucas schaute auf den großen Kalender, der gleich neben der Küchentür hing. Heute war der 16. März 2007. Aber das war doch ihre Handschrift. Er kannte doch die Handschrift seiner Nana!
»Nana, da warst du ja wohl doch schon ganz schön durcheinander!«
Er nahm den Brief noch mal in die Hand. Ohne jeden Zweifel - das war die Handschrift seiner Nana. Neugierig blätterte er weiter, aber was folgte waren nur noch leere Seiten. Er klappte das Tagebuch zu und fragte sich, warum ihm nicht aufgefallen war, dass seine Großmutter in der letzten Zeit schon etwas zerstreut war. Aber es gab auch nicht den leisesten Hinweis darauf. Vielleicht hatte sie sich aber auch einfach nur im Datum geirrt. Sie war körperlich wie auch geistig eigentlich voll auf der Höhe, bis zum letzten Tag. Schließlich konnte sie ja auch noch mit ihren 79 Jahren auf den Dachboden klettern, um das Tagebuch und den Brief mit dem Geld in der Truhe zu deponieren. Vielleicht hätte er die Sachen erst in ein paar Jahren gefunden, wenn er nicht zufällig davon geträumt hätte. Und
warum legte sie überhaupt das Tagebuch zum Abschiedsbrief, wo nur lediglich ein einziger Eintrag zu lesen war.
Trotz der vielen Fragen und wirren Gedanken forderte sein Körper Ruhe. Lucas nahm das Geld ohne es zu zählen und steckte es zusammen mit dem Brief zurück in den Umschlag. Den Umschlag legte er dann in das Tagebuch und ging ins Wohnzimmer, um sich auf das Sofa zu legen. Ein letzter Gedanke ließ ihn den Schlaf noch ein paar Minuten besiegen.
War Sarah wirklich wieder in der Stadt?
TAG 1
»Lucas, ich hab’ hier etwas Schönes für dich, mein Junge!« Mimi drückte pausenlos den Knopf der Klingel.
»Oh Mann! Ja, ja, ich komme ja schon!«
Schlaftrunken wankte er zur Tür und öffnete sie.
»Mimi, es ist doch noch mitten in der Nacht.«
»Ach was, es ist doch schon 10.00 Uhr und schau mal was ich hier für dich habe.«
Mimi streckte ihm ihren leckeren selbstgebackenen Käsekuchen entgegen und sogleich drängelte sie sich durch die Tür, an ihm vorbei und steuerte geradewegs in die Küche.
»Du bist doch jetzt ganz alleine und einer muss sich doch jetzt um dich kümmern.«
Mimi war die beste Freundin seiner Großmutter und wohnte in dem kleinen alten Haus genau gegenüber auf der anderen Seite der Straße. Die beiden alten Damen waren seit vielen, vielen Jahren unzertrennlich, wie zwei sich liebende Schwestern. Mimi begann den Tisch zu decken und Kaffee zu kochen.
»Ich weiß, wie du dich jetzt fühlst! Clara fehlt mir so sehr…!«
Mimi begann zu schluchzen, während sie das Wasser in die Kanne laufen ließ.
»Mimi, setz dich, ich mach das schon.«
Lucas, noch immer schlaftrunken, nahm ihr die Kanne aus der zitternden Hand.
»Was mache ich denn jetzt bloß ohne sie?«
»Ich weiß was wir jetzt machen, wir essen jetzt erstmal ein leckeres Stück Kuchen.«
Ein Lächeln huschte über Mimis Gesicht, bevor sie es in ein großes Stofftaschentuch vergrub und sich voller Inbrunst ihres Naseninhaltes entledigte. Lucas setzte sich an den Tisch und strich ihr sanft über den Kopf.
»Mir fehlt sie auch, Mimi, mir fehlt sie auch…«
»Hast du auch noch das Gefühl, dass sie noch da ist?«, brachte Mimi schluchzend hervor und Lucas nickte schweigend. So saßen die Beiden beieinander, aßen Kuchen und begannen damit sich alte Geschichten zu erzählen. Das ist immer so, dass trauernde Menschen sich an die schönen und lustigen Momente mit ihren Liebsten erinnern.
Und als Lucas so überlegte, dann gab es eigentlich auch nur schöne Erinnerungen an seine Großmutter.
»Huch, es ist ja schon fast halb zwölf. Jetzt muss ich aber rüber! Du weißt ja, wenn Hank nicht pünktlich sein Mittagessen auf dem Tisch stehen hat, dann ist er für den Rest des Tages unausstehlich… Du bist ein guter Junge.«
Mimi kniff ihm in die linke Wange, verließ das Haus und verschwand schnell im Haus gegenüber.
Eigentlich wollte Lucas duschen, er hätte es auch mehr als dringend nötig gehabt, aber ihn überkam wieder diese unglaubliche Müdigkeit. Er ließ in der Küche alles stehen und liegen und trottete wieder ins Wohnzimmer auf das Sofa. Irgendwie fühlte er sich dort am wohlsten. Kaum lag er auf dem Sofa, war er auch schon eingeschlafen.
Die Sonne blendete sein Gesicht, als er am Nachmittag wieder aufwachte. Völlig durchschwitzt schleppte er sich in die Küche, öffnete den Kühlschrank und nahm die Milch heraus. Er war furchtbar durstig und trank die halbe Plastikflasche leer. Als das Duftgemisch von Schweiß und Bier seine Nase erreichte, war es nun wirklich an der Zeit zu duschen. Er ging hinauf ins Bad und verließ die Dusche erst, als seine Füße und Hände total schrumpelig waren. Irgendwie fühlte er eine innere Übelkeit in sich aufsteigen, als er seine Haare mit dem Handtuch trocken rubbelte. Die eiskalte Milch war wohl doch nicht so der richtige Durstlöscher und so beschloss er sich schnell anzuziehen und ein wenig frische Luft zu schnappen. Lucas atmete tief durch. Er fühlte sich nach einigen Schritten schon ein kleines bisschen besser und wanderte ziellos durch den kleinen Vorort von Moonville. Ohne es so richtig zu registrieren, stand er plötzlich vor dem Eingang zum Friedhof. Und wo er schon einmal da war, beschloss er auch mal nach dem Rechten zu sehen. Er ging den schmalen Pfad entlang, vorbei an den zum Teil sehr, sehr alten Gräbern. Aus der
Ferne sah er, dass jemand Blumen auf das Grab seiner Großmutter legte.
»Sarah!«
Dort stand sie und hatte einen großen Strauß mit Sonnenblumen auf das Grab gelegt. Unbemerkt ging er auf sie zu.