Fleischpflanzerl. Jonas Scotland
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Название: Fleischpflanzerl

Автор: Jonas Scotland

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783844236552

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СКАЧАТЬ sind gerade jetzt die Kirchturmglocken zu hören. Dieselben, die vor achtzehn Jahren seine Hochzeit begleiteten und schon am 1. September des Folgejahres den Kriegsbeginn verkündeten.

      Keiner, der ihm begegnet, erkennt den abgemagerten Mann mit den tiefen Gesichtsfalten und dem langsam schlurfenden Gang wieder. Als er das schwarze Dach seines Hauses immer größer werden sieht und darüber die dunklen Wolken, muss er daran denken, wie er seinerzeit diese Straße entlang auf sein Zuhause zueilte, und welche schrecklichen Ereignisse darauf folgten.

      Aber das ist alles lange vorbei. Und jetzt ist er wieder da. Jetzt endlich kann seine Zukunft sich zum Guten wenden. Nachdem was er hinter sich hat, kann nur alles besser werden.

      Während er den Klingelknopf betätigt, rast sein Herz vor Aufregung. Das gleiche vertraute Gebimmel.

      Darauf hört er drinnen Geraschel und Näherkommen. Die Tür öffnet sich. Doch was ist das? Ein Kind steht vor ihm und fragt: »Ja?«

      Perplex blickt Anton den Jungen an. Letzterer trägt zu seinem grünen, kurzärmeligen Hemd eine dunkelgraue, kurze Hose aus dünnem Wollstoff, deren schmale Träger, aus demselben Material, hinten über Kreuz laufen. An den Füßen luftige, braune Sandalen ohne Strümpfe. Anton versucht, sich höflich zu verständigen: »Oh! Entschuldigung. Wohnt hier nicht mehr ...?« Er sieht auf das Namensschild neben dem Eingang und stockt: »Brunisch!« Erneut starrt er ungläubig auf sein Visavis.

      Der Junge fragt: »Was wollen Sie denn?« Dabei denkt er an die Hausierer, die einem ständig irgendwas andrehen wollen. Aber dieser hier macht einen besonders ungepflegten Eindruck.

      »Ich wohne hier!«, antwortet Anton.

      »Was? Sie sind wohl beknackt!« Mit diesen Worten will der Knabe die Haustür wieder schließen.

      Doch Anton hindert ihn daran und drückt sie erregt wieder auf: »Hör mal, du Rotzbengel! Ich weiß zwar nicht, was hier gespielt wird, aber ich lass’ mich doch nicht von einem Dreikäsehoch wie dir aus meinem eigenen Haus aussperren!«

      Erschrocken läuft der Überrumpelte ins Hausinnere: »Hilfe! Da ist ein Verrückter! Der Kerl hat einfach die Tür aufgestoßen!«

      Als Anton sich im Flur umguckt, kann er einige Veränderungen feststellen. Da sind zwar noch die von ihm eigenhändig weiß getünchten Wände mit dem aufgerollten grünen Blattmuster. Und der weinrote mit dunklen Ornamenten verzierte Teppich-Läufer, mit dem sowohl der ebene Boden als auch die steile Treppe ausgelegt ist.

      Neu dagegen sind ein Kruzifix oben über dem Türrahmen, zwischen dessen Christus-Füßen ein getrockneter Buchsbaumstrauß gesteckt wurde sowie links neben der Tür ein winziges Weihwasserbecken, welches mittels einer Wandhalterung in Schulterhöhe befestigt ist. Die Halterung wird von einem Bildnis der Jungfrau Maria geziert. Darunter prangt ein lateinischer Spruch, den Anton nicht verstehen kann. Verwundert späht er in die kleine Schale, und tatsächlich befindet sich sogar eine Flüssigkeit darin. Außerdem steht auf dem Boden in der Ecke ein Blechnapf, der jenen gleicht, in welchen er in der Gefangenschaft sein Essen erhielt, wenn es mal etwas gab. Nur, dass dieser hier viel mehr glänzt.

      »Fass! Fass!«, hört er eine laute Frauenstimme keifen. Auf einmal rast ein Schäferhund in den Flur und stürzt sich auf den hilflosen Zurückgekehrten.

      »Arhh ...!«, schreit dieser vor Schmerzen, als die Zähne sein Bein packen.

      »Hans, aus!«, krächzt die Stimme nun, worauf das Tier sofort hechelnd von seinem Opfer ablässt. Als der Gebissene aufschaut, sieht er seine ungläubig dreinblickende Angetraute. »Anton, du?«

      »Ja, ich bin es«, erwidert er zaghaft mit wackeliger Stimme, beeindruckt von der "Begrüßung", die ihm zuteil geworden ist.

      »Das tut mir Leid. Aber ich konnte ja nicht ahnen, dass du das bist. So was — dass du doch noch kommst!«

      »Hast du denn meine Post nicht bekommen?«

      Die Hausherrin schüttelt mit zerknitterter Miene den Kopf und drückt die Tür rumsartig zu: »Post? Ich habe keine Post bekommen.«

      »Aber ich habe dir doch so oft geschrieben.«

      »Wahrscheinlich haben die Russen das nicht weitergeleitet. Warum sollten sie auch? Sind doch unsere ehemaligen Feinde. Du bist vielleicht naiv.«

      Anton vermutet, dass seine Frau Recht hat. Deshalb sagt er nichts mehr dazu, sondern beklagt die Art seines Empfanges: »Was ist denn hier los? Ich komm’ an — ein wildfremder Bengel macht die Tür auf und will mich nicht reinlassen! Dann hetzt du eine beißwütige Bestie auf mich, in meinem eigenen Haus! Verdammt! Was hat das zu bedeuten?«

      »Na, nu’ aber halblang! Erstens mal: Hermann ist kein wildfremder Bengel, sondern dein Sohn. Und Hans ist keine beißwütige Bestie, sondern seit langem unser treuer Hund. Und dass du doch noch mal nach Hause kommst, damit konnte ich ja wirklich nicht rechnen. Du bist aber grau geworden. Da ist es doch kein Wunder, dass dich der Junge nach den alten Fotos nicht erkennen konnte. Na ja, jetzt bist du da. — Hermann, nu’ hol schon den Verbandskasten!«

      Der Knabe, welcher noch vor Staunen den Mund offen stehen hat, gehorcht, ohne ein Wort herauszubringen. Auch Anton kann die Neuigkeiten gar nicht fassen: »Was redest du da? "Mein Sohn" sagst du?«

      »Na klar. Was denn sonst? Still jetzt! Da kommt er.«

      »Gut, aber darüber sollten wir uns mal gleich ausführlich unterhalten.«

      »Hier, Mutter«, stellt der Junge brav den Verbandskasten hin.

      Der Freigekommene schaut mit bittenden Augen erwartungsvoll seine Gemahlin an.

      Doch die reagiert darauf ganz anders, als er sich das vorgestellt hatte: »Na los! Du brauchst gar nicht so blöd zu gucken! Du kommst hier als Pascha zurück und denkst wohl, ich hätte nichts Besseres zu tun, als dich zu bedienen! Ich habe mich die ganze Zeit alleine durchschlagen müssen! Das bisschen Blut kannst du ruhig alleine abtupfen! Wenn du meinst, ich bedien’ dich wie früher, dann hast du dich geschnitten!«, schlägt es ihm kühl entgegen.

      »Ist ja schon gut, Hilde. Ich verbinde mich schon selbst. Aber dann will ich dich unter vier Augen sprechen. — Sag mal, mein Junge, wie alt bist du denn?«, wendet Anton sich nun an das zuhörende Kind.

      »Zwölf.«

      »So, zwölf schon? Aha.«

      »Wieso? Du, als mein Vater, musst das doch wissen, oder?«

      »Hm, ja. Eigentlich hast du Recht. — Donnerwetter! Der Bursche ist aber nicht auf den Mund gefallen.«

      »Ja, ich kann dir sagen: Manchmal ist es wirklich nicht einfach, mit dem Bengel zurechtzukommen. — Hermann, du gehst jetzt auf dein Zimmer! Dein Vater und ich müssen uns jetzt erst mal alleine unterhalten.«

      »Ja, Mutter.«

      Herr und Frau Brunisch begeben sich nun ins Wohnzimmer, wo er mit der Familiengeschichte hadert: »Also Hilde, so ein Unglück! Das uns das passieren musste!«

      »Meinst du den Krieg, oder was?«

      »Ja, das auch, aber ich meine natürlich den Jungen! Denkst du vielleicht, ich bin blöd? Ich weiß doch genau, dass er nicht von mir sein kann. Damals, als sich das Drama abgespielt hat, sind wir doch nicht zusammen СКАЧАТЬ