Fleischpflanzerl. Jonas Scotland
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Название: Fleischpflanzerl

Автор: Jonas Scotland

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783844236552

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СКАЧАТЬ Bahre zu tragen, auf der ein Schwerverletzter liegt. Und so geht es eine ganze Weile weiter. Als der Zurückgekehrte erneut einen verwundeten Kameraden ins Sanitätszelt gebracht hat, öffnet dieser gerade die Augen: »Brunisch — du ... du bist wieder da?!«

      »Ja, Kumpel. Wie geht’s dir?«

      »Unseren Hauptmann hat’s auch erwischt. Ich ... ich kann schweigen. Es ... hat doch sowieso alles ... keinen Sinn mehr.«

      »Ruh dich aus, Kumpel«, sagt Anton und will bereits hinausgehen, wobei ihm nachgerufen wird:

      »Ach, Brunisch! Du ... du kannst dich freuen: Krüger ... Krüger hat’s gleich am Anfang erwischt.«

      »Krüger — ja, Krüger«, entgegnet Anton und versinkt in Gedanken. Wäre es jemals so weit gekommen, wenn Krüger nicht gewesen wäre? »Krüger!«, flucht er verbittert.

      Von den spärlichen Überlebenden kennt kaum einer Soldat Brunisch persönlich. Und die, die Bescheid über ihn wissen, halten den Mund. Ob aus Kameradschaft oder aus Gleichgültigkeit, weil sie nach der plötzlichen Attacke kein Vertrauen mehr auf ihre militärische Führung und den Endsieg haben. Fast keiner verliert mehr ein böses Wort über Deserteure, und schon gar nicht über einen so schnell wieder zurückgekehrten, dem nur wegen Krüger der Urlaub gestrichen worden war. So kommt es, dass das große Unglück von Antons Kompanie für ihn zur Rettung wird.

      Als nach Ablauf der zwei Wochen registriert wird, dass Gefreiter Hans Kuchenbäcker nicht von seinem Heimaturlaub zurückgekehrt ist, macht keiner großes Aufhebens davon. Da man weiß, dass es im eroberten Hinterland von nicht zimperlichen Partisanen nur so wimmelt, vermutet man, dass der Vermisste unterwegs umgekommen ist.

      Die Monate ziehen vorüber. Langsam aber sicher werden die Deutschen immer mehr zurückgedrängt.

      Dann geschieht eines Tages, als Anton mit seinen Leidensgenossen gerade nicht an vorderster Front steht, etwas sehr Merkwürdiges, ja Absurdes:

      »Brunisch, herkommen!«, ruft ein Landser.

      Anton zuckt zusammen. Er ahnt das Schlimmste: Jetzt bin ich dran!

      Doch was der Kamerad ihm mitteilt, ist ganz anderer Natur: »Wir werden für einen Film gebraucht.«

      Anton traut seinen Ohren nicht: Die restlichen noch einigermaßen Unverwundeten aus seiner Einheit werden von der Front abgezogen. Zunächst vermutet er noch, dass man mit ihnen Aufnahmen für die Wochenschau machen will, wie sie marschieren und fröhliche Liedchen singen. Doch da soll er sich täuschen:

      Nachdem sie am Drehort eingetroffen sind, verpasst man ihnen Uniformen und andere Accessoires aus der Zeit von 1807. Es ist nicht zu fassen: Man zieht über hunderttausend deutsche Soldaten von der Front ab, um sie als Statisten für einen Historienfilm einzusetzen! Es handelt sich um den französisch-preußischen Krieg im genannten Jahr. Anton trägt eine prächtige blaue Grenadierjacke, die vorne von weißem Stoff geziert wird, auf dessen Rändern metallene Knopfreihen glänzen. Darüber: helle, breite, sich kreuzende Träger. Die roten Schulterklappen sind mit Fransen versehen. Ferner schneeweiße Hosen, die in langen, schwarzen Stiefeln stecken. Auffallend mutet auch der zu beiden Seiten hin breitauslaufende Hut an. Dazu gibt es einen Einschüsser mit aufgesetztem Bajonett.

      »Wenigstens mal andere Kleidung«, sagt ein Landser im Spaß.

      »Schön bunt. Schade nur, dass man davon auf der Leinwand nicht viel sehen wird«, findet ein Kollege.

      »Wieso?«, entgegnet einer der Produktionsassistenten.

      »Na, bei Schwarzweiß.«

      »Ach so. Nee, wir drehen in Farbe, bestes Agfacolor.«

      »Potz Blitz! Das ist ja ein Ding!«

      »Ja, der Film soll Goebbels’ ganz besonderer Liebling werden. Da ist nichts zu teuer.«

      »Ich kann mir schon gut vorstellen, dass das ein Streifen ganz nach seinem Geschmack ist.«

      Ein weiterer Kamerad schüttelt den Kopf: »Mann, die da oben haben vielleicht Nerven! Der Russe steht kurz vo...«, bricht er den Satz ab, weil er zu waghalsig ist. »Äh, ich meine, um uns tobt der Krieg, und wir sollen hier so ein Theater machen.«

      »He, wie soll das Machwerk denn überhaupt heißen? Damit ich meinen Enkelkindern später mal Bescheid sagen kann, dass sie sich den Schinken ansehen«, witzelt Anton.

      »"Kolberg".«

      »Was? "Kolberg"? Das ist doch kein Name für einen Film.«

      »"Kolberg", wie die pommersche Stadt an der Ostsee, um die es im Film auch geht.«

      »Ach so.«

      Geschildert werden soll der heldenhafte Widerstand der zahlenmäßig weit unterlegenen Deutschen in Kolberg gegen die Invasion von Napoleons Armee.

      »Wer spielt denn da noch mit, außer uns?«

      »Der George, die Söderbaum, Gustav Diessl. Aber ich glaube kaum, dass ihr die hier zu sehen kriegt.«

      Als Anton dies hört, wird ihm ein bisschen unheimlich zumute, denn Hans Kuchenbäcker hatte doch so für Kristina Söderbaum geschwärmt. Ironie des Schicksals! Und er denkt sich, wenn so ein Zufall in einem Roman stände, dann würde man es sicher als nicht glaubhaft bezeichnen.

      Die Männer haben in gewaltigen Massenszenen über ein prärieartiges Schlachtfeld zu preschen. Als man schließlich genug Material im Kasten hat, werden die "Komparsen" zurück in den anderen, den realen Krieg beordert.

      Ab jetzt brechen noch härtere Zeiten für den Rest von Antons Einheit an. Hunger und Durst, verseuchtes Wasser und Insektenplagen lassen die kampfmüden Männer verzweifeln. Dann geraten sie schließlich in russische Gefangenschaft. Der Krieg ist für sie endlich vorbei, und bald für alle.

      Allerdings sterben noch viele der geschwächten deutschen Soldaten unter den katastrophalen Lebensbedingungen in den Internierungslagern. Anton Brunisch altert sehr in dieser Zeit, welche für ihn und viele andere Pechvögel sogar noch weit länger wird als der Krieg, der sie verursachte. Aber er überlebt.

      2. Die Heimkehr

      Als der langersehnte Tag seiner Freilassung letztendlich gekommen ist, haben wir das Jahr, in dem in Westdeutschland - ein Jahr nach Gründung der Bundeswehr - erneut die Wehrpflicht eingeführt wird: 1956.

      Die Sonne scheint bei Antons Ankunft in Deutschland. Im Grenzdurchgangslager Friedland hält er sich nicht lange auf, denn er hat es satt, mit seinem Laufzettel Schlange zu stehen: Registrierung, Entlausung, Wäsche- und Kleiderausgabe, ärztliche Untersuchung, Schlafplatzzuweisung ...

      Wie jeder heimgekehrte Soldat, wird auch er vom Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes befragt. Draußen am Zaun des Lagers stehen verzweifelte Ehefrauen und Mütter, die ihm mit ausgestreckten Armen Fotos entgegenhalten, weil sie um ein Lebenszeichen ihrer verschollenen Angehörigen bitten. Er hat es satt, die Hoffnung der Suchenden nur enttäuschen zu können. Also macht er sich sofort wieder auf den Weg, mit Bahn und Omnibus.

      Jedoch, als er in Dingeln eintrifft, bewölkt sich der Himmel. Am Rande des Dorfes sind einige neue Häuser zu sehen. Aber die vertrauten Gebäude befinden sich an ihrem Platz, da der Ort von den Bomben verschont geblieben ist. Es sieht vieles СКАЧАТЬ