Название: Fleischpflanzerl
Автор: Jonas Scotland
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783844236552
isbn:
»Aber ... du hast mich doch hineingestoßen!«, sagt er verstört.
»Gestoßen soll ich dich haben? Nu’ hör aber auf! Du bist doch der Gewalttäter hier! Du hast ihn doch kaltgemacht! Vergiss das nicht! Und jetzt hol ihn!«
Anton gehorcht. Vorsichtshalber schleicht er noch einmal ums Haus, um zu überprüfen, dass sich in der Nachbarschaft nichts regt. Als er in das Wohnzimmer kommt, erstarrt er vor Schreck. Der Boden, auf dem vorhin noch die Leiche lag, ist leer!
Sollte der Gewürgte am Ende doch nicht tot gewesen sein? Haben ihn die Lebensgeister nach dem Atemstillstand wieder gepackt und zu Kräften kommen lassen?
Als seine Frau den Raum betritt, treibt diese ungeduldig an: »Was ist denn? Wo bleibst du denn?«
»Er ... er ist... weg! Hilde, er ist verschwunden!«
»Rede doch nicht so einen Unsinn, Mann! Hans ist schon vorne bei der Terrassentür. Ich habe ihn dahin geschleift, weil ich ihn hier nicht mehr liegen sehen konnte, und damit wir ihn nicht ums Haus tragen müssen, damit uns am Ende keiner sieht.«
Vor der Terrassentür glotzen Anton die weit aufgerissenen Augen des Leichnams erwartungsvoll entgegen.
»Ein schauriger Anblick!«, zögert er. Mit großer Überwindung schafft er es, die Lider zuzudrücken: »O Gott!«
»Zuerst ihn töten, und dann stellst du dich so an! Soll er ewig hier liegen?!«, ereifert sie sich.
»Ich mach’ ja schon.« Aber als er den Toten hochnimmt, springt das rechte Auge wieder auf! Anton lässt ihn erschrocken fallen.
»Bist du nun ein Soldat oder nicht?! Der Augenmuskel ist noch gespannt. Na und!«
Folgsam bückt er sich runter, packt die Leiche an den Armen und zieht sie sich auf den Rücken: »Tür auf! Oder soll ich das auch noch machen!«
Frau Brunisch öffnet die Tür. »Los! Aber leise!«, zischt sie.
Es geht über die Steinplatten, dann die Stufen hinab und auf den Rasen. Mit schweren Tretern stapft der Mann durch das feuchte Gras. Die Beine des Toten baumeln mit jedem Schritt willenlos hin und her. Anton atmet schwer unter der grausigen Last. Ihm ist, als ob Hans ihn mit sich nach unten drücken will. Seine Gattin geht voran.
»Endlich!«, stöhnt Anton, als er sich dem dunklen Loch nähert. Er bückt sich, um die Leiche langsam hineingleiten zu lassen. Nachdem er sich einen Moment ausgeruht hat, hat er Bedenken: »Hoffentlich ist das auch wirklich tief genug!«
»Wird schon reichen.«
»Oh, wie konnte es nur so weit kommen, Hilde!?«
»Wir können’s nicht mehr ändern. Und jetzt schaufel ihn zu!«
Es ist nicht leicht für ihn, diese Hemmschwelle zu überschreiten. Das erste Häufchen rieselt hinunter.
Indes befiehlt sie: »Warte! Das Zeug hier wollte ich schon lange loswerden, stinkt grässlich«, und kommt mit einem Kanister an. »Schütt das mit rein!«
»Was ist das?«
»Holzschutzmittel. Hab’ ich mir aufschwatzen lassen, um die Möbel zu behandeln, den chemischen Mist.«
Von dem stechenden Geruch rümpft sich auch Antons Nase, als er die farblose Flüssigkeit ausgießt. Anschließend schippt er. Spaten für Spaten fällt die schwarze Erde auf den Leichnam nieder. Frau Brunisch sieht ihrem Mann mit kalter Miene dabei zu. Bis schließlich der ganze Hohlraum wieder gefüllt ist. Dann kehren die beiden nächtlichen Gestalten ins Haus zurück.
»Morgen pflanzen wir noch was auf die Stelle.«
»Ja, das ist eine gute Idee, Hilde. Aber besser nichts Essbares.«
»Das hatte ich auch nicht vor. Wie lange kannst du denn bleiben?«
Anton zögert bedächtig. An der Wohnzimmerwand prangt in einem schwarzglänzenden Holzrahmen ein großes, trotzdem gestochen scharfes Foto. Seine Frau wollte es unbedingt hier hängen haben, ein Porträt jenes uniformierten Mannes, an dessen Geburtstag die Kinder sich freuen, weil sie schulfrei bekommen. Und von dem sie im Unterricht singen müssen, dass sie ihn über alles lieben, und manche sogar, dass er ihr Gott sei. Der Abgebildete schaut mit strengem Blick auf den Betrachter. Dieser traut sich kaum, ihr die Frage zu beantworten. »Hilde, ich muss dir was sagen. Ich habe dir etwas verheimlicht.«
»Was? Nun rück schon raus damit!«
»Weißt du, ich dürfte eigentlich gar nicht hier sein.«
»Wie meinst du das? Bist du etwa desertiert?«
»Ja.«
»Anton, bist du verrückt!«, reagiert sie kopfschüttelnd.
»Ich konnte nicht mehr. Versteh doch! Ich musste dich endlich wiedersehen! Weißt du ... der Krieg ...!«
»Aber Mann, auf Desertieren steht die Todesstrafe!«
»Es war mir alles so egal. So viele meiner Kameraden sind gefallen. Wenn ich sowieso im Krieg umkomme, dann wollte ich dich wenigstens noch einmal sehen.«
»Du musst sofort zurückgehen! Hörst du!? Sonst werden sie dich hier suchen! Und dann werden sie womöglich auch das mit Hans herausbekommen!«
»Aber ... was soll ich denn sagen?«
Sie überlegt und schlägt anschließend vor: »Pass auf: Du sagst, du weißt auch nicht, wie du das tun konntest. Es wäre einfach über dich gekommen, und du hättest gar nicht gewusst, was du tust. Aber jetzt wärest du aufgewacht, hättest das Schreckliche deines Tuns eingesehen und bist deshalb zurückgekehrt. Und weil du freiwillig zurückgekehrt bist und der Führer doch jeden Mann braucht, bittest du darum, die Vollstreckung der Todesstrafe bis auf das Ende des Krieges zu verschieben, damit du vorher noch deinem Land und dem Führer mit zum Sieg verhelfen darfst. Dann werden sie dich bestimmt begnadigen.«
»Glaubst du wirklich, dass die darauf hören?«
»Wir wollen es hoffen. Uns bleibt ja nichts anderes übrig. Die brauchen doch jeden Mann.«
»Also gut.«
Nachdem Anton ein paar Stunden geschlafen hat, macht er sich am frühen Morgen auf den Rückweg. Ihm ist sehr unwohl dabei, denn er fragt sich, was man wohl mit ihm machen wird. Ob man es ihm wirklich hoch anrechnen wird, dass er schnell und freiwillig wieder zurückgekehrt ist?
Oder ob man ihn - um den anderen, welche ebenfalls mit dem Gedanken spielen, einfach abzuhauen, ein abschreckendes Beispiel zu geben - gleich hinrichten wird? Er ist auf alles gefasst.
Als er sich dem Lager nähert, hört er bereits von weitem das Einschlagen der Bomben: ein überraschender Angriff der Russen! Kaum ein feindliches Flugzeug kann von Antons Regiment abgeschossen werden. Der Rückkehrer lässt sich hinters Gebüsch fallen und verhält sich ruhig, bis die Bomber abdrehen. Dann läuft er hastig ins Lager.
Es herrscht ein totales Chaos. Überall liegen zerfetzte Tote und Verwundete neben den Bombenkratern. Nur wenige Landser sind unverletzt СКАЧАТЬ