Professors Zwillinge: Von der Schulbank ins Leben. Else Ury
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Название: Professors Zwillinge: Von der Schulbank ins Leben

Автор: Else Ury

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783750297593

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СКАЧАТЬ heute kein rechtes Behagen am Frühstückstisch aufkommen. Die Zwillinge waren von quecksilberiger Unruhe. Immer wieder fiel ihnen ein noch besseres Versteck für ihre Ostereier ein. Und dazwischen beschwerte sich Suse, daß das neue Mädchen, nachdem sie sich die Anrede »gnädiges Fräulein« verbeten hatte, sie jetzt duzte, was große Heiterkeit bei den Eltern hervorrief.

      »Sei froh, Suschen, wenn du noch solange wie möglich ein Kind sein kannst. Diese glücklichen Zeiten kommen nie wieder«, meinte die Mutter.

      Diesmal war Suse mit ihrer Mutti nicht einer Meinung.

      Paul pflegte Sonntags gegen zehn Uhr im Sternenhaus zu erscheinen. Er war stets den ganzen Tag über eingeladen. Bei schönem Wetter machten Professors mit den Kindern eine Wanderung in die herrliche Umgebung Jenas, oder die Jugend flog auch allein aus. Ein Sonntag ohne ihr Ferienkind Paul war für die Zwillinge undenkbar.

      Die Ostereier waren nun endgültig untergebracht. Während die Eltern auch für ihre Zwillinge die süßen Gaben des Osterhasen versteckten, standen Professors Zwillinge an der Gartentür und spähten die Pappelallee hinab, ob der Erwartete sich nicht zeigen wollte. Es war herrlich, nach dem langen Winter ohne Mantel im Garten sein zu können und sich von der Ostersonne, die es schon recht gut meinte, wärmen zu lassen. Suse strich zärtlich mit der Hand über die noch kahlen Sträucher.

      »Ist es nicht wunderbar, Herbert, wie alles wieder zum Leben erwacht? Das ist Ostern, die Auferstehung in der Natur«, sagte sie nachdenklich, denn sie hatte ein sinniges Gemüt.

      »Was soll denn daran wunderbar sein?« Herbert, der nüchterne und sachliche, zuckte die Achseln. »Nach dem Winter kommt der Frühling, und darauf folgt der Sommer und Herbst. Das ist schon immer so gewesen seit Adams Zeiten.«

      »Ach, du willst mich nicht verstehen. Paul wird mir das sicher nachfühlen können, der hat oft ähnliche Gedanken wie ich.«

      »Natürlich wieder Paul – laß ihn dir doch in Gold fassen. Schade, daß der nicht dein Zwilling ist. Der würde viel besser zu deinem Backfischfimmel passen als ich. Wir Männer verstehen uns im allgemeinen nicht auf Gefühlsduselei.« Während seine Stimme überschnappte, warf sich der vierzehnjährige Mann gewaltig in die Brust.

      Herbert war eifersüchtig auf Paul, immer schon. Da Paul stets nett und gefällig zu Suse war, zog sie seine Gesellschaft oft der des Bruders vor. Herbert gab natürlich Suse die Schuld daran und bedachte nicht, daß er selbst mit seiner rücksichtslosen Art die Ursache dazu war. Als Pauls lange, schmächtige Gestalt mit dem Glockenschlag zehn in die zum Sternenhaus emporführende Pappelallee einbog, setzte sich Suse in Trab. Sie dachte nicht mehr daran, daß man sie heute »gnädiges Fräulein« tituliert hatte; wie ein Kind flog sie die Straße hinab. Bubi mit ihr um die Wette, während sein junger Herr langsamer und gemessener folgte, wie sich das für einen Untersekundaner schickte.

      »Paul, wir sind versetzt – alle beide in die Untersekunda –, Herbert hat eine feine Osterzensur bekommen, meine ist soso lala«, rief sie ihm schon von weitem entgegen.

      »Gratuliere, Suse«, Paul kam mit langen Schritten auf sie zugestapft und schüttelte ihr die Hand. Sein bleiches Gesicht überflog freudige Röte. »Habe ich es dir nicht gesagt, du brauchst keine Angst vor der Versetzung zu haben, Suschen? Dir fehlt bloß Selbstvertrauen.«

      »Vater sagt, Herbert hätte genug Selbstvertrauen für uns beide. Aber ich wünschte wirklich, ich hätte etwas mehr davon.«

      »Was habe ich?« fragte Herbert, der seinen Namen gehört hatte, neugierig näherkommend.

      »Allzu viel Selbstvertrauen«, zog ihn Suse auf.

      »Besser als zu wenig wie du«, gab Herbert prompt zurück. »Tag, Paul, hast dich ja heute so fein gemacht – geradezu elegant siehst du aus!« sagte er scherzend. Er dachte nicht daran, daß er jemanden mit Spott für etwas verletzte, wofür der andere nichts konnte.

      Paul versuchte der verlegenen Röte, die ihm Herberts Worte ins Gesicht trieben, Herr zu werden. »Elegant – du lieber Himmel! Darauf macht mein Einsegnungsanzug wirklich keinen Anspruch mehr. Ich bin zufrieden, wenn der fadenscheinige Stoff noch den Sommer über aushält. Vielleicht kann ich während des Urlaubs noch irgend etwas nebenbei verdienen, daß ich zum Winter einen neuen erschwingen kann«, sagte er mit der geraden Ehrlichkeit, die ihn auszeichnete.

      Suse hatte die taktlosen Worte ihres Zwillings wie einen Peitschenhieb empfunden. Geradezu gemein, den armen Paul mit seinem ausgewachsenen, abgetragenen Anzug zu verulken. Einen vorwurfsvollen Blick warfen die haselnußbraunen Mädchenaugen dem Bruder zu. Sie begegneten höchst vergnügten, blauen Jungenaugen, die ihnen vielsagend zuzwinkerten. Hatte er das nicht fein gemacht? Jetzt würde sich Paul doppelt mit seinem Osterei, dem neuen Sommeranzug, freuen.

      »Er ist nun mal in den Flegeljahren, da muß man ihm manches zugute halten«, wandte sich Suse halblaut entschuldigend an den Freund, während Herbert sein Interesse einem Starkasten am Baum zuwandte, ob es wohl schon Junge drin gäbe.

      »Auf die Gesinnung kommt es an, nicht auf die Worte. Man muß nicht jeden harmlosen Scherz krumm nehmen«, stimmte Paul zu. Es war erstaunlich, wie verständig der Junge schon war, trotzdem er nur knapp zwei Jahre älter war als Professors Zwillinge. Das hatte wohl der Ernst des Lebens, den Paul so früh kennengelernt hatte, verursacht.

      Suse schritt, ihr Täschchen schwenkend, neben dem Freund her, der sie um Haupteslänge überragte und schielte an ihm empor. Schön war er nicht, der Paul, das konnte man bei aller Freundschaft nicht von ihm behaupten. Ja, Helga und Inge Martin, ihre beiden Intima, deren Ideal Totila und Teja aus dem Kampf um Rom waren, bezeichneten Paul Liedtke sogar als lange Latte. Freilich er war überschlank, sein Gesicht war schmal und farblos, sicherlich, weil er sich Butter und Aufschnitt abends absparte. Aber die grauen Augen blickten klug, klar und vertrauenserweckend – Pauls Augen fand Suses Backfischkritik sogar »blendend«.

      »Du studierst mich ja so eingehend, Suse«, sagte da plötzlich Paul lächelnd, ihren Blick fühlend. »Habe ich irgend etwas Besonderes an mir?«

      »Ach wo – bloß – bloß, ich finde, du siehst recht elend aus, Paul. Du mußt dich besser pflegen. Könntest du nicht Milch trinken? Milch ist nahrhaft und billig, haben wir neulich in Nahrungsmittellehre gelernt.«

      »Mach doch dem Wickelkind lieber gleich das Fläschchen mit dem Lutschpfropfen zurecht«, mischte sich Herbert, der sie inzwischen eingeholt hatte, hinein. »Hier in Jena trinken junge Leute Bier und Wein, dafür sind wir in einer Studentenstadt.« Gar zu gern wäre Herbert selber schon Student gewesen.

      Auf dem Gartenweg, den noch dürre Rosensträucher besäumten, blieb Paul stehen. »Schön ist es bei euch hier oben«, sagte er, tief Atem holend. »Sonne, Wind und Vogelgezwitscher. Gottesfrieden herrscht hier bei euch.«

      »Wenn wir beide uns nicht gerade in den Haaren liegen, die Suse und ich«, lachte Herbert. »Weiß Paul denn schon, daß er jetzt gnädiges Fräulein zu dir sagen muß, Suse?« begann er sie schon wieder aufzuziehen.

      »Nichts erzählen, bitte nicht klatschen, Herbert«, flehte das Backfischchen voller Verlegenheit und hielt dem Zwilling den vorlauten Mund zu.

      »Wenn du mir die Hälfte von den Ostereiern, die du heute findest, abtrittst«, verhandelte der Bruder. Denn trotzdem er stets darauf bedacht war, seine männliche Würde zu wahren, war er noch ein großes Naschmaul.

      »Alle sollst du haben, Herbert, nur verrate nichts – –«, bettelte Suse.

      »Das nennt man Erpressung!« lachte Paul. »Suse, ich denke, wir sind gut Freund СКАЧАТЬ