Mein ist die Rache. Hannes Wildecker
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Название: Mein ist die Rache

Автор: Hannes Wildecker

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Tatort Hunsrück

isbn: 9783748592617

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СКАЧАТЬ Kilometer weiter entfernt, ein vorgeschichtliches Denkmal, früher als Hunnenwall bezeichnet, nach heutigen Erkenntnissen eine keltische Befestigungsanlage, eine riesige Wehrmauer, errichtet um das vierte Jahrhundert vor Christus. Dass die heutigen Steinwälle aus immerhin 240000 Kubikmetern dieses ehemaligen Baumaterials bestehen, war auf der Tafel zu lesen.

      Motorengeräusch weckte mich aus meinen Gedanken. Ein blauweißes Polizeiauto, eines aus der neuesten Kollektion, mit zwei uniformierten Kollegen, die allerdings noch im grün-beigen Outfit der im Jahr 1974 von dem damals renommierten Modeschöpfer Heinz Oestergard kreierten Polizeikollektion, fuhr vor und blieb neben mir stehen. Einen der beiden kannte ich. Es war Klaus Gehweiler von der Polizeiinspektion Hermeskeil.

      „Und, sind Sie bereit?“, sagte Gehweiler mit einem merkwürdigen Unterton.

      „Bereit zum Fahren? Immer!“

      „Ja, zum Fahren auch. Das meine ich aber nicht.“

      „Sondern?“

      „Da oben ist was los!“ Gehweiler zeigte mit dem Kopf in Richtung der Anhöhe.

      „Ihr wart schon am Tatort?“

      „Ja, wir haben alles abgesperrt. Die Kriminaltechnik ist auch vor ein paar Minuten eingetroffen. Zwei Kollegen von uns mussten eigens dafür abgestellt werden, die ständigen Wanderer vom Tatort fernzuhalten und sie bitten, ihre Touren nicht zu unterbrechen. Der ‚Tirolerstein’ ist nun mal eine Attraktion für Wanderer und Biker. Wir fahren vor Ihnen her.“

      Ich stieg in meinen Astra und folgte dem Wagen die Anhöhe hinauf. In der Ferne sah ich mehrere Fahrzeuge und einen Pulk von Menschen. Ich parkte das Fahrzeug an einer freien Stelle am Wegesrand und begab mich zu der Menschengruppe.

      Einen Bereich im Umkreis von rund zwanzig Metern um das Wegekreuz herum hatten die Kollegen der Kriminaltechnik abgesperrt und mit einem Signalband kenntlich gemacht. Damit stellten sie sicher, dass erstens niemand der Neugierigen zu nahe an den Arbeitsbereich gelangen konnte und zweitens verwertbare Spuren nicht vernichtet werden konnten … wenn es sie denn gab.

      Ich begab mich durch die Absperrung zu den Kollegen in ihren weißen Overalls und sah die Bescherung. Es war das Grausamte, das ich in meiner polizeilichen Laufbahn erlebt hatte. Hier war ein Perverser am Werk gewesen, anders konnte ich mir das, was sich mir hier offenbarte, nicht erklären.

      „Wir haben an der Leiche nichts verändert“, sagte einer der Spuren sichernden Kollegen und drehte sich zu mir um. Es war Peters, Heinz Peters, einer, den ich immer wieder an schwierigen Tatorten traf, einer, auf den man sich in allen Punkten verlassen konnte.

      „Mit den Spuren ist das hier auch so eine Sache. Der Tatort liegt genau an dem Wanderweg des Saar-Hunsrück-Steigs und der ist, wie man weiß, zu fast allen Zeiten stark frequentiert. Die Wandergruppe, die den Toten gefunden hat, steht dort hinten. Ich habe veranlasst, dass alle Personen so lange bleiben, bis sie zur Sache befragt worden sind.“

      Peters schaute auf den Toten. „So was hat man auch nicht alle Tage“, murmelte er und ich starrte gebannt auf diesen grauenvollen Anblick. Da hatte man einen Mann, ich schätzte ihn auf fünfzig Jahre, auf den etwa einen halben Meter Sockel des „Tirolersteins“ gesetzt und ihn mit den Händen hinter dem Rücken an dem auf dem Sockel angebrachten Holzkreuz mit Klebeband, dem so genannten Panzerband, gefesselt. Die Hose hatte man ihm bis zu den Knien heruntergezogen und auf dem Grasboden vor der Leiche hatte sich eine riesige Blutlache gebildet. Der Grund war offensichtlich und offenbarte alle Grausamkeit, die der Täter, aus welchen Gründen auch immer, hier hatte walten lassen. Dem Mann fehlte das Geschlechtsteil, man hatte es ihm abgeschnitten, so dass der Mann an den Folgen verblutet war. Eine weitere Wunde war nicht festzustellen, aber da würde ich Näheres vom Arzt erfahren, der bislang noch nicht eingetroffen war.

      Der Blick in das Gesicht des Toten ließ mich erneut erschaudern. Das, was dem Mann am unteren Teil seines Körpers fehlte, hatte man ihm ins Gesicht verpflanzt. Um es genauer auszudrücken, man hatte ihm sein eigenes Geschlechtsteil, mit den Hoden voran, in den Mund gesteckt, so dass es aussah, als strecke der Tote seine Zunge heraus.

      Was dieser Mann erlitten haben musste, das konnte man seinem Gesichtsausdruck entnehmen. Die rot unterlaufenen Augen waren weit aufgerissen, ja, sie standen fast vor dem Kopf, Blut lief an seinen Mundwinkeln herab und tropfte auf sein hellblaues Hemd.

      Auf der Erde, neben ihm, lag eine Sonnenbrille.

      Trotz aller Grausamkeit hatte der Anblick etwas Groteskes, offensichtlich hervorgerufen dadurch, dass man ihm die Hoden in die Backentaschen gesteckt hatte und er in der unteren Gesichtshälfte, im Gegensatz zu der oberen einen tragik-komischen Eindruck machte.

      „Legt dem Mann eine Decke über, bis der Arzt kommt!“, bat ich Peters. Der nickte und ging davon. Kurz darauf kam er mit einer grauen Wolldecke mit der Aufschrift „Bereitschaftspolizei“ zurück und legte sie über den Toten.

      „Ist schon etwas über die Identität bekannt?“, fragte ich in die Runde und erntete nur Achselzucken.

      „Wir haben keinerlei persönliche Papiere bei ihm gefunden. Da wirst du nun gefragt sein.“

      „Auf dem Wanderweg haben wir Reifenspuren gesichert“, hörte ich den Kollegen von Peters, den ich noch nie gesehen hatte, sagen. „Wir haben Gipsabdrücke und Fotos. Wir lassen Sie Ihnen zukommen.“

      „Kollege Helmut Franzen“, stellte Peters den jungen Mann vor. Ich gab ihm die Hand. „Spürmann. Ich gehe davon aus, dass von dem Toten ebenfalls Fotos gemacht wurden?“

      „Selbstverständlich, jede Menge. Auf die wird auch das LKA scharf sein, fürs Archiv. Haben die ja auch nicht alle Tage. Solch einen Anblick, meine ich. Wir haben auch die Fesseln gelöst, ist besser wegen der Untersuchung durch den Arzt.“

      „Stellen Sie mir bitte alles zusammen, Spurenbericht, Fotos, Gipsabdrücke der Reifen und was sonst noch so dazukommt.“ Ich drehte mich suchend um. Einen Arzt, oder jemanden, den ich für einen solchen hätte halten können, war nicht zu sehen. Dafür aber bemerkte ich Leni, die ihr Auto etwas weiter weg abgestellt hatte, zu Fuß auf uns zukommen.

      „Dat isch dat hier jefunden hab, meine Fresse, isch hab net mehr dran geglaubt“, kam sie, außer Atem, auf uns zu.

      „Das ist Marlene Schiffmann, meine Kollegin und Mitarbeiterin an diesem Fall“, stellte ich Leni vor. Niemand hatte, wie das sonst der Fall war, bei ihren Ausflügen in ihren Adenauer-Dialekt geschmunzelt, zu betroffen waren alle von dem, was sich uns heute hier bot.

      Leni sah mich an und zeigte mit dem Kopf in Richtung „Tirolerkreuz“.

      „Der Tote?“

      Ich nickte.

      Sie machte Anstalten, rüber zu gehen.

      Ich schüttelte kaum merklich den Kopf und Leni sah mich an.

      „Muss nicht unbedingt sein, warte bis nachher!“

      Lenis Blick verdunkelte sich. „Was heißt, bis nachher? Jetzt beginnen die Ermittlungen und da bin ich doch dabei, oder?“

      Ich gab keine Antwort und Leni ging zu dem Toten. Ich sah ihr zu, wie sie die Decke anhob und wusste, dass sie nur sein Gesicht zu sehen bekam. Das dürfte ja auch reichen, denn was sich weiter unten abgespielt hatte, dass konnte sie aus diesem Anblick folgern.

      Ich merkte, wie Leni erstarrte. СКАЧАТЬ