Название: Centratur I
Автор: Horst Neisser
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783741883101
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Doch Meliodas entgegnete: „Ich lasse mein Leben nicht von den Absichten einiger Verbrecher bestimmen. Niemals werde ich mich den Plänen der Feinde unterwerfen und meine eigene Freiheit von diesen Elementen einschränken lassen. Dies werde ich jetzt mit einem Bad demonstrieren.“
„Dann kann ich die Verantwortung für Euer Leben nicht länger übernehmen“, bekannte der Mann von der Wache.
„Diese Verantwortung hast du nie getragen“, entgegnete ihm sein König bitter. „Sie ist für dich auch viel zu schwer. Der einzige, der die Verantwortung für mich tragen kann, bin ich selbst. Du kannst gehen. Für diesmal sei dir deine Unbotmäßigkeit noch verziehen.“
Mit diesen Worten warf er sich einen weiten Mantel über den nackten Körper und ging langsam auf den Fluss zu. Lunete war aus dem Nachbarzelt herausgekommen und stellte sich ihm in den Weg. Der Fluss sei reißend und gefährlich. Es wäre unklug, sich seinen Fluten jetzt anzuvertrauen. Er antwortete ihr nicht, sondern ging einfach eilenden Schritts um sie herum. Lunete sah ihm kopfschüttelnd nach. Dann wandte sie sich abseits in die Büsche. Die beiden Gesandten hatten das Lager bereits verlassen. Auch von den Edlen Rankohr und Misselbeck war nichts zu sehen. Der Hauptmann folgte seinem König zum Fluss. Er schlenderte dabei betont gemächlich.
Am Ufer legte Meliodas den Umhang ab und stieg in die Fluten. Das Wasser war sehr kalt und tief. Es schauderte ihn, aber er konnte nun nicht mehr zurück und musste ein paar Stöße schwimmen, um sein Gesicht nicht zu verlieren. Nur sein Kopf war noch zwischen den Wellen sichtbar, obwohl er sich kaum vier Fuß vom Ufer entfernt hatte. Ein großer Baumstamm, dessen Äste traurig in die Luft ragten, trieb genau auf ihn zu. Der König sah ihn kommen und versuchte noch ihm auszuweichen, doch da färbte sich das Wasser an der Stelle, wo eben noch sein Kopf gewesen war, bereits rot. Meliodas, Hochkönig von Centratur, Herrscher von Whyten, der letzte Spross aus dem Geschlecht der großen Könige, wurde nicht mehr lebend gesehen. Er starb in den Fluten des Tessenfluss. Seine Leiche konnte in den braunen Wassern erst viele Meilen flussab geborgen werden. Sie war vom Eis, dem Treibholz, den Baumstämmen, und dem was das Hochwasser des Frühlings sonst noch mit sich führte, so entstellt, dass man die Todesursache nicht mehr erkennen konnte. Die edlen Züge waren zerstört. Nicht einmal Lunete erkannte ihren Mann.
Der Körper wurde zum Regierungssitz nach Cantrel zurückgebracht und dort aufgebahrt. Dann eilten Boten durch das ganze Land und verkündeten überall das schreckliche Unglück. Die Edlen aus allen Ländern reisten nach Whyten, um an den Beerdigungsfeierlichkeiten teilzunehmen. Große Trauer herrschte überall. Man fürchtete das Schlimmste für das Reich. Einige Weise aber raunten, der König sei für diesen Tod glücklich zu preisen. Ihm sei es erspart geblieben, den Untergang seines Reiches mitzuerleben.
Die Flasche
Die Flasche war rund und hatte einen Durchmesser von drei Handflächen. Ihr langer Hals war mit einem kunstvoll geschnitzten Stück Holz verschlossen. Leider war sie nicht mehr ganz dicht. Mit den Jahren war der Ton porös geworden, und die Glasur hatte Sprünge bekommen. Ramram stand deshalb jeden Tag vor der Entscheidung, entweder schon im Lauf des Vormittags seinen Wasservorrat zu verbrauchen oder die Flüssigkeit sparsam über den Tag zu verteilen. Wählte er die erste Möglichkeit, hatte er schon am frühen Nachmittag nichts mehr zu trinken. War er aber sparsam, dann versickerte ein Teil des kostbaren Nass in der Erde neben dem Acker. Was er auch tat, es war falsch.
Morgens, wenn er sich mit seinen beiden Ochsen und dem schweren Pflug auf den Weg machte, überlegte er manchmal, wie er es heute halten sollte. Aber er vergaß dann doch seine Vorsätze und überließ die Entscheidung der Hitze, seinem Durst oder der spontanen Laune.
Natürlich hatte sich Ramram schon oft vorgenommen, eine neue Flasche zu besorgen. Dazu hätte er seine Arbeit liegen lassen und viele Stunden in das weit entfernte Dorf laufen müssen. Letztlich scheute er jedes Mal den Weg. Vielleicht war es aber gar nicht der Gedanke an den langen Fußmarsch, sondern vielmehr die Menschen, die er in der Siedlung treffen würde?
Heute hatte er sich nicht zurückgehalten, und nun war die Flasche leer. Die Sonne brannte heiß und erbarmungslos vom Himmel. Ramram schwitzte während er sich schwer auf den Pflug stützte und versuchte ihn in der Spur zu halten. Die Ochsen legten sich ergeben in die ledernen Riemen und wischten nur hin und wieder mit den Schwänzen einen Schwarm Fliegen von ihren schweißnassen Rücken. Der Bauer hätte etwas darum gegeben, jetzt eine Pause machen und einen Schluck trinken zu können. Aber es war nichts mehr da und der Brunnen war eine Wegstunde entfernt.
Mittag war schon eine Stunde vorüber und er hatte seine beiden Brote im Schatten der Bäume in aller Ruhe gegessen. Er hatte sie sich selbst gestrichen, denn zu Hause war nun niemand mehr, der ihm zur Hand ging. Seit seine Frau gestorben war, besorgte er den Haushalt allein. Kinder hatten sie keine, und für eine Magd oder gar einen Knecht reichte die Wirtschaft nicht aus. Seine Frau hatte ihm noch auf dem Sterbebett ans Herz gelegt, die Einöde zu verlassen und zu den Leuten zurückzukehren. Er hatte es ihr auch versprochen. Doch es ging nun schon ins dritte Jahr, dass sie unter der Erde lag, und er machte noch immer keine Anstalten, ihren Wunsch zu erfüllen.
Was sollte er auch im Dorf? Ihm gehörte dort kein Land. Er könnte sich nur als Knecht verdingen. Nach der Freiheit hier würde ihn das schwer ankommen. Irgendwann würde er schon zurückkehren, sagte er sich immer, wenn er schuldbewusst an sein Versprechen dachte. Aber bis dahin war noch Zeit. Hier draußen war er zufrieden. Hier musste er sich nicht mit törichten Leuten herumstreiten. Hier war er ein freier Mann. Hier passte niemand auf, wie er seine Wirtschaft führte, wann er aufs Feld ging und wann er zurückkehrte. Hier war es gleichgültig, welche Kleidung er trug und wie lang er seinen Bart wachsen ließ.
Weil er frei sein wollte, war er damals mit seiner jungen Frau in die Wildnis gezogen. Er war der jüngere Sohn gewesen, den Hof hatte sein Bruder geerbt. Ein Leben als Knecht wäre sein Los gewesen. Aber er hatte dem rauen Leben in der Einöde den Vorzug gegeben, hatte begonnen, das Land zu bestellen, das weit ablag, und das niemand haben wollte. Die Leute im Dorf hatten ihn und seine Frau ganz seltsam angesehen, wenn sie hin und wieder zum Einkaufen zurückgekehrt waren, so als ob sie etwas Unrechtes getan hätten.
Der Anfang war nicht einfach gewesen. Sie hatten schwer gearbeitet, und die Frau war ihm tüchtig zur Hand gegangen. Sie hatte sich nicht geschont. Er erinnerte sich noch an das Gefühl von Glück, als sie zum ersten Mal in der neu erbauten Hütte vor dem Feuer gesessen waren.
„Sieh nur", hatte sie immer wieder gesagt, „wie schön es brennt und wie gut der Kamin zieht."
Er hatte sie zärtlich in den Arm genommen und hätte gerne die Zeit angehalten.
Der Acker war nun zur Hälfte gepflügt. Er lag auf einer Lichtung mitten im Wald. Ramram hatte viele Bäume gefällt, um Platz für ihn zu schaffen. Nun wischte er sich den Schweiß von der Stirn, streckte sich und sah sich um. Irgendetwas hatte sich in der letzten halben Stunde verändert. Doch er wusste nicht, was es war. Trotz des grellen Tageslichts war der heiße, friedliche Nachmittag unheimlich geworden. Ramram schauderte es.
Plötzlich erkannte er, was anders war. Eine erdrückende Stille hatte sich über das Land gelegt. Kein Vogel war mehr zu hören, kein Lüftchen bewegte ein Blatt. Kein Hase hoppelte über den Acker. Nichts mehr war zu hören. Nur sein Herz konnte Ramram vernehmen. Es schlug schnell und laut. Er meinte, das Pochen müsste die ganze Lichtung erschüttern.
„Dummes Herz, sei ruhig!" sagte er, „du wirst mir doch jetzt keine Schwierigkeiten machen!"
Aber sein Herz hörte nicht auf ihn, sondern schlug noch schneller und noch lauter, während die Sonne unbeeindruckt vom Himmel brannte. Ramram wusste plötzlich, СКАЧАТЬ