Der Wurbelschnurps. Nadja Hummes
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Название: Der Wurbelschnurps

Автор: Nadja Hummes

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783741805110

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СКАЧАТЬ Verwunderung oder Belustigung gewesen. Doch schon bald wurde es der Aufhänger für Ausgrenzung, offene Lästereien sowie auch Hetzreden hinter ihrem Rücken. Mit jedem Tag waren die Anfeindungen massiver geworden.

      Die Erinnerung an vergangene Ereignisse stieg in ihr auf. Ereignisse aus dem vorherigen Schuljahr. Fotos von ihr waren verändert worden. Ihr Gesicht prangte plötzlich auf viel älteren Frauenkörpern. Oder sie hing blutverschmiert an einer Straßenlaterne oder lag vergammelt in stinkenden Mülltonnen. Und dann gab es da noch die Fotos, auf denen Finella nur Unterwäsche trug. Steffi hatte Finella in der Umkleide geknipst. Vor dem Sportunterricht. Das hatte Steffi später zugegeben. Sie hatte so getan, als ob sie Selfies von sich schießen würde. Tatsächlich war sie dabei immer näher an Finella herangerückt und hatte sie beim Umziehen fotografiert, ohne dass Finella es bemerkt hätte. Murat und Tom hatten einige der Fotos am Computer verändert. Allerdings hatten sie das wohl nicht alleine bewerkstelligt. So hieß es jedenfalls. Ein paar der Fotos hatten sie weitestgehend unbearbeitet gelassen. Auf denen war lediglich der Hintergrund verändert worden. Doch das reichte schon.

      Finella in Unterwäsche an der Bushaltestelle. Finella in Unterwäsche in den Armen eines Typen. Finella in Unterwäsche auf einem Zeitungscover. Und so weiter. Alle hatten sie diese Fotos auf ihren Mobiltelefonen gehabt. Und auf ihren Rechnern. Und auf ihren Tablets. Und viele hatten sie gepostet, geteilt und kommentiert. Die besonders Witzigen hatten die Fotos noch weiter bearbeitet und Videos daraus gebastelt.

      Finella schüttelte sich. Sie hätte kaum in Worte fassen können, wie all das sich angefühlt hatte.

      Mobbing nennt man das, hatten sie im Lehrerzimmer gesagt. „Meinetwegen können sie es nennen, wie sie wollen. Das ändert nichts.“ dachte sie bei sich. Die betont einfühlsamen Gesprächsangebote der Lehrer und des eingeladenen Kinder- und Jugendpsychologen gaben ihr ebensowenig wie die diversen ihr empfohlenen „Mach dich stark gegen Mobbing“-Portale im Internet. All das hatte nichts mit ihrem wirklichen Leben zu tun. Niemand kam und sperrte die Schule mit einem Zahlencode zu, so dass nur die erträglichen Schüler hineinkamen und die Bescheuerten somit draußen blieben. Das hätte Finella mal eine verlockende Idee gefunden. Zumindest kurzzeitig. Aber nein, – sie musste immer wieder in dieselbe Klasse. Jede Woche.

      Also hatte Finella die Idee an eine selektierte und auf sie maßgeschneiderte Klassengemeinschaft sehr bald ad acta gelegt und in ihrem Innern beschlossen, dass sie sich in keiner Weise unterkriegen lassen würde. Weder von ihren Mitschülern noch von der Mobbinggeschichte. Mit dieser ihr eigenen inneren Haltung hatte sie fortan das Schulgebäude betreten. Vielleicht nicht ständig in superguter Verfassung – wie sie am jeweiligen Tag so drauf war, hing nämlich von mehreren Faktoren ab –, jedoch immer mit jener inneren Haltung.

      Die Lehrer und der Schulpsychologe hatten sie und ihre Eltern zu Finellas Einstellung und Vorgehensweise beglückwünscht und respektiert, dass sie keine weiteren Gespräche wollte. Sie hatte den Erwachsenen gesagt, dass sie ja ohnehin selber da durch müsse und da könne sie das auch gleich direkt so machen. Außerdem, so hatte Finella den Erwachsenen erklärt, wisse sie dann umso besser, was wirklich aus ihr selber komme und dass das ungemein hilfreich sei. Für sie persönlich sehr viel hilfreicher als dieser ganze andere Kram drumherum. Der Schulpsychologe hatte gesagt, das Finella eine positive Einstellung hege, ein verhältnismäßiges, gesundes Zutrauen zu sich selber habe, – in einem realistischen Maße, ohne dem Fallstrick der Selbstüberschätzung zu erliegen – und ihre Eltern beglückwünscht. Sowohl zu ihrer erfolgreichen Erziehung als auch zu ihrer ungewöhnlichen Tochter. Mama und Papa hatten komische glänzende Augen bekommen, die Glückwünsche entgegen genommen und Finella gesagt, dass sie stolz auf sie und immer für sie da seien. Das hatte sich gut angefühlt und Finella wusste, dass sie auf dem richtigen Weg war.

      Wieso genau ihre Eltern stolz auf sie waren, hatte sie allerdings nicht so ganz verstehen können. Schließlich hatte sie einfach nur eine logische Schlussfolgerung geäußert. Davon einmal abgesehen: Wöchentliche Extrastunden! Das fehlte gerade noch! Sie hatte nun wirklich genug mit dem Unterricht, den anschließenden Hausaufgaben und der elenden Stoffbüffelei vor der jeweils nächsten Klassenarbeit zu tun. Mal muss der Mensch auch Freizeit haben.

      Der Schulgong läutete und riss Finella aus ihren Gedanken. Der Unterricht wurde fortgesetzt. Martina notierte sich erste Stichpunkte.

      Martina war diejenige, die im Klassenzimmer auf dem Stuhl neben ihr saß. Im Unterricht fast immer engagiert, im Umgang mit ihren Mitschülern eher still und zurückhaltend. Was nicht bedeutete, dass sie den Schnabel nicht aufmachen konnte.

      Martina war eine der Wenigen gewesen, die sämtliche ihr zugesandten Fotos und Postings gelöscht hatte, sobald sie welche zugeschickt bekam. Sie hatte zwar nicht an die große Glocke gehängt, von wem sie die Bilder, Videos und Kommentare kamen, doch als sie vom Direx und der Klassenlehrerin dazu befragt wurde, hatte sie ihnen eine ehrliche Antwort gegeben.

      Im Anschluss daran wurde sie von den anderen Mitschülern geschnitten. Seltsamerweise schien Martina das kaum etwas auszumachen. Sie saß nach wie vor jeden Tag auf ihrem Stuhl, beteiligte sich aktiv am Unterricht und behandelte Finella so wie sonst auch. Finella fand das gut. Hätten Martina oder die Lehrer sie nach den Mobbingvorfällen anders als vorher behandelt, so hätte permanent ein unsichtbares Schild auf ihrer Stirn geprangt. Das hätte alles nur noch schlimmer gemacht.

      Martinas Eltern hatten einen augeprägten Sauberkeitsfimmel. Eine Tatsache, die Martina manchmal in komische Stimmungsschwankungen versetzte. Es hatte Momente gegeben, in denen sie völlig panisch reagierte. Bloß weil ihr ein paar Brotkrümel und etwas Hüttenkäse auf ihr Poloshirt gefallen waren. Und nach der Sportstunde duschte sie immer besonders lange.

      Sie war nicht wie die anderen aus ihrer Klasse und Finella hegte die vage Vermutung, dass Martina aus diversen ihr unbekannten Gründen auch nicht so sein durfte.

      Andererseits, – wenn Finella es wahrheitsgemäß betrachtete, so musste sie sich eingestehen, dass sie selbst ebensowenig zu den anderen aus ihrer Klasse gehörte. Nicht so richtig. Wohl hatte es Zeiten gegeben, in denen sie gerne dazugehört hätte. Na ja, natürlich nicht zu allen. Nur zu der einen oder anderen Clique. Doch die wollten Finella nicht dabei haben.

      Aber all das hatte sich vor langer Zeit abgespielt. Seit den Mobbingereignissen hatte Finella an Kontakten zu ihren Mitschülern sowieso keinen Bedarf mehr.

      Manchmal sah Martina traurig aus. Finella verstand bloß nicht, woher Martinas Traurigkeit kam. Darum wusste sie auch nicht, wie sie Martina in solchen Momenten hätte trösten können. Sie hatte einmal probiert, Martinas Aufmerksamkeit darauf zu richten, dass ein paar Krümel nichts anderes als Nichtigkeiten sind, man Kleidung waschen kann und sie doch jeglichen Grund zur Entspanntheit hätte. Zum Beispiel, weil sie regulär tolle Noten schreibt und ihr eine Menge Equipment und Möglichkeiten zur Verfügung stehen. Finella gab offen zu, dass sie ein paar dieser Annehmlichkeiten und Möglichkeiten selber auch gerne gehabt hätte. Sie missgönnte Martina keine einzige davon. Ganz im Gegenteil. Sie freute sich mit ihr. Seltsamerweise hatte Martina nur abgewinkt.

      Während des vergangenen Schuljahres hatte Finella Martina zu ihrem Geburtstag eingeladen. Zusätzlich hatte sie sie hin und wieder gefragt, ob sie nach der Schule mit ihr schwimmen gehen wolle. Martina jedoch hatte jedes Mal abgesagt. Mal war es der Geigenunterricht, mal der Reitunterricht, mal das Kunstturnen. Finella wusste nicht, was sie davon halten sollte. Selbst an Tagen, an denen Martina keine Kalendereinträge vorlagen, fand kein Treffen statt.

      Auch die Hausaufgaben wollte Martina immer alleine erledigen.

      Hinzu kam, das Martina ihrerseits Finella bisher kein einziges Mal gefragt hatte, ob sie etwas zusammen unternehmen wollten. Geschweige denn, dass sie Finella jemals zu ihrem Geburtstag eingeladen hätte. Finella war sich nicht einmal sicher, ob Martina ihren Geburtstag überhaupt feierte.

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