WIE SIE IHR ERSTES BUCH SCHREIBEN. Martin Selle
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Название: WIE SIE IHR ERSTES BUCH SCHREIBEN

Автор: Martin Selle

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия:

isbn: 9783738042795

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СКАЧАТЬ sonst wären wir wohl alle mit in die Luft geflogen. So hat es nur Prinz Wesley erwischt.

       Eigentlich war er überhaupt kein Prinz, sondern ein Riesenarschloch. Entschuldigung, ich weiß ja, dass man über Tote nichts Schlechtes sagen soll, aber er ist mir nun mal fürchterlich auf den Sack gegangen. …

       … Ach ja: Ich habe vor, alles, was nach unserem Schiffbruch passiert, genauestens aufzuschreiben und es später als Basis für einen ›wahren‹ Abenteuerroman zu verwenden. So betrachtet wäre es natürlich von Vorteil, wenn wir nicht allzu schnell gerettet würden. Nur wenn wir länger hier auf der Insel bleiben, besteht die Hoffnung, dass sich ein paar dramatische Szenen abspielen. Eigentlich habe ich mein Notizbuch ja nur deshalb mit an Land gebracht, um an einer Kurzgeschichte zu arbeiten. Ich will nämlich gerne den Schreibwettbewerb auf dem College gewinnen. Daran sieht man, was für ein Optimist ich doch bin! Wer weiß, ob wir jemals wieder von dieser Insel kommen. …

       Insider-Tipp: Sie sollten Motivation immer zeigen, nie erklären oder nur plump mitteilen und aussprechen. Am besten eignen sich körperliche Handlungen, um einen Helden zum Handeln zu zwingen. Eine Flucht zwingt zur Verfolgung, eine Schandtat zwingt zur Rache. Verzichten Sie hingegen auf Rückblenden, um die Motivation zu zeigen, das stoppt in den meisten Fällen die Handlung, weil der Leser dann das Motiv, den Handlungsgrund, nicht in der Gegenwart sucht, sondern in der Vergangenheit. Die Motivation Ihres Helden sollte nach Möglichkeit dem Jetzt entspringen. Wie machen Sie das? Ganz einfach: Bringen Sie Ihren Helden zu Beginn der Geschichte gleich in eine bedrängende Notlage, in eine üble Krisensituation. In solchen Momenten sind Menschen besonders offen und bereit, Dinge zu tun, die sie sonst vielleicht niemals tun würden. Und schon nimmt die Geschichte ihren Lauf.

       Auch dafür ein Beispiel:

       … Der muskelbepackte Gorilla schob die .38er über den Tisch. »Das Ding reißt ganz schöne Löcher in einen Brustkorb.«

       Simon Cody saß David Lakota am Tisch gegenüber und betrachtete schweigend die Pistole. Er roch das frische Öl des Mechanismus und einen Hauch von schwefeligen Rückständen im Lauf.

       »Wie hast du die Fingerabdrücke beseitigt, Simon? Einfach weggewischt? Handschuhe? Klingt doch alles zu einfach, oder?«

       »Ihr habt den Falschen geschnappt, Dave.«

       »Ja, klar. Wir Idioten von Security 1 schnappen immer die Falschen.«

       »Diesmal …« Weiter kam Simon nicht mehr.

       Lakota zog seine Beretta und drückte einfach ab.

       Simon schrie auf. Die Kugel durchschlug seinen linken Oberschenkel, Blut spritzte, als er zu Boden fiel und sich krümmte. Er hörte, wie Lakota den Hahn erneut spannte.

       »Spuck es einfach aus, Simon. Dann haben wir es endlich hinter uns. So oder so: Du verlässt diesen Raum in einem Leichensack.«

       »Verdammtes Arschloch«, krächzte Simon. Das hätte Lakota nicht tun dürfen, nicht das.

       (Student eines Tatort Schreibtisch-Autorenseminars von Martin Selle)

      Natürlich muss das Ziel, das Sie Ihrer Figur mit auf den Weg geben, zur Handlung und zum Geschehen Ihrer Geschichte passen. Die Art und Weise, wie Ihre Figur das grundlegende Ziel, das Hauptziel erreichen will, ist ja die Story, die Sie erzählen. Wenn Ihr Held also die Gunst einer Frau gewinnen möchte, dann konzentriert sich all sein Handeln, das Sie beschreiben und veranschaulichen, darauf und nicht etwa auf sein Hobby, das Sammeln von Briefmarken. Das klingt logisch, stellt jedoch oft eine Fehlerquelle dar. Nur allzu leicht driftet man von der eigentlichen Geschichte ab in Nebensächlichkeiten.

      Auch darauf sollten Sie achten: Lassen Sie Ihren Leser nicht einfach wissen, dass eine Figur ein Ziel erreichen wird, sagen wir, einen Mord begehen wird. Diese plumpe Mitteilung des Zieles durch fantasieloses Behaupten nimmt dem Leser die Chance, kreativ mitzudenken, sich Ziele selbst auszumalen. Besser ist es, Sie zeigen die Figur etwa dabei, wie sie eine Pistole – vermutlich die Tatwaffe – akribisch reinigt und auf perfekte Funktion kontrolliert. Sorgen Sie dafür, dass der Leser über das Ziel Ihres Helden spekulieren kann, ehe Sie ihm die Absicht knallhart vor Augen führen. Die Profis unter den Schriftstellern lassen das Ziel meistens anhand von kleineren Aktionen erahnen. Sie beschreiben das Wesen einer Figur somit Stück für Stück. So könnte zum Beispiel, während unser Mörder die Einzelteile seiner Waffe reinigt, ein Zeitungsbericht mit folgender Schlagzeile auf dem Tisch liegen: ›Serienmörder weiter auf freiem Fuß!‹ Auf diese Weise regen Sie den Leser zum aktiven Mitdenken an, ziehen ihn so in die Geschichte hinein.

      Eine passable Möglichkeit, das wahre Ziel einer Person zu vermitteln, sind deren geheime Gedanken. Haben Sie sich nicht schon selbst einmal dabei ertappt, dass Sie etwas ganz anderes tun oder nach außen hin sagen als das, was Sie sich innerlich tatsächlich denken? Vielleicht in dieser Situation: Sie sitzen im Restaurant und bezahlen. Der Kellner fragt höflich, ob es gemundet hat. Sie bejahen, obwohl Sie sich in Wahrheit denken, dass die Suppe zu kalt, der Salat zu salzig und der Braten nur lauwarm war – und das alles zu einem überzogenen Preis! Hier kommen Sie sicher nie wieder her. Indem Sie die wahren Gedanken einer Figur mitteilen, können Sie dem Leser zeigen, wer diese Person tatsächlich ist, was sie wirklich denkt und worin ihre vorrangige Absicht besteht – welches Ziel sie in Wahrheit verfolgt.

      Merken wir uns:

       Statten Sie Ihren Helden und den Gegenspieler mit starken, deutlich unterschiedlichen, gegensätzlichen Zielen aus. Das Ziel charakterisiert Figuren enorm nachhaltig, macht sie einzigartig und leicht unterscheidbar.

      Meister-Technik 2: Emotionen, Gefühle, Beständigkeit

      Statten Sie Ihren Helden mit einer beständigen (ständig vorhandenen) Grundemotion aus. Emotionen verstärken die Menschlichkeit einer Figur. Unter Emotion verstehen wir einen seelisch-körperlichen Prozess, indem wir durch Gefühle unsere Reaktion auf Situationen und Wahrnehmungen zum Ausdruck bringen (lat. ex ›heraus‹ und motio ›Erregung, Bewegung‹).

      Emotionen sind: Angst, Verzweiflung, Wut, Ärger, Freude, Trauer, Enttäuschung, Mitleid, Sympathie, Neid, Stolz, Verliebtheit.

      Gefühle sind Emotionen, die verbinden: Liebe, Freundschaft, Mitgefühl, Verbundenheit, Gemeinschaftsgefühl.

      Affekte sind Emotionen, die trennen: Hass, Neid, Geiz, Eifersucht, Schuldgefühl, Minderwertigkeit.

      In Experimenten des mimischen Ausdrucks wurde festgestellt, dass fast alle Emotionen, nämlich Freude, Trauer, Furcht, Ärger, Ekel und Überraschung, über die unterschiedlichsten Kulturen hinweg mit jeweils der gleichen Mimik (Gesichtsausdruck) dargestellt werden. Der Ausdruck von Emotionen gehört zum gemeinsamen Erbe aller Menschen. Und diesen Umstand nutzen wir als Schriftsteller, um Figuren zu charakterisieren.

      Sie können das auf folgende Weise tun: Verpassen Sie Ihren Figuren eine Hauptemotion, die sie kennzeichnet und von anderen Figuren in Ihrer Geschichte unterscheidet, eine grundlegende Emotion, die für Ihren Helden typisch ist und die ständig auftaucht. Eine solche Kernpersönlichkeit definiert, wer Ihre Figur ist, und sie weckt im Leser die Erwartung darüber, wie sie sich verhält. Weichen Figuren von dieser Kernemotion ab, wirken sie eher unglaubwürdig. Eine beständige, gleich bleibende Grundemotion ist wichtig, denn der Leser möchte nicht, dass Freunde zum Beispiel jedes Mal, wenn man mit ihnen spricht, sich anders СКАЧАТЬ