Название: Engelchen...
Автор: Irene Dorfner
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Leo Schwartz
isbn: 9783738079777
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Der Duft frischen Kaffees breitete sich in der Küche des alten Bauernhauses aus. Hans legte Brot, Käse und Wurst auf den Tisch. In der Schublade fand er noch eine Tafel Schokolade. Maja langte zu und aß gierig.
„Nimm es mir nicht übel,“ sagte Hans, der Maja beobachtete, „aber du siehst beschissen aus. Was ist passiert?“
„Das weiß ich selbst nicht. Aus den Klinikunterlagen weiß ich, dass ich am 3. August in eine Klinik am Chiemsee eingeliefert wurde. Von da an war alles dunkel. Heute bin ich abgehauen. Oder war das gestern? Wie spät ist es?“
Hans verstand kein Wort.
„Kurz nach zwei.“
„Dann war es gestern. Ich wollte nach Hause. Meine Schwiegermutter hat meine Kinder und Sandro hat ein Verhältnis mit Elena,“ sprudelte es aus Maja unter Tränen heraus.
„Langsam Mädl, ich verstehe kein Wort. Du bist aus einer Klinik am Chiemsee abgehauen? Weshalb warst du dort?“
„Das weiß ich nicht. Ich wurde mit Medikamenten vollgepumpt und kann mich an nichts erinnern. Gestern habe ich es geschafft, aus der Klinik zu fliehen. Mit viel Glück habe ich es bis nach Mühldorf geschafft. Im Garten meines Hauses konnte ich ein Gespräch zwischen Sandro und seiner Mutter verfolgen. Die beiden sind davon überzeugt, dass ich verrückt bin. Meine Kinder sind bei meiner Schwiegermutter, wo sie nicht hingehören. Sie war es auch, die mich in die Klinik einweisen ließ, das habe ich deutlich gehört. Du weißt, dass mein Marco besondere Unterstützung braucht?“
„Ich habe davon gehört. Wie kommst du darauf, dass dein Mann dich mit einer Elena bescheißt? Wer ist das überhaupt?“
„Elena ist unser Kindermädchen. Ich habe die beiden gesehen. Sie haben sich umarmt und sie haben sich geküsst. Bitte glaub mir Hans, ich bin nicht verrückt. Da geschieht etwas, was ich nicht verstehe und was ich nicht verhindern kann. Ich will nicht zurück in die Klinik, ich bin nicht krank. Bitte hilf mir!“
Hans spürte, dass Maja völlig am Ende war. Das, was sie von sich gab, war doch total irre. Aber er kannte Maja schon viele Jahre und sie neigte nicht dazu, hysterisch zu werden.
„Lies bitte,“ sagte Maja und schob Hans den immer noch zusammengefalteten Zettel zu, der durch ihre Flucht stark in Mitleidenschaft gezogen war.
Hans entfaltete das Papier.
„Das habe ich aus meiner Krankenakte gestohlen. Das sind die Medikamente, die mir verabreicht wurden. Hier oben steht der Name der Klinik und da steht mein Name,“ erklärte Maja und suchte nach einer Regung in Hans‘ Gesicht, aus der sie lesen konnte, ob er ihr glaubte.
Es folgte Schweigen. Hans versuchte, die Informationen zu ordnen und überflog dabei immer wieder diese Liste, die er nicht beurteilen konnte. Ja, darauf waren viele Medikamente aufgelistet. Allerdings hatte er keine Ahnung, um was es sich dabei handelte.
„Du bleibst hier und ruhst dich aus. Wenn du möchtest, kannst du gerne baden oder duschen. Nimm dir aus meinem Kleiderschrank, was du brauchst, irgendetwas wird dir schon passen. Ich werde inzwischen Erkundigungen einholen.“
„Du willst mir helfen?“
„Wir Mühldorfer müssen doch zusammenhalten. Du kannst dich auf mich verlassen, mein Wort drauf.“
Maja war überglücklich. Wenn Hans sein Wort gab, dann stand er auch dazu. Sie duschte ausgiebig und fühlte sich sicher.
Hans hatte ein mulmiges Gefühl, nachdem er aufgelegt hatte. Nach Maja lief eine Fahndung. Sie wurde als gefährlich für ihre Umwelt und als äußerst gewaltbereit eingestuft. Was sollte der Blödsinn? Maja war weder gefährlich noch gewalttätig. Was lief hier ab?
„Leo? Ich brauche deine Hilfe. Komm bitte zu mir.“
Der 51-jährige Leo Schwartz war irritiert. Ein Anruf von Hans mitten in der Nacht? Er zog sich an und machte sich auf den Weg.
Maja schlief tief und fest in Hans‘ Bett, während der seinen Freund und Kollegen Leo informierte.
„Du lässt diese Irre hier schlafen? Bist du verrückt geworden?“
„Maja ist völlig harmlos. Sie ist eine dieser Alternativen, wie sie im Buche stehen. Sie isst nur gesundes Zeug, ist in mehreren Kinder- und Tierschutz-Organisationen tätig und kämpft für Menschenrechte. Es gibt kaum eine Demonstration, an der sie nicht teilnimmt. Glaub mir Leo, Maja ist der harmloseste Mensch, den ich kenne.“
„Wie lange hattest du keinen engeren Kontakt mehr zu ihr?“
„Acht Jahre. Trotzdem sind wir uns immer wieder über den Weg gelaufen. Glaub mir bitte, Maja ist nicht verrückt.“
„Gut. Wer hätte ein Interesse daran, sie für verrückt erklären zu lassen?“
„Keine Ahnung.“
„Erzähl mir von ihr.“
„Sie wuchs auf dem nächsten Bauernhof auf. Ihre Eltern bekamen sie sehr spät. Niemand hatte mehr mit Nachwuchs gerechnet. Die Freude war groß, als Maja geboren wurde. Als ihre Eltern vor neun Jahren kurz hintereinander starben, hat sie alles verkauft.“
„Beruf?“
„Sie hat in Altötting in einer Steuerkanzlei gelernt und gearbeitet, bis sie geheiratet hat. Sie hat Sandro Ettl geheiratet. Dir sagt der Name etwas?“
„Das Möbelhaus?“
„Richtig. Die Familie Ettl besitzt in vierter Generation ein riesiges Möbelhaus bei Ampfing. Sandro Ettl leitet das Unternehmen zusammen mit seiner Mutter Elfriede und der Schwester Susanne, nachdem das Familienoberhaupt bei einem Bergunfall ums Leben kam. Meines Wissens nach gab es nie irgendwelche Skandale oder dergleichen. Eine unauffällige, vermögende Familie.“
„Was ist mit dieser Elena? Wo kommt sie her?“
„Das habe ich noch nicht herausbekommen. Ich würde gerne Maja dazu befragen, scheue mich aber davor, sie aufzuwecken. Ich habe ihre Arme gesehen. Sie hat in letzter Zeit jede Menge Spritzen bekommen. Das ist die Medikamentenliste ihrer Patientenakte, Maja hat sie mitgehen lassen.“
„Das ist eine ordentliche Liste, die mir leider nicht viel sagt. Wie lange war sie in der Klinik? Eine Woche? Ich bin zwar kein Experte, aber sogar ich finde die Menge der Medikamente für eine Woche reichlich übertrieben. Wir sollten mehr über die Hintergründe herausfinden.“ Leo schenkte Kaffee nach. „Wenn das alles stimmt, was deine Freundin Maja erzählt hat, ist sie hier nicht sicher, das ist dir doch klar? Wenn man sich solche Mühe macht, sie wegzuschaffen, wird man anfangen, ihre Kontakte abzuklappern. Irgendwann kommt man auf dich.“
„Das ist mir bewusst. Wir brauchen einen sicheren Ort und jemanden, der sich um Maja kümmert.“
„Ich wüsste nicht nur den Ort, sondern hätte auch eine sehr gute Idee, wer sich um Maja kümmern könnte,“ grinste Leo.
„Du denkst doch nicht etwa an Tante Gerda? Vergiss es! Jeder in Mühldorf und Umgebung kennt СКАЧАТЬ