Название: Graf Petöfy
Автор: Theodor Fontane
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783754179338
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»Und so spricht ein Liebling des Publikums, ein Verzug, ein Glückskind?«
»Viel Feind, viel Ehr. Aber auch viel Ehre, viel Feind. Und ein Glückskind! Nun ja; vielleicht. Aber an jedes Glück hängt sich ein Unglück.«
»Umgekehrt, ein Glück kommt nie allein.«
Unter so zugespitzter Rede waren sie bis an den Kärntnerring und die Schwarzenbergbrücke gekommen und gingen nun auf die Salesinergasse zu, deren vorderstes Eckhaus Franziska bewohnte. Das eine Fenster war hell erleuchtet und schickte sein Licht ihnen entgegen über den Platz hin.
»Und was, wenn die Frage nicht zudringlich ist, finden Sie nun daheim, meine Gnädigste?« nahm Egon das Gespräch wieder auf.
»Oh, das Beste, was man finden kann: ein Feuer im Kamin und ein Paar warme Schuhe.«
»Einigermaßen genügsam.«
»Und dazu Lieb und Treue und ein Geplauder von der Heimat.«
»Und wer gewährt Ihnen das?«
»Mein zweites und mein besseres Ich, meine Freundin und Dienerin zugleich. Und wenn sie nicht gleichen Alters mit mir und sehr streng und sehr tugendhaft wäre so würd ich sie Ihnen kurzweg als die Amme der italienischen Komödie vorstellen. Aber eins ist sie gewiß: in jeder Sorge mein Trost und in jeder unklaren Sache mein gutes Gewissen.«
»Beneidenswert!«
»Ei, das mein ich auch... Aber hier sind wir am Ziel, Graf Egon.« Und die Glocke ziehend und ihm dankend, stieg sie rasch die Stufen hinauf.
Auf der dritten Treppe wurde sie von ihrer Dienerin empfangen und trat gleich darnach in den Vorflur, wo sie die Schneestäubchen von ihrem Mantel abschüttelte. »War niemand da, Hannah? Nein? Nun, desto besser, und nun bringe mir den Tee.«
»Ja, darauf ist heute nicht mehr gerechnet, Schatz. Ich habe keinen Tropfen Rahm im Hause.«
»Tut nichts, dann nehmen wir einen Tropfen Kirschwasser. Irgendwas wird doch dasein. Aber eile dich. Ich hab es so kalt.«
Und eine Viertelstunde später saß Franziska zurückgelehnt in einem Schaukelstuhl und sah in die Kaminflamme, während Hannah ihr den Tee bot und sich neben sie setzte.
»Hier, noch ein Oblatenbrot«, sagte diese; »glücklich gerettet. Und nun erzähle.«
»Ja, das ist leicht gesagt, Hannah. Erzähle! Aber was? Eigentlich weiß ich selber nichts, und woher sollt es auch kommen? Eine Gräfin kann einem doch nicht gleich ihre Lebensgeschichte zum besten geben.«
»Ist auch nicht nötig und will ich auch nicht wissen. Nur ein bißchen von allem oder doch von der Hauptsache. Nimm also wenigstens einen Anlauf und sage mir, wer da war und wie sie hießen.«
»Nun gut. Also da war zunächst die Gräfin selbst, von der die Karte kam, und dann ihr Bruder, der alte Graf. Nun, den kennst du. Du hast ihn ja neulich selber gesehen und gesprochen und könntest mir eigentlich sagen, ob er dir gefallen hat. Was denkst du von ihm? Was sagst du?«
»Dreierlei.«
»Gut; nenn es.«
»Er ist alt und möchte gern jung sein, er spielt den Weltmann und ist eigentlich bloß ein Wiener, und drittens und letztens: er glaubt, daß sich alle Weiber um ihn reißen, und wird doch eigentlich nur genasführt.«
»Er gefällt dir also nicht?«
»O doch. Er gefällt mir schon.«
»Ein Geck kann einem nicht gefallen.«
»Er ist auch kein Geck. Mitunter streift er daran oder steht auch schon mittendrin. Denn er hat all die Narrheiten eines alten Junggesellen und Theaterenthusiasten. Aber ganz zuletzt ist er doch wieder anders. Ich glaube, daß er ein sehr gutes und braves und sogar ein edles Herz hat. Er ist vornehmer und besser als irgendeiner der jungen und namentlich der alten Herren, die dir einen Besuch gemacht haben.«
»Sieh, das freut mich, daß du das sagst. Und in seinem eigenen Hotel oder in dem seiner Schwester ist er noch viel liebenswürdiger als hier. Denn hier fühlt er die Verpflichtung, mir nach Art alter Herren den Hof zu machen, in seinem Hause dagegen fühlt er nur die Verpflichtung, artig zu sein. Und das ist für unsereins schließlich mehr. Du weißt ja, wie man gewöhnlich mit uns spricht. Und nun will ich dir auch sagen, wer die beiden anderen in der Gesellschaft waren. Der eine war ein Liguorianerpater, ein Fünfziger, groß und stattlich, und der andere, nun, der andere, das war ein junger Graf, Graf Egon, ein Neffe des alten, ich glaube, sehr hübsch und Adjutant bei Erzherzog Rainer.«
»Und hat dir natürlich am besten gefallen?«
»Nein, nicht das. Er hat mir nur nicht mißfallen; das ist alles, was ich sagen kann. Er hat etwas von dem mir unerträglichen ›Von oben herab‹, und wenn ich mich entscheiden und jedem einzelnen einen Rang in meinem Herzen anweisen sollte, so würd ich die Gräfin obenan stellen und dann den Pater. Oh, sie waren beide charmant und dabei so klug und verbindlich, wie nur vornehme Katholiken sein können. Schon ihre Stimmen...«
»Ja, sie haben eine verführerische Stimme, Fränzl! Ich weiß davon. Aber das darfst du mir nicht antun und deinem Pastor-Vater im Grabe nicht, so lau und flau er war, daß du zu viel auf diese Stimme hörst... Nur auf meine mußt du hören, wenigstens jetzt, in diesem Augenblick, und die mahnt dich, daß es auf Mitternacht geht und morgen um zehn Uhr Probe ist. Mach also, du mußt ausschlafen.«
»Aber erst noch unsern Spaziergang, sonst schlaf ich überhaupt nicht. Und außerdem bin ich abergläubisch.«
Hannah brachte Mantel und Kappe, wickelte Franziska darin ein, und nun stiegen Herrin und Dienerin eine nur wenige Stufen zählende Treppe hinauf, die vom dritten Stock aus direkt auf das Flachdach des Hauses führte. Hier standen den Sommer über allerhand Kübel und Topfgewächse, jetzt aber sah man nichts als ein paar Bretterlagen und einen Berg Schnee, den der Wind nach der einen Seite hin zusammengefegt hatte.
Sie gingen ein paarmal auf und ab und sahen auf die Stadt, auf deren verschneite Dächer das Mondlicht fiel. Aus der Ferne her hörte man das Läuten einzelner Schlitten, aller eigentliche Lärm aber schien erstickt unter dem weißen Tuch.
Und nun traten sie bis an die Brüstung, wo der zusammengewehte Schnee lag, und sahen in den Winterhimmel hinauf, der in wundervoller Pracht über ihnen glitzerte.
»Sieh, das ist der Große Bär. Und da sind wir zu Haus, da liegt unsere Jugend, unsere Kindheit. Ach, Hannah, es war doch unsere schönste Zeit, als wir noch abends in den Turm gingen und die Betglocke läuteten und die Grabsteine der alten Pastoren anstarrten, die mit ihren Ringkragen an den Wänden umherstanden. Und wenn uns dann der Glockenstrick aus der Hand fuhr und mit einem Mal in die Höhe schnellte, sieh, da war mir's immer, als hätte sich der Gottseibeiuns über unser Läuten gebost und den Strick uns weggezogen.«
»Ach, rede nicht so, Fränzl; wenn du so sprichst, dann überdenkst du jedesmal etwas Tolles oder Törichtes.«
»Aber diesmal nicht. Ich überdenke gar nichts. Ich habe nur mit einem Mal eine schmerzliche Sehnsucht nach dem Kirchenplatz hin, wo wir spielten und uns auf die Holzstämme setzten und Geschichten СКАЧАТЬ