Yester und Li. Bernhard Kellermann
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Название: Yester und Li

Автор: Bernhard Kellermann

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783754181560

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СКАЧАТЬ sie mit leiser, vom Weinen noch unsicherer Stimme und lächelte verwundert.

      Ob das nicht zum Verrücktwerden sei: nun habe er seinen Schlüssel verloren und könne nicht in sein Zimmer. Er habe noch Licht gesehen und sich erlaubt, anzuklopfen. Vielleicht habe sie einen Schlüssel oder Haken oder sonst ein Instrument zum Öffnen. Wenn er sie aber im Arbeiten störe —

      Ach nein — das sei allerdings unangenehm.

      „Treten Sie ein bißchen ein, es findet sich vielleicht etwas.“

      Er wäre so frei. Wenn er aber störe, so müsse sie es ruhig sagen.

      Im Zimmer brannte eine Lampe ohne Sturz. Auf dem Tische lagen Briefe umhergestreut, von denen einige auseinander geschlagen waren.

      Der Anblick der mit allerlei billigem Tand maskierten Ärmlichkeit dieses Mädchenzimmers schmerzte ihn um so mehr, als er noch Ritts vornehmes Atelier mit gedämpftem Lichte, Teppichen und den in Zigarettenrauch gebetteten zwei schönen Frauen in der Erinnerung trug.

      Hier roch es nach Terpentinöl und welken Blumen. Die Möbelstücke warfen harte, zackige Schatten im unmittelbaren Lichte der kahlen Lampe.

      Der mächtige, abenteuerliche Schatten der Malerin bewegte sich über Wände und Decke.

      Fräulein von Sacken war eine große, üppige Erscheinung. In ihrem schwarzen Kleide, mit dem nervösen, bleichen, leicht zerfließenden Gesicht, das von früherer Schönheit zeugte, erschien sie Ginstermann wie die Maitresse eines Fürsten, die den Abschied bekommen hat, da ihre Schönheit verging, und ihr üppiger Körper anfing, seine reinen Formen zu verlieren. Eine sanfte Schwermut erfüllte ihre Züge, als trauere sie über ein verfehltes Leben. Sie hatte große Augen von matter Schwärze mit langen, strahlenförmigen Wimpern. Diese Augen flehten um etwas, das niemand erriet.

      Man gewann den Eindruck, daß sie die Nächte in einem Sessel verbringe und vor sich hingrüble, während Tränen ihren dunklen Augen entfielen.

      Ginstermann kannte ihre Geschichte. Sie war die Tochter eines höheren Offiziers, und ihre Angehörigen hatten sich aus irgendeinem Grunde von ihr losgesagt und ihr eine knappe Rente ausgesetzt. Sie sprach mit mühsam verhaltener Bitterkeit von ihnen, und ihr Streben ging dahin, einmal ein gutes Bild zu malen, das ihren Namen bekanntmachte, und die Rezension des Werkes ihren Verwandten zuzuschicken. Aber sie sah diese Hoffnung von Jahr zu Jahr mehr verblassen. Man wies jedes ihrer Bilder zurück. Sie hatte mit dem Stilleben begonnen, war dann zum Porträt, vom Porträt zum Genre, zur Landschaft, übergegangen, um schließlich wieder beim Stilleben anzukommen, fest überzeugt, daß sie nur hierin etwas leisten könne.

       Das bißchen Talent, das sie mitgebracht, hatte sich längst zerrieben und im verzweifelten Studium alter Meister verloren. Wie es mit allen kleinen Talenten geht, die angesichts einer großen Schöpfung kläglich absterben.

      Das Grauen vor der künstlerischen Unfruchtbarkeit war ihr größtes Leiden.

      Die Malerin kramte in der Kommode und brachte einige Schlüssel herbei.

      „Vielleicht passen die“, sagte sie.

      Ginstermann prüfte die Bärte und legte sie kopfschüttelnd beiseite.

      „So geht es, wenn der Mensch Unglück hat“, sagte er. „Nun ging ich heute mal aus, seit einem Jahre ist es das erste Mal wieder. Der Mensch sollte nicht so schwach sein, aber ich war heute in einer Stimmung, in einer Stimmung, in der die Leute Selbstmord begehen.“

      Er schwieg und sah mit finsterer Miene zu Boden, auf ihre Gegenrede wartend.

      „Ich habe Sie stets um Ihre gleichmäßige Ruhe beneidet, Herr Ginstermann.“

      „Ein Mensch kann lächeln, während in seinem Innern die Hölle tobt, Fräulein Sacken“, fuhr Ginstermann fort, vor sich hinbrütend. „So einer bin ich. Aber wir tragen ja alle unsere Tragödie in uns herum, ich und Sie und Kapelli und Ritt, alle. Unsere entwickeltere Empfindungsfähigkeit ist schuld daran. Und wir Schaffenden haben neben all den menschlichen Sorgen auch noch die um unsere Arbeit. Gegen diese sind alle anderen nichtig. Weiß man aber, ob all unser Kämpfen einen Sieg vorbereitet? Daß wir das nicht wissen, daran leiden wir. Die einen haben mit Erfolg begonnen und mit Niederlagen geendet. Die anderen fielen aus einer Enttäuschung in die andere und sprengten plötzlich die Schlacke, die sie einhüllte. Solange wir nur das Bewußtsein haben, etwas zu leisten, einmal, gleich wann, so können wir glücklich sein. In unseren schwachen Stunden verläßt es uns, und um uns heult das Elend. Ein Erfolg läßt sich eben nicht vom Himmel reißen, man muß Geduld haben.“

      „Viel Geduld!“

      „Viel Geduld. Aber nehmen wir an, man hat nie Erfolg, nie Erfolg.“

      „Niemand erträgt das.“

      „Ich aber sage Ihnen, trotzdem müßte man es ertragen, trotzdem müßte man sich noch glücklich schätzen, stolz sein. Ich frage, kann es uns nicht gleichgültig sein, ob ein verblödetes Publikum uns zujubelt oder uns verlacht? Für wen schaffen wir? Für uns, sonst für niemanden. Wir sollten uns genügen lassen an der Erkenntnis, daß wir überhaupt entwickeltere Wesen sind, feiner, selbständiger empfinden als jene Erbarmungswürdigen, blind, taub und seelenlos Geborenen da draußen. Die Gabe, originelle Eindrücke aufnehmen zu können, des vermittelnden Kunstwerkes entbehren zu können, die sollte uns stolz machen, wenn wir auch nicht die Kraft besitzen, diese gesammelten Eindrücke zum Kunstwerk zu verdichten. Und dieser Stolz sollte uns über alles hinwegtragen, über die Misere des Daseins, über das Gespötte der Welt, das Achselzucken unserer Angehörigen. Man prostituiert sich vor sich selbst, wenn man nur einen Gedanken daran verschwendet. Man sollte, man sollte — aber dazu ist man immer noch zu klein, zu beengt im Blicke.“

      Er schwieg.

      Die Malerin lehnte am Tische, den Blick zu Boden gerichtet und lächelte. Aber das war nicht ihr stereotypes, wehmütig-liebenswürdiges Lächeln, es war das Lächeln des Befreiten, des Aufatmenden.

      Nach einer Weile stand Ginstermann auf. In verändertem Tone sagte er: „Nun sehen Sie, nun habe ich meinen Schlüssel gefunden. Ist das nicht kostbar! Im Futter meiner Westentasche hat er gesteckt.“

      „Haben Sie ihn gefunden?“ fragte sie mechanisch.

      „Ja,“ entgegnete er, „und nun gute Nacht, und nehmen Sie es mir, bitte, nicht übel, daß ich Ihnen mit meinem Lamento gekommen bin. Es ist menschlich, sich dazwischen Luft machen zu müssen. Morgen bin ich wieder jener, den Sie um seine göttliche Ruhe beneiden.“

      Sie nahm seine Hand, sie legte die Linke noch darauf und preßte sie. Ihre Augen waren feucht, ihre Brust wogte. Mit einem Blick, den er sein Leben nicht vergessen würde, sagte sie:

      „Es muß doch einen Gott geben!“

      „Wieso?“ fragte Ginstermann verdutzt.

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