Yester und Li. Bernhard Kellermann
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Yester und Li - Bernhard Kellermann страница 11

Название: Yester und Li

Автор: Bernhard Kellermann

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783754181560

isbn:

СКАЧАТЬ Art zugrunde richten — hähä. Darin beruht der Unterschied meiner Lebensauffassung und der der Welt. Wir leben nur eines Atemzuges Länge, laßt uns atmen, Freunde! Prosit!“

      Man stieß an. Ginstermann dachte an das Mädchen in der Leopoldstraße und trank sein Glas bis zum Boden leer.

      Ritt fuhr fort, in seiner näselnden, dünnen Stimme die Freude zu preisen, die den Menschen über sein tierisches Ahnentum erhebe.

      Der Maler vermochte nicht eine Minute zu schweigen. Er befand sich unausgesetzt in nervös lustiger Erregung.

      Ein Genie von Geburt, hatte ihn sein ausschweifendes Leben frühzeitig zu einer totalen Erschlaffung seines Willens geführt, so daß er zum Spielball seiner Triebe geworden war. Von Zeit zu Zeit schloß er sich vollständig von der Welt ab, um sich wiederum die nötige Achtung vor sich selbst zu geben, und da schuf er ein Bild, von dem jeder einzelne Pinselstrich den Eindruck der Inspirativen erweckte. Seine Schöpfungen hatten ihn berühmt gemacht. Aber allen haftete etwas an, was an einen verzweifelten Sieg erinnerte, als seien sie einem vorbeisausenden Augenblick entrissen. Er hatte keine Zeit zur Sammlung, seine Seele war zerrüttet.

      Niemand hätte das Alter des Malers genau zu bestimmen vermocht. Am Tage sah er vierzig, bei Lampenlicht dreißig Jahre alt aus. Sah man ihn aus einiger Entfernung, so erweckte seine schlanke, elegante Figur den Eindruck eines Zwanzigjährigen.

      Sein Gesicht war welk, ausgetrocknet, mit matten Augen, die nahezu wimpernlos waren. Er trug einen dünnen, langen Spitzbart, der einige Dutzend Haare hatte, über seine Züge lag etwas Täppisches, Kindisches ausgebreitet, das zeitweise verdrängt wurde durch den Ausdruck mühsam verborgenen Grauens vor etwas Entsetzlichem, das er selbst nicht kannte, vor dem Wahnsinn.

       Ginstermann suchte Ritt deshalb zu meiden, weil er in ihm ein Stadium entdeckte, aus dem er sich glücklich emporgearbeitet hatte. Diese nervöse Lustigkeit des Malers, seine Gier, sich fortwährend zu betäuben, seine Freude an Orgien, sein bramarbasierendes Reden, das alles erinnerte ihn an seinen früheren Zustand.

      Er empfand Mitleid mit ihm, sah aber auf der anderen Seite ein, daß der Versuch, den Abwärtsgleitenden zu retten, vergebens gewesen wäre. Ritt würde ihm ins Gesicht gelacht haben, weil er sich gescheut hätte, den Zusammenbruch seines Inneren einzugestehen.

      Eine der Damen sang, als Ritt geendet, ein französisches Chanson, dessen Refrain lautete: Achète moi un homme, maman, if you please, maman.

      Die beiden anderen sangen den Refrain mit, und schließlich fiel auch Ginstermann ein.

      Nach jedem Vers brachte Ritt einen Trinkspruch aus, einen paradoxer als den andern.

      Ginstermann saß vergnügt in seinem niederen Sessel, er war zu müde, um aufzustehen. Es gefiel ihm auch gut. Zur Abwechslung konnte sogar ein Einsiedler mal seine Höhle verlassen.

      Die eine der Damen betrachtete ihn durch ihre Lider hindurch mit schillernden Augen, während sie sang.

      Man stieß wieder an. Aber Ginstermann war zu müde, nach einem Glase zu greifen.

      Zur vollständigen Genesung braucht man immerhin vierzehn Tage, dachte er, je nachdem, je nachdem. Da fühlte er, wie jemand ihm mit der Hand über das Gesicht strich, und er schlief ein. Hinter der Wand hörte er noch Gelächter und Ritts näselndes „Bravo, bravo!“ —

      Da stieß ein Vogel mit großen Fittichen gegen seine Stirne, und er öffnete die Augen.

      Vor ihm saß eine Dame mit schillernden Augen und lächelte. In ihrer Hand hielt sie ein Kissen mit einer Geste, als wolle sie es nach ihm werfen.

      Nun fiel es ihm erst ein, wo er war.

      Das war Ritts pompöses Studio, dort stand sein neuestes Bild „Mädchenreigen“ und hier die rotglühende Lampe, und richtig, diese Dame hatte ihm beim Eintreten die Hand gedrückt. Die anderen aber waren nicht zu sehen.

      Er war noch voller Schlaf und bewegte die Lippen, um zu sprechen.

      „Sie holen Wein,“ sagte das Mädchen, das auf der Ottomane saß, und blies sonderbar lächelnd gegen die Glut ihrer Zigarette.

       Er stand auf und gab ihr die Hand, um sich zu verabschieden.

      „Sie kommen nicht sogleich wieder“, flüsterte das Weib und blickte ihn an. Ihre Hand bebte.

      In seinem Kopfe schwindelte es. Er sagte, sich herabbeugend und lächelnd: „Ich bin müde.“ Ihre Augen waren dicht vor den seinen. Funken tanzten darin. Diese Augen waren wie Magnete, die ihn festhielten. Nun entfernten sie sich, und zwei Reihen weißer Zähne unter roten Lippen kamen näher. Er stand noch immer und hielt diese heiße, zitternde Hand in der seinigen. Da fühlte er eine Hand an seinem Nacken, und ein warmer Hauch traf sein Gesicht.

      Dieser Hauch stieß ihn ab. Er richtete sich auf und kam zum Bewußtsein.

      „Adieu“, sagte er und ging hinaus.

      Ihn schwindelte. Die kühle Luft hier außen tat wohl. Ein paar tiefe Atemzüge, und sein Kopf war klar.

      Er stieg die Treppe hinauf. Es war vier Uhr.

      An der Tür der Malerin von Sacken, seiner Nachbarin, flimmerte ein kleines Sternchen. Auch sie hatte noch Licht. Alle Leute waren noch wach und waren guter Dinge.

      Es war heute ein ganz besonderer Tag!

       Er freute sich nun auf die Ruhe und den Moment, wo er sich in seine Decke wickelte mit dem Gedanken, daß nunmehr keine Wagen mit schwarzgekleideten Leuten zu befürchten seien.

      Plötzlich lauschte er. Hier hatte jemand geschluchzt!

      Es war so stille, daß er das Rollen eines Wagens von der Straße her hörte. Und nun vernahm er wiederum unterdrücktes Schluchzen.

      Da drinnen hielt der Gram einen Menschen wach.

      Diese Laute nach all dem Lachen des Abends wirkten auf ihn wie eine niederschmetternde Anklage, als trüge er an dem Schmerze jenes Weibes Schuld.

      Fräulein von Sacken klopfte eines Abends bei ihm an, um ihn nach der Zeit zu fragen, da sie nicht schlafen könne, wenn ihre Uhr stehe. Aber sie kam nicht deswegen. Sie kam, um mit einem Menschen ein paar Worte wechseln zu können, da die Einsamkeit sie peinigte. Ginstermann erriet das. Und nach kurzem Gespräche fragte sie ihn, ob er wisse, was die drei schrecklichsten Dinge im Leben seien. Sie beantwortete ihre Fragen selbst, indem sie sagte: Die Einsamkeit, die Gestaltungssehnsucht und der Ehrgeiz.

      Daran dachte er jetzt. Er sah sie noch deutlich an der Türe stehen und jene drei Worte sprechen, deren jedes einzelne eine Tragödie birgt. Sie waren ihm erschienen wie drei hohe, finstere Tore, hinter denen er nackte Menschenleiber in wortloser Qual sich winden sah.

      Heute war sie im Kampfe mit den drei Bestien unterlegen. Er aber wollte ihr helfen. In seiner glücklichen Stimmung konnte er den Schmerz dieses Weibes um so tiefer begreifen.

      Er begann an seiner Türe zu rütteln, mit dem Fuß dagegenzustoßen.

      Das Schluchzen hörte augenblicklich auf.

      Eine Weile wartete er, dann ging er an die Türe der Malerin und pochte behutsam.

      „Wer da?“ fragte eine jähe, ängstliche СКАЧАТЬ