Aus dem Reiche des Buddha. Paul Dahlke
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Название: Aus dem Reiche des Buddha

Автор: Paul Dahlke

Издательство: Bookwire

Жанр: Сделай Сам

Серия:

isbn: 9783754183458

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СКАЧАТЬ einem seiner einsamen Spaziergänge, als er, wie immer in grüblerische Zweifel versunken, wieder einmal sich selber verloren hatte, kam ihm plötzlich der Entschluß, den Orden ganz zu verlassen, ins Haus seines Vaters zurückzukehren und dort in der Weise seiner Vorfahren weiter zu leben.

      So mächtig überwältigte ihn dieser Gedanke, daß er beschloß, ihn auszuführen so wie er ging und stand. Ohne erst ins Kloster zurückzukehren, wollte er sich sofort auf den Weg nach Anuradhapura machen. Prüfend sah er nach der Sonne. Sie neigte sich schon merklich, aber er konnte kurz nach Sonnenuntergang in seinem Vaterhause anlangen. Seit vielen Jahren hatte er nichts mehr von dort gehört, ja er wußte nicht einmal, ob sein Vater noch am Leben war. Für den Alten selber war dieser Sohn tot. Ein Sohn, der die Götter der Väter verlassen hatte, der die Opfer verachtete, konnte sein Kind nicht mehr sein. Ganz allmählich, ohne Haß, aber auch ohne Rücksicht, hatte er den Sohn abgestoßen, wie der Baum einen welken Zweig abstößt.

      Halb willenlos bog Suriyagoda in den ersten Seitenpfad ein, der von der heiligen Höhe, wo Reinheit und Keuschheit herrschte, in die Ebene hinabführte, zu den Menschen mit ihren Sorgen und ihrem Schmutz.

      Er ging hier durch dichten Urwald, über dem es schon wie Abendstimmung lag. Hier und dort ließ sich das hohle Brüllen eines Affen vernehmen. Jetzt hörte Suriyagoda ein schweres Geräusch dicht über sich in den Zweigen. Es waren zwei dieser häßlichen Tiere, die miteinander kosten.

      Widerwillig blickte er vor sich auf den Weg. „Überall Liebe, überall Liebe!“ Eilig schritt er weiter. Dieses Dämmerlicht des Urwaldes war ihm trotz der langjährigen Gewohnheit immer noch unheimlich.

      Wieder hörte er ein schweres Geräusch, aber diesmal weit abseits im Dickicht. Er fuhr zusammen. „Ein Elefant?“ Dann sich seiner Furcht schämend, blieb er trotzig stehen. Er wollte in klarem Bewußtsein diese Gefühle der Feigheit vorübergehen lassen.

      Regungslos stand er da, den Blick fest auf den Boden geheftet. Ein Zug von Ameisen lag wie ein dunkler Strick vor ihm quer über den Weg hin, die eine Hälfte des Heeres in der einen Richtung, die andere ihr entgegen strebend, und jede in einer Hast, als gelte es, die letzte Stunde dieses Lebens auszunutzen.

      „Es ist die blinde Liebe für ihr Heim, das sie treibt,“ dachte Suriyagoda, während er nachdenklich auf dieses Gewimmel blickte.

      Plötzlich wieder dieses schwere Geräusch im Dickicht, aber näher. Das mußte ein Elefant sein. Er fühlte, wie ihm die Knie zitterten. Solche einzeln umherschweifenden Elefanten sind nicht wie Herden-Elefanten friedlich, man möchte fast sagen kultiviert, sondern sie sind das schlimmste und bösartigste Wild, das ein Mensch treffen kann.

      Er wollte davon stürzen. Aber im nächsten Augenblick kam wieder diese Scham vor sich selber. „Ich will mich nicht fürchten,“ sagte er fast störrisch. Dabei stemmte er den Fuß in den Erdboden des Fußwegs wie ein Ringer, der einen Halt gegenüber dem Gegner sucht. „Ehe ich mich fürchte, will ich wissen, warum ich mich fürchte.“

      Indem sah er etwas Weißes durch das Dickicht schimmern und ein Mensch arbeitete sich, halb kriechend an den Weg heran, auf dem Suriyagoda stand.

      Es war Wogiswera, der Arzt und Schulmeister unten im Dorf.

      Verwirrt sah der Mönch ihn an, als er herantrat und sich tief verneigte.

      Ehe er das tat, legte er vorsichtig eine Art Grabstock und ein in weiße Baumwolle gehülltes Bündelchen beiseite. Nach der Begrüßung richtete er sich schnell auf und nahm Stock und Bündelchen wieder an sich. So schritten sie schweigend den Pfad abwärts weiter, Suriyagoda zu sehr mit der Scham über sich selber beschäftigt, um den anderen zu fragen, Wogiswera zu bescheiden, um den Mönch, dem man Ehrfurcht schuldet, anzureden.

      Mit einer Art Ingrimm wiederholte Suriyagoda sich immer wieder: „Wovor habe ich mich denn nun gefürchtet! Ist in allem das Göttliche und alles im Göttlichen — woher dann die Furcht? Wie stehts wohl mit meinem Glauben! Schlecht stehts! Du Narr, du Narr nach beiden Seiten hin!“

      Er lachte kurz auf.

      Wogiswera warf ihm einen scheuen Seitenblick zu. Er war ein Mann, fast doppelt so alt als der Mönch. Früher selber Mönch gewesen, war er vor langen Jahren, kurz ehe Suriyagoda in Mihintale in den Orden trat, in die Fesseln der Liebe gefallen, hatte geheiratet und Kinder gezeugt und erwarb sich jetzt seinen Unterhalt mit Unterrichten der Kinder des Dorfes und mit dem Heilen von Krankheiten.

      Von Natur redselig, fiel ihm nichts schwerer als das Schweigen. So benützte er den Augenblick, wo Suriyagoda auflachte und sagte:

      „Es ist schwer, Herr, es ist schwer.“

      Der Mönch sah auf. Sein Blick blieb auf dem weißen Bündelchen Wogisweras hängen.

      Unvermittelt fragte er:

      „Was hast du denn da in dem Bündelchen?“

      Sofort begann Wogiswera:

      „Seht hier, es sind Kräuter darin; Heilkräuter für meine Frau. Sie ist krank, schwer krank und fünf Kinderchen! Es ist schwer. Ein gutes Weib, Herr! Das beste Weib der Welt. Ich will euch erzählen, wie sie krank wurde. Sie war guter Hoffnung, müßt ihr wissen. Da bekommt sie neulich Verlangen auf Zucker, weißen Zucker. Schickt den Diener hin. Weil ihr der zu lange bleibt, tritt sie selber in die Gartenpforte, um nach ihm auszusehen. Da sieht sie ihn, am Zucker naschend. Um ihn nicht zu beschämen — bedenkt, Herr, um ihn nicht zu beschämen, bückt sie sich schnell zur Erde, als ob sie da was zu schaffen hätte. Und dabei ist das Unglück gekommen. Sie war immer schwach und zart. Jetzt diese Last! Fünf Kinderchen und kein Weib im Hause, nur Unruhe und Geschrei. Ach, Herr, wenn ihr wüßtet, wie oft ich an den Klosterfrieden zurückdenke.“

      „Möchtest du wieder in den Orden zurücktreten?“

      „Ach, wie gern Herr! Aber kann ich! Jetzt sind es tausend Fäden, damals war es einer, ein einziger. Ich hätte ihn zerreißen können — so!“ Damit nahm er einen dürren Grashalm und zerriß ihn zwischen den Fingern. „So leicht ist es im Anfang, der Lust zu widerstehen. Je später, je schwerer.“

      In diesem Augenblick drang der Ton der Klosterglocke von oben her zu ihnen, tief dunkel, dröhnend, die letzte Tagesstunde anzeigend.

      Unwillkürlich blieben beide stehen und lauschten. Beide zählten die Schläge, einen nach dem andern.

      Nachdem der letzte Schlag verklungen war, begann Wogiswera wieder:

      „Seht, Herr, es ist im Leben gerade wie hier. Ein Schlag ist wie der andere, — einfach ein Schlag. Zählt ihr aber mit, so bekommt eben ein Schlag Sinn und Wert aus dem andern. Was ist der letzte Schlag anderes wie der erste? Ein Schlag schlechthin. Habt ihr aber vom ersten Schlag ab mitgezählt, so ist es der höchste Schlag, den es schlägt. So ist es im Leben, Herr. Es ist eines wie das andere, ein Schlag schlechthin. Zählt man aber mit, so bekommt eines aus dem anderen Sinn und Bedeutung und je länger man mitzählt, um so höher wird der Wert. Man muß sich nun fügen. Es ist zu spät jetzt. Bin ich mehr als der Buddha! Er verließ ein Söhnchen, kann ich fünf verlassen?“

      „Habt ihr fünf Söhne?“ fragte Suriyagoda zerstreut.

      „Das nicht Herr. Ich meine nur so. Fünf Kinderchen.“

      Er schwieg und Suriyagoda verfiel wieder in sein Grübeln.

      Plötzlich begann er:

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