Название: Aus dem Reiche des Buddha
Автор: Paul Dahlke
Издательство: Bookwire
Жанр: Сделай Сам
isbn: 9783754183458
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„Weiß denn der Alte unten, daß es die nämliche ist, wie vor vier Jahren?“
„Sicherlich Herr!“
„War sie denn damals schon ebenso dick?“
„Nicht doch Herr; sie war damals klein.“
„Wie kennt er sie denn wieder?“
„Er weiß es eben, Herr.“
Und wie zur Bekräftigung fügte der andere hinzu:
„Es ist so, Herr.“
Suriyagoda ging weiter und die beiden gingen die Straße entlang. Er hatte nicht das Recht, diesen Menschen zu sagen: „Ihr dürft nicht töten! Laßt das Tier frei! Seid ihr ihm wirklich wohlgesinnt, so wird es nicht beißen.“ Aber wieder deutete er parteiisch. Er dachte bei sich: „Ein Brahmane würde das nicht tun. Er würde eher sterben.“
In der nächsten Nacht hatte Suriyagoda einen Traum. Er sah den verstorbenen Abt, seinen Lehrer, greifbar deutlich vor sich stehen. Der sagte zu ihm:
„Suriyagoda, gehst du früh zum Eßsaal, ohne vorher im Vihara gewesen zu sein?“
Der Mönch erwachte mit einem Schreck, den Traum noch lebendig vor sich. Fast verdrossen fragte er sich:
„Was soll das? Ich bin doch nie zum Eßsaal gegangen, ohne vorher im Vihara gewesen zu sein.“ Aber da sein Gewissen der Lehre wie dem Lehrer gegenüber nicht rein war, so begann er seine Betübungen zu verlängern. Er entzog sich Schlaf, woran er nicht gewohnt war, — denn die Jünger des Buddha sind wohl an ein strenges, aber nicht an ein asketisches Leben gewöhnt — und wurde matt und überreizt dabei.
Die Mönche badeten damals im Naga-Pokana, dem Schlangenbad, so benannt, weil an der Felswand der einen Seite eine mächtige, dreiköpfige Cobra ausgemeißelt war.
Eines Tages geschah es, daß er sein Bad außer der Zeit d. h. gegen Abend nahm und infolgedessen allein badete.
Als er, wie es bei den Mönchen Sitte ist, mit dem losen Untergewand bekleidet, langsam ins Wasser stieg, sah er aus der Tiefe eine weibliche Person sich entgegenschweben, schön wie eine der Asparasen. Als er aber hinblickte, da sah er, daß es sein eigenes Spiegelbild war. Zum ersten Mal fiel ihm auf, wie mager und großäugig er geworden war. Halb belustigt, halb verächtlich lachte er auf:
„Soweit hätte ich es also gebracht, daß ich am hellen Tage von Weibern phantasiere.“
Still setzte er sich auf einen Fels und blickte auf dieses unvergleichliche Landschaftsbild zu seinen Füßen. Die Sonne ging zur Rüste, glorreich wie ein Held, in einen schier überwältigenden Strahlenmantel gehüllt. Über der unendlichen Waldfläche lag ein duftig violetter Schimmer und scharf hoben sich zur Linken die Dagobas von Anuradhapura — das Dreigestirn Ruanweli, Abhayagiri und Jetawanarama — aus dem grünen Meer — die ganze Welt ein einziger, stiller Feiertag.
Er saß da, der Körper gespannt, das Auge rücksichtslos am glühenden Sonnenball hängend. „Was ist dieses Leben ohne ein Göttliches“ sagte er endlich leise, als ob er sich vor dem Schall der eigenen Stimme fürchte. „Eine Nacht in der Fremde.“
Er begann leise den Oberkörper hin und her zu wiegen. Plötzlich wurde er sich dieser seiner Bewegung bewußt. „Weshalb wiege ich denn hin und her wie ein Elefant im Stall?“ dachte er. Dabei fiel ihm jenes Weib ein, das neulich abends liebebettelnd auf seiner Schwelle gelegen hatte. Er sah das Wiegen des flechtenschweren Kopfes, das bis zu den Hüften herab ging. Er hatte alles wohl gemerkt, trotzdem er geradeaus gesehen hatte. Einen Moment wohl durchfuhr es ihn: „Sollte nicht auch das Glück der Umarmung gesucht werden?“ Aber das waren nicht die Bilder, an welchen Suriyagodas Phantasie haftete. Noch ehe ausgedacht, war der Gedanke schon verdrängt von diesem rastlosen Suchen, diesen Qualen seiner großen Liebe.
Als er ins Kloster zurückkehrte, fand er Leute beschäftigt, Ehrenbogen aus Bambus zu errichten. Da es nicht die Zeit des Voll- oder Neumondes war, so fragte er einen dabei stehenden Mönch nach der Ursache. Der sah ihn erstaunt an. „Weißt du nicht, Bruder, daß morgen der neue Abt einzieht?“
Suriyagoda wußte von nichts. Ganz in seinen Gedanken und Zweifeln ertrunken, hatte er diese ganze Zeit wie abwesend gelebt.
Am nächsten Morgen hielt der neue Abt seinen feierlichen Einzug auf dem heiligen Fels, von den Theras in Anuradhapura geleitet.
Fast mit Schrecken sah Suriyagoda, daß es jener Mönch war, mit dem er vor so vielen Jahren von seines Vaters Hause nach Mihintale gezogen war. Die Jahre hatten ihn wenig geändert.
Als er in dieses strenge und doch milde Mönchgesicht sah, fühlte er blitzartig: „Dieser wird Hilfe bringen.“
Einzeln knieten die Mihintale-Mönche vor dem neuen Oberhaupte nieder, mit vor der Stirn gefalteten Händen dreimal den Erdboden berührend. Danach versammelte sich alles in der großen Halle, wo für jeden in zwei gegenüberlaufenden Reihen ein Kissen bereit lag.
Nach dem Range, d. h. nach dem Alter in der Mönchschaft, ließ man sich nieder, so daß die Ältesten im Orden an einem Ende, die Jüngsten am andern Ende zu sitzen kamen.
Suriyagodas Sitz fiel etwa auf die Mitte. Zerstreut und befangen saß er da. Ihm war, als ob der Abt die Augen auf ihn geheftet hielte, er wagte aber nicht hinzusehen.
Plötzlich stand ein jüngerer Mönch vor ihm, der ihm leise sagte, daß der Abt ihn zu sich wünsche. Er blickte hastig auf, da sah er jenen sich zulächeln.
Als Suriyagoda vor ihm kniete, sprach jener nicht sofort. Suriyagoda fühlte, daß er ihn prüfe und wandte das Gesicht so tief zum Boden wie möglich.
Dann begann der andere in einer milden und liebreichen Stimme, die von der Strenge seines Gesichtes merkwürdig abstach, sich nach seinem Ergehen in all diesen Jahren zu erkundigen. Es waren nur wenige leise Worte auf beiden Seiten; dann wurde Suriyagoda mit demselben liebreichen Lächeln entlassen.
Von diesem Augenblick an wurde der junge Mönch nicht mehr von dem Gedanken verlassen: „Dieser kann Hilfe bringen.“ Daneben aber wurmte stets der gleiche Zweifel: „Wenn ich ihn frage und er auch keine Hilfe weiß — was dann?“ So geschwächt war sein Willenssystem, daß er das Bewußtsein einer möglichen Hilfe dem Versuch einer wirklichen Hilfe vorzog.
An den Voll- oder Neumondtagen nahm er sich wohl vor, zu beichten, aber kam es dann so weit, so zerschellten diese Versuche stets an der Frage: „Was soll ich denn nur beichten?“ Das, mit dem er rang, diese Urneigung zu einem Göttlichen, hatte sich für ihn noch gar nicht klar genug, begriffsmäßig formuliert, um es zum Gegenstand einer Beichte zu machen. Überdies beichten mußte man Fehler. Was man beichtet, erkennt man allein durch den Akt des Beichtens als Fehler an. Und dieses Ringen mit dem Göttlichen — war denn das überhaupt ein Fehl? Sagte nicht alles rings um ihn, sagte nicht sein eigenes Dasein immer nur das Eine: „Es muß ein Schöpfer, es muß ein Erhalter da sein!“
Also so geht es mit der Lehre des Buddha, wenn man sie nur mit dem Verstande begreifen will, ohne sie an sich selber zu verwirklichen. СКАЧАТЬ