Jahr der Ratten. L.U. Ulder
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Читать онлайн книгу Jahr der Ratten - L.U. Ulder страница 9

Название: Jahr der Ratten

Автор: L.U. Ulder

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783738017168

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СКАЧАТЬ Grunde war es längst zu spät für eine Reaktion, die alles nur noch schlimmer machte. Aber der Schreck ließ Antoine mit voller Wucht auf das Bremspedal treten. Auf der nassen Fahrbahn blockierten die Räder sofort. Durch die Schlingerbewegung war der Geradeauslauf nicht stabil, die rechte Seite überbremste. Der Lastzug knickte ein, das Heck der Zugmaschine drückte sich ein wenig nach links, wodurch die Front in Richtung des Straßenrandes wies. Der schwer beladene Auflieger schob sie unaufhaltsam weiter in Richtung Graben.

      Antoine ließ die Bremse los und kurbelte wie wild am Lenkrad, aber der einmal in Gang gesetzte Mechanismus ließ sich nicht mehr stoppen. Die Reifen der rechten Fahrzeugseite kamen von der befestigten Fahrbahn ab und gerieten auf den weichen Seitenstreifen, der durch den Regen jegliche Stabilität verloren hatte. Die Räder sackten tief ins Erdreich ein und bremsten den Lastzug bis zum Stillstand sanft ab. Der Lkw aber neigte sich weiter und weiter nach rechts zur Seite. Unentschlossen, als könne er sich nicht entscheiden, was er als Nächstes machen wolle, stand der Zug schief am Fahrbahnrand. Die Gipskartonplatten im Laderaum drückten gegen die Sicherungsgurte und brachten sie zum Reißen. Die Ladung verrutschte nach rechts und schob gegen die Plane. Am Ende dieser Kettenreaktion kippte das Fahrzeug schließlich samt Auflieger wie in Zeitlupe zur Seite in den Graben.

      Danach herrschte eine gespenstische Ruhe. Der Motor war aus, durch den jähen Stopp abgewürgt. Auch der Scheibenwischer versagte seinen Dienst. Nur das Prasseln der Regentropfen auf der nach oben weisenden Seitenscheibe der Fahrertür war zu hören.

      Antoine war durch das Führerhaus gewirbelt worden. Kopf und Knochen schmerzhaft angestoßen, lag er innen auf der Beifahrertür und brauchte eine Weile, um die Situation zu erfassen und den Schock zu verdauen.

      Er schien sich an das splitternde Geräusch zu erinnern, sah auf die Windschutzscheibe. Aber im Dunkel des Grabens ließ sich der Schaden nicht einschätzen, nur undeutlich waren weißliche, bizarr geformte Linien im Glas erkennbar. Vorsichtig fasste er an die zu ihm weisende Eindellung der Scheibe. Er konnte sie mit dem Finger eindrücken, das zersplitterte Glas knirschte dabei.

      Die Delle besaß die Größe eines Kopfes.

      Diese Erkenntnis schien ihm durch den Kopf zu jagen. Hektisch zappelte er, bis er sich drehen und aufrichten konnte. Er stand auf der Innenseite der Beifahrertür und langte so gerade an die Fahrertür heran, seiner einzigen Möglichkeit, das Führerhaus zu verlassen. Mühsam kletterte er weiter nach oben und drückte mit ausgestreckten Armen die schwere Tür nach oben, während gleichzeitig seine Füße auf den Seitenflächen der Sitze Halt suchten. Endlich schaffte er es, wand sich aus dem Türspalt und saß schwer atmend auf der Dachkante des Führerhauses. Augenblicklich war er vom Regen durchnässt. Antoine sprang hinunter auf die Fahrbahn, rutschte aus und schlug schwer auf das Knie. Mit den Händen fing er sich ab, sonst wäre auch das Gesicht unweigerlich auf die Straße geknallt. Beide Hände umfassten das schmerzende Knie, sein Gesicht war zu einer Grimasse verzogen. Fassungslos starrte er auf den im Graben liegenden Lastwagen und schüttelte immer wieder den Kopf. Er humpelte los, nach hinten bis zum Heck.

      Im fahlen Licht konnte er erkennen, dass die Gipskartonplatten beim Verrutschen die Plane durchschlagen hatten. Jetzt lagen sie, ausgebreitet wie riesige Fächer, auf dem Grünstreifen hinter dem Graben.

      Weiter zurück in Richtung der Brücke, lag etwas auf der Fahrbahn.

      Es war kaum zu erkennen und fiel ihm nur auf, weil seine Oberfläche nicht wie die Straße vom Regen glänzte.

      Ein längliches Etwas, dunkel, unnatürlich verdreht.

      Langsam, wie in einem Albtraum, ging er darauf zu.

      Je näher er kam, umso unsicherer wurden seine Schritte mit dem schmerzenden, schräg abgewinkelten Bein. Plötzlich auftauchende und rasch größer werdende Scheinwerfer ließen die Schmerzen verschwinden. Aufgeregt rannte er dem Licht entgegen. Beide Arme über dem Kopf hin und her fuchtelnd lief er auf dem Randstreifen, als ginge es um sein Leben. Im Vorbeilaufen nahm er einen zerschmetterten, entstellten Körper wahr, drehte seinen Kopf zur Seite. Dabei geriet er mit dem Fuß auf einen hellen Gegenstand und knickte um. Der Versuch, sich abzufangen, scheiterte, er rutschte auf einer glitschigen Masse aus und stürzte hart auf den Asphalt. Im gleichen Augenblick rauschten die Räder eines Lastzuges haarscharf an ihm vorbei, die im Sog des Fahrzeuges befindliche Gischt hüllte ihn vollständig ein. Es folgte ein sonderbar schlürfendes, schleifendes Geräusch. Auch dieser Lastzug erwischte den Körper mit ungebremster Wucht und zerstörte das, was noch vorhanden war, vollends.

      Aber der Fahrer hatte mehr Glück als Antoine zuvor. Es gelang ihm, sein Fahrzeug unbeschadet zum Halten zubringen. Weit hinter dem verunglückten Sattelschlepper kam er zum Stehen.

      Mühsam brachte sich Antoine auf die Knie. Er fuhr sich über das Gesicht, überall fühlte er körnchengroße Schmutzpartikel, die der Sog des Lastwagen in der Gischt mitgeführt hatte.

      Ungläubig starrte er auf das, was um ihn verteilt den Boden bedeckte. Eine graue Masse von einer merkwürdigen Konsistenz hatte ihn ausrutschen lassen. Er fühlte über den Asphalt, hielt einen kleinen grauen, wurmähnlichen Gegenstand zwischen seinen Fingern. Dann fiel sein Blick auf dieses seltsame, helle Gebilde, das ihn ausrutschen ließ.

      Als er endlich begriffen hatte, um was es sich handelte, schüttelte er angewidert seine Hand, um das kleine, graue Ding loszuwerden, sprang auf und lief. Ohne Ziel, einfach weg. Er kam nur wenige Meter weit, das Grauen ließ ihn am Straßenrand zusammensacken. Auf den Knien kauernd, die Hände nach vorn gestützt, übergab er sich.

      Es war die Gehirnmasse eines Menschen, in der er gesessen hatte. Das helle Gebilde, das ihn straucheln ließ, war der obere Teil eines Schädels, wie eine halbe Eierschale lag er auf der Straße.

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       5.

      Kapitel 4

       Großglocknerhochalpenstraße, Österreich.

      Der Motor des schweren Motorrades heulte infernalisch auf.

      Dem Fahrer schien es ein riesiges Vergnügen zu bereiten, die Gänge bis zum Einsetzen des Drehzahlbegrenzers auszufahren. Immer wieder drehte er beim Hochbeschleunigen den Kopf zur Seite, um das giftige Motorengeräusch besser aufnehmen zu können. Bei der Einfahrt in die nächste Kurve wechselte das Röhren in zischelnde Fehlzündungen, um gleich danach wieder brutal auf der Tonleiter nach oben getrieben zu werden.

      Florian Rosbacher jagte sein Motorrad die Großglockner-Hochalpenstraße hinauf. Am frühen Morgen war er in Ellmau gestartet, wollte einen seiner letzten freien Tage nutzen. Vor sechs Wochen war er aus seinem Dienst beim österreichischen Bundesheer ausgeschieden, in der nächsten Woche würde er seine neue Arbeitsstelle antreten.

      Jetzt wollte er es noch einmal richtig krachen lassen. Wie von einem unsichtbaren Gummiband gezogen, bewegte er sich auf der kurvenreichen Strecke den Berg hinauf.

      Die Nadeln der Instrumente vollführten bizarre Tänze. In den Kurven berührten die Knieschleifer mit kratzenden Geräuschen den Asphalt. Am Morgen in der Frühe hatte das Wetter noch vielversprechend ausgesehen, aber je näher er der Mautstrecke gekommen war, umso trüber schien es zu werden.

      Aber das störte ihn nicht, solange es nur trocken blieb. Die Kurven waren es, die ihn hergelockt hatten. Die Panoramaaussicht dieser Strecke, der eigentliche Anziehungspunkt für die Mehrzahl der Besucher, interessierte ihn nicht.

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