Beziehungen. Galina Hendus
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Beziehungen - Galina Hendus страница 11

Название: Beziehungen

Автор: Galina Hendus

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783742703521

isbn:

СКАЧАТЬ russisches und kabardinisches Blut hatte sich in Leyla bizarr vermischt und verlieh ihrem Äußeren einen besonderen Liebreiz. Sie hatte die für diese Gegend ungewöhnliche rosig-samtene Haut ihrer russischen Oma und die strahlend blauen Augen ihrer Mutter. Vom georgischen Großvater hatte sie die schlanke Figur und den Gang eines stolzen Menschen geerbt. Schwarzes, glänzendes Haar und die klaren Konturen ihrer vollen Lippen verwiesen auf den kabardinischen Vater. Leyla war sich ihrer nicht alltäglichen Schönheit nicht bewusst, sie hielt sich für eine gewöhnliche junge Frau. Irgendwo anders, in einer großen Stadt, hätte sie mit ihrem Aussehen eine Schauspielerin oder ein Model werden können. Hier aber, in dem kleinen Provinznest mit seinen patriarchalen Gesetzen, bot sich ihr nichts Besonderes an – wobei Leyla sich danach auch keineswegs sehnte. Sie verließ ihren Geburtsort selten, denn sie verspürte keine große Reiselust. Es interessierte sie nicht, was außerhalb ihrer geliebten kaukasischen Heimat geschah, die für sie die beste und schönste Gegend in der ganzen Welt war. Die größte Reise ihres Lebens hatte sie als Teenager unternommen, als sie mit den Eltern ans Kaspische Meer gefahren war. Beim Blick auf die grenzenlose Weite hatte sich das dreizehnjährige Mädchen für sein ganzes Leben in das Meer verliebt. Seitdem war Leyla noch tiefer davon überzeugt, dass alles, was sie umgab, das Beste in der Welt war.

      Junge Frauen werden im Kaukasus früh verheiratet. Dieses ungeschriebene Gesetz stellt dort niemand infrage – und es wird streng eingehalten. Als Leyla fünfzehn Jahre alt war, sprachen ihre Eltern immer öfter miteinander über die Zukunft ihrer einzigen Tochter. Der Vater bestand darauf, dass es nun Zeit war, sich nach einem passenden Bräutigam umzuschauen. Die Mutter war gegen eine frühe Heirat. Die Gespräche verliefen gewöhnlich im Nichts: Jedes Elternteil blieb bei seiner Meinung, die Entscheidung wurde auf spätere Zeiten verschoben. Das Mädchen selbst mischte sich in solche Gespräche nicht ein, sie wusste ja, dass sie zu jung war, ihre eigene Meinung äußern zu dürfen.

      Während ihre Eltern über die Zukunft der Tochter diskutierten, schloss Leyla nicht nur die acht Jahre dauernde Schulzeit ab, sondern begann auch mit der Ausbildung an der Fachschule für Leichtindustrie, um vor der Heirat einen Beruf zu erlernen. Nur ein Jahr trennte die siebzehnjährige Schönheit vor ihrem Abschluss als Buchhalterin, da bereitete das Leben Leyla eine Überraschung.

      Als sie eines Abends nach Hause kam, fand sie in der Küche ihre weinende Mutter vor.

      „Mama, was ist los, warum weinst du?“ Die junge Frau nahm ihre Mutter in die Arme und versuchte, sie so zu beruhigen. „Gab es wieder Streit mit Papa – wegen mir?“

      „Ja, Liebes, wegen dir“, nickte die Mutter. „Der Vater hat einen reichen Bräutigam für dich gefunden und möchte dich verheiraten.“

      „Wer ist es denn?“, fragte Leyla neugierig. Sie kannte die Traditionen ihrer Heimat, deshalb kam ihr nicht in den Sinn, sich gegen die frühe Ehe zu sträuben. „Woher kommt er, wo arbeitet er?“

      „Ach, mein Täubchen, frag mich nicht!“ Die Mutter drückte das Mädchen an ihre Brust. „Du kennst ihn nicht, er ist nicht von hier. Er heißt Aslan und ist ein entfernter Verwandter eines Cousins deines Vaters. Ibrahim hat überall geprahlt, was für ein kluges und schönes Töchterchen er hat. Und kaum hat er dein Foto gesehen, sagt dieser Aslan, dass er dich heiraten will. Seine Frau ist vor zwei Monaten gestorben und er sucht eine Frau, die sie ersetzen kann.“

      „Wie alt ist er denn, wenn er schon Witwer ist?“ Besorgnis war aus der Stimme des Mädchens herauszuhören.

      „Das ist es gerade, er ist schon jenseits der Vierzig und hat drei Kinder. Das wird kein Leben für dich sein, sondern eine einzige Qual!“ Die Mutter begann wieder zu weinen.

      „Ich werde mit Vater sprechen und ihn bitten, die Verlobung um wenigstens ein halbes Jahr zu verschieben. Das wird er mir nicht ausschlagen, wenn er mich schon mit so einem Greis verheiraten will!“

      Leylas Stimme klang entschlossen und ihre Mutter begriff, dass die Tochter die Entscheidung des Vaters nicht ohne Weiteres hinnehmen würde. Neben den klaren Konturen ihrer schönen Lippen und dem wunderbaren tiefschwarzen Haar hatte Leyla den resoluten Charakter ihres Vaters geerbt. Und wie Tamara in diesem Augenblick schon ahnte, gelang es ihrer Tochter schließlich, den Vater zu überreden, die Entscheidung über ihre Heirat um ein halbes Jahr zu verschieben. Der künftige Bräutigam, ein noch recht jung und gutaussehender heißblütiger Mann, war keinesfalls damit einverstanden, so lange warten zu müssen, aber da Leyla darauf beharrte, musste er letztendlich nachgeben. Leylas Vater Ibrahim war über fünfzig und seine Tochter war nicht nur ein spätes, sondern sein einziges Kind, das er über alles liebte. Traditionen hin oder her, auch Leylas Meinung musste berücksichtigt werden. Wenn Ibrahim bloß gewusst hätte, wohin diese Verzögerung führen würde!

      Als Großmutter Irina von dem Vorhaben des Schwiegersohnes hörte, ihre Enkelin mit einem Witwer, der drei Kinder hatte, zu verheiraten, entschloss sie sich, in den Lauf der Ereignisse einzugreifen. Direkt konnte sie jedoch nicht handeln, da ihre Meinung kaum etwas ändern konnte, daher plante sie einen raffinierten Zug. Ohne jemandem etwas zu sagen, schrieb sie an ihre alte Freundin Polina Viktorowna, mit der sie gemeinsam die Kindheit verbracht und das Gymnasium in Petersburg besucht hatte. Seit Irina Pawlownas Familie in den Kaukasus gezogen war, waren viele Jahre vergangen. Die Freundinnen, die sich von Kindheitstagen an kannten, verloren einander für lange Zeit aus den Augen. Erst vor dem Krieg fanden sie sich wieder und standen seitdem im Kontakt. Als sie noch jünger waren, besuchten sie sich häufig gegenseitig, doch in den letzten zehn Jahren standen sie lediglich im Briefwechsel. Jetzt aber lud Irina Pawlowna, ihrem Plan folgend, die Freundin ein, sie zu besuchen, und bat sie, nicht alleine, sondern mit ihrem Enkel zu kommen.

      Polina Viktorownas Enkel hieß Alexander und war achtundzwanzig Jahre alt. Er hatte eine Marineschule in Petersburg absolviert und diente auf einem U-Boot. Seine Eltern waren bei einem Autounfall ums Leben gekommen, als er zwölf Jahre alt war. Seitdem lebte er bei seiner Oma. Irina Pawlowna wusste nicht genau, worin konkret Alexanders Arbeit bestand, und aufgrund ihres Alters war sie nicht besonders darauf erpicht, sich mit etwas zu beschäftigen, von dem sie keine Ahnung hatte. Der Enkel ihrer Freundin war ihr in den Sinn gekommen, als sie vor ein paar Tagen einen Brief von ihr erhalten hatte, in dem jene ihr mitteilte, dass Alexander nach einem Unfall auf seinem U-Boot für ein Jahr beurlaubt worden war, damit er medizinische Rehabilitation in Anspruch nehmen konnte. Nach Ablauf dieser Zeit sollte er ärztlich untersucht werden und seine Offiziersstelle wieder antreten, falls die Ärzte dies bewilligten. Obwohl Irina Pawlowna schon über siebzig war, besaß sie immer noch einen agilen Verstand und rechnete sofort die möglichen Varianten einer Bekanntschaft zwischen Leyla und Alexander durch. Ob sie einander gefallen würden, war augenblicklich weniger wichtig, die Hauptsache war, ihnen die Möglichkeit zu geben, einander kennenzulernen, und dann – wer wusste, was daraus werden konnte? Einerseits bestand eine Chance – auch wenn sie minimal war –, die Enkelin vor einer unglücklichen Ehe mit Aslan zu retten. Andererseits konnte der krankgewordene Enkel ihrer Freundin seine Gesundheit in dem heilenden Klima des Kaukasus kräftigen. Irina Pawlownas Mann, Wachtang Georgiewitsch, war vor zwei Jahren verstorben, sodass sie in dem großen Haus mit Garten nun alleine war. Platz gab es mehr als genug, daher lud sie ihre Bekannte nicht bloß für eine kurze Zeit ein, sondern für so lange, wie sie bleiben wollte.

      Die alte Dame handelte sehr vorsichtig und hielt für alle Fälle ein Argument für ihren Schwiegersohn parat. Sie wusste zu gut, mit welcher außerordentlichen Achtung alten Menschen im Kaukasus begegnet wurde, und zweifelte keine Sekunde, dass Ibrahim nichts dagegen einwenden würde, dass die fünfundsiebzig Jahre alte Polina den Besuch in Begleitung ihres Enkels abstattete.

      Zwei Monate lang rätselte Irina Pawlowna, während sie auf eine Antwort aus Petersburg wartete, wie man dort ihr großzügiges, wenn auch etwas ungewöhnliches Angebot aufnehmen würde. Sie ging jeden Tag mit pochendem Herzen zum Briefkasten, den sie stets mit der Hoffnung öffnete, dort den ersehnten Briefumschlag zu entdecken. Als sie endlich den Brief erhielt СКАЧАТЬ