Автор: Wilhelm Stekel
Издательство: Bookwire
Жанр: Медицина
Серия: gelbe Buchreihe
isbn: 9783752907711
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Das Studium dieser Mythen war von jeher von den Völkerpsychologen eifrig gepflegt worden, da sie berechtigterweise hoffen konnten, vom Mythus aus einen Eingang in das Seelenleben der verschiedenen Völker zu finden. Denn so wie Träume des Menschen sein geheimes Gedankenleben verraten, müssen auch die Mythen uns in unwiderleglicher Weise die Ideale und Wünsche der Völker vor Augen führen. Es zeigte sich ja, dass eine Reihe von Mythen, die bei den verschiedensten Völkern zu verschiedenen Zeiten aufgetreten waren, eine auffallende Ähnlichkeit miteinander aufwiesen, so dass sich einigen Forschern unwillkürlich die Tatsache aufdrängte, die Mythenbildung beruhe auf einem für alle Menschen fast identischen Seelenvorgang. Dagegen glauben andere Mythologen, die Gleichheit der Mythen entstehe durch Überlieferung, Entlehnung oder Wanderung desselben Mythus. Was uns bisher jedoch bei der Mythenforschung fehlte, das war der Zusammenhang der Mythenbildung mit dem Seelenleben des Individuums. Sollte es einmal gelingen, die Brücke von den Traumen des Menschen zu den Träumen der Menschheit zu schlagen, so wäre damit ein bedeutender Schritt nach vorwärts in der Erforschung dieses dunklen Gebietes gemacht.
Man kann es mit Freuden begrüßen dass, diese Verbindung des Sozialen mit dem Individuellen Otto Rank, dem wir schon die feine Studie: „Der Künstler“ (Wien und Leipzig, 1907) verdanken, für ein beschränktes Gebiet der Mythen, nämlich für den „Mythus von der Geburt des Helden“ vollkommen gelungen ist. An einer Reihe von Geburtsmythen weist Rank das Typische, Übereinstimmende dieser Völkerphantasien mit den Phantasien des Individuums in überzeugender Weise nach.
Wir werden bei der Besprechung der Geburtsträume auf die Arbeit Ranks noch zurückkommen. Wir wollten hier nur bei Besprechung der Symbolik diesen Zusammenbang wenigstens streifen; denn Träume und Mythen, Märchen und Sagen, sie sind die gleichen psychischen Gebilde. Man kann einwenden, die Heldensagen seien von Dichtem erfunden, die Märchen habe der dichtende Genius des Volkes geschaffen. Auf diesen Einwand kann ich mit einem treffenden Worte Hebbels antworten: In den Dichtern träumt die Menschheit.
Eine schier unerschöpfliche Fundgrube für die Symbolik bieten die vom bekannten Folkloristen Dr. F. S. Krauss herausgegebene „Anthropophyteia" betitelten Sammelwerke. (Leipzig. Deutsche Verlagsaktiengesellschaft.) Das ungeheure, daselbst aufgestapelte Material bedarf noch der zusammenfassenden Bearbeitung im Dienste der Traumsymbolik. Ich will an einzelnen Stellen auf die Zusammenhänge zwischen der Sprache des Volkes und der des Traumes hinweisen. Auch die Witze bringen uns Kunde aus der Werkstatt des Unbewussten (Vergl: Freud, Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten F. Deuticke 1905).
Ich habe hier nur einige bescheidene Proben gegeben, die uns die Bedeutung der sexuellen Symbolik darlegen sollen. Wir können keine Traumanalyse schreiben, ohne die Erotik zu berücksichtigen. Es gibt eigentlich keinen anerotischen Traum.
So gewaltig ist die Macht des Geschlechtstriebes, dass er uns vielleicht keine Sekunde unseres Lebens aus seinem Bann lässt. Wir werden später an den plötzlichen Träumen, an den hypnagogen Bildern (Träumen vor dem Einschlafen) sehen, wie das Sexuelle eigentlich beständig auf den Moment lauert, sich des Menschen zu bemächtigen.
Die Symbolik des Traumes ist hauptsächlich eine sexuelle. Wenn in den folgenden Zeilen das Erotische die Hauptrolle spielen wird, so ist es nicht meine Schuld. Ich kann nichts anderes tun, als das Material, das ich habe, auszubreiten. Ich habe bis heute noch keinen Traum gefunden, der keine sexuelle Beziehung aufweist. Noch einen Faktor gibt es, der eine bedeutende Rolle im Traumleben spielt: Das Kriminelle. Der geheime Verbrecher in uns tobt sich im Traume ans. Doch das Kriminelle steht fast immer im Dienste des Sexuellen. Vielleicht ist jeder Verbrecher ein Sexualverbrecher — vielleicht. — Ich hoffe in den folgenden Kapiteln den Beweis zu erbringen, dass wir das Erotische nicht in den Traum hineinlegen. Wir unterstreichen es nicht einmal. Es ist einfach da. Wer offene Augen hat, der muss es sehen, dass die Symbolik in unserem Geistesleben die wichtigste Rolle spielt.
Warum gebrauchen die Menschen so selbstverständlich die Symbolik in den Witzen und haben ein so feines Verständnis für die symbolischen Anspielungen des Flirts? Mit Recht macht Hitschmann (Dr. Eduard Hitschmann, Freud‘s Neurosenlehre. Leipzig und Wien, Franz Deuticke 1911) aufmerksam, „dass dieselben Menschen in der zynischen Stimmung der Kneipe, des Kabaretts und bei der Lektüre des Witzblattes plötzlich ausreichend über das Verständnis für die Sexualsymbolik verfügen!"
Was für einen Sinn hätte es, sich vor den Tatsachen des Lebens zu verschließen, weil sie uns nicht passen? Dieses Buch ist eine Darstellung von Tatsachen. Wer es mit Phantasterei und Gedankenarbeit abtun wollte, täte mir und der Traumdeutung Unrecht...
Doch wiederholen wir die gewonnenen Erkenntnisse. Sie lauten: Der Traum ist eine Wunscherfüllung und ist deutbar. Der Traum spricht eine symbolische Sprache und ist erst in die Sprache des Alltags rückzuübersetzen. Der Inhalt der Träume ist fast immer ein sexueller.
Mit diesen Kenntnissen ausgerüstet wollen wir an die Analyse eines großen Traumes gehen.
* * *
Der Traum vom Telephon
(Analyse eines einfachen Traumes.)
Hebbel macht in seinen Tagebüchern die Bemerkung: „Wenn sich ein Mensch entschließen könnte, alle seine Träume ohne Unterschied, ohne Rücksicht, mit Treue und Umständlichkeit und unter Hinzufügung eines Kommentars, der dasjenige umfasste, was er etwa selbst nach Erinnerungen aus seinem Leben oder seiner Lektüre an den Träumen erklären könnte, niederzuschreiben, so wurde er der Menschheit ein großes Geschenk machen. Doch so, wie die Menschheit jetzt ist, wird das wohl keiner tun; im Stillen und aus eigener Beherzigung es zu versuchen, wäre auch schon etwas wert.“
Ich habe solche Tagebücher gesehen. Sie nützen uns nicht viel, weil wir die geheime Symbolik des Träumers nicht kennen.
Der große Fortschritt der Freudschen Traumdeutung besteht eben in dem Umstand, dass sie ein neues Hilfsmittel zur Deutung der Träume eingeführt hat; den Einfall des Träumers. Auf dem Wege der Assoziationen fällt dem Träumer das traumbildende Material ein. Doch der Einfall versagt manchmal. Dem Träumer fällt wiederholt aus Gründen innerer Widerstände gar nichts ein. Über diesen toten Punkt hilft uns die Kenntnis der Traumsprache und der Symbolismen hinweg. Je einfacher das Geistesleben eines Menschen ist, desto einfacher sind seine Träume. Es gibt eine große Zahl von Träumen, für die die Forderungen Hebbels passen. Kennt man das Leben der Träumer, so versteht man, was sie ausdrücken wollen. Es gibt auch Traume, die ihren Inhalt verraten, ohne dass man etwas aus der Lebensgeschichte des Träumers erfahren hat.
Hier zweigen meine Forschungen von Freud ab. Freud legt das größte Gewicht auf das Material, das hinter der manifesten Traumfassade aufgestapelt ist. Ich habe mich bemüht nachzuweisen, dass der manifeste Trauminhalt uns schon das Wichtigste vom Inhalt, von den latenten Traumgedanken verrät. Auf diesem Wege bin ich zu überraschenden Resultaten gekommen. Ich habe Zusammenhänge gefunden (z. B. die Symbolik des Todes), die ich nie und nimmer von den Einfällen des Träumers erfahren hätte. Ich habe die Traumdeutung unabhängiger vom Willen des Analysierten gemacht. Das geht nicht bei allen Träumen. Denn wie schon gesagt: Die Träume sind verschieden aufgebaut. Einfache Menschen haben andere Träume als komplizierte Naturen. Der Traum besteht aus einzelnen Traumstücken, die sich zu einem Ganzen — eben zum Traumbild zusammensetzen. Die Analyse eines Traumes muss von der Analyse der einzelnen Traumelemente ausgehen.
Doch СКАЧАТЬ