Название: Der Werwolf
Автор: Alexis Willibald
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783752933741
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Wie Tezel in Frankfurt disputiert hat, im Winter 1518, dreihundert Mönche und Kleriker ihm zur Seite; wie, wenn er den Mund auftat, sie ihm Pergas! zuschrieen; wie wenn der Opponent nur einfiel, ein Murmeln, gleich fernem Donner durch den Saal lief; wie es ausbrach zu einem Gewittersturm, wenn der Dominikaner von der Kraft der Beredsamkeit des anderen ins Stocken geriet; wie der Rektor Wimpina hinter dem Disputierenden auf dem hohen Katheder jetzt mit den Augen blinzelte und Winke gab, jetzt sich erhob und zur Ordnung schrie; wie Tezel, wo ihm die Gründe ausgingen, das Maul aufriss, lateinische Verwünschungen auf die Ketzer brüllend, und mit den Fäusten auf das Pult schlagend; wie endlich mitten im Getöse Wimpina sich wie ein Jupiter erhob. Blitze schleudernd aus den Augen, donnernde Befehle aus dem Munde, und am letzten Tage unter furchtbarem Geschrei der Parteien den Doktorhut dem Baccalaureus auf die Stirn drückte, – im Augenblick, meinten viele, wo er den Gründen seines bibelkundigen Gegners erliegen musste; wie dazu die zwei Drommeter aus der Galerie schmetterten, die Pauken draußen wirbelten, vor dem Ausspruch der Autorität: dass er gesiegt habe, der loyale Widerstand verstummen musste; – aber das ist in der Historie vielfach erzählt.
Unsere Geschichte weiß nur, wie ein Opponent – Johannes Knipstrow, ein Student der Theologie aus Pommern, der bei den Franziskanern die untern Weihen empfangen – als dieser Opponent, um einmal Luft zu schöpfen, aus dem gepresst vollen Saale hinaus wollte, beim Durchdringen beschimpft und gestoßen wurde. Die am Eingange, die nur den Lärm gehört, meinten er sei überwunden, und fliehe; sie sahen geballte Fäuste, sie hörten die Schimpfworte: „Lügenbrut, Heiligenschänder!“ Waren sie nun einstudiert, oder war es die Wut des Fanatismus, sie wollten es auch nicht an sich fehlen lassen. Also griffen auch sie zu, und drängten und stießen ihn. Sie hätten ihn vorn die Freitreppe hinuntergestoßen, wenn nicht der kurfürstliche Abgeordnete zur rechten Zeit gekommen wäre. Entweder hatte er vom Lärmen gehört, oder es war ihm auch zu heiß drinnen geworden. Mit festen Worten wies der Ritter die Grimmigen zurecht, dass sie hier seien mit dem Munde und nicht mit den Fäusten zu disputieren. Wenn auch die nächsten gehorchten, die entfernteren schrieen: „Er ist ein Gotteslästerer, ein Ketzer!“ Die Studenten, die in Landsmannschaften in ihrer bunten Feiertracht ums Haus standen, schrieen drein, sie wollten in Frankfurt rechte katholische Lehre, keine Wittenberger Ketzereien, kein augustinisches Spülwasser. Die Weiber, das Volk schrie es nach. Die Trompeten und Pauken riefen wie zum Tumult auf, von den Dächern, die voll Buben waren, flogen Schneebälle herab. Der Ritter, der ein stattlicher Mann war, und mit gar keiner Miene, als ob er sich schrecken lasse; aber auch ein solcher Mann, wenn er einzeln kann, gegen eine grimmige Menge nichts ausrichten, noch mocht' er's – denn ehedem schrieen die Diener der Fürsten nicht gleich über Aufruhr und verletzte Autorität, wo das Volk einmal laut wurde –- der Ritter, sage ich, schlug den Mantel zurück und fasste den Knipstrow unter den Arm. So führte er ihn durch die Tobenden, bis wo die Pommeranen standen. Denen übergab er ihn: „Ist Euer Landsmann, Ihr werdet für ihn sorgen.“ Damit schritt der Herr wieder durch die Volksmassen nach dem Rathause. Sie wichen ihm respektvoll aus: „Der Marschall Bredow!“ Die Pommeranen aber hatten vorhin am lautesten geschrieen: „Vivat Tezel! Schlagt den Ketzer aufs Maul!“ Sie hatten nicht gewusst, dass, der so beredt gesprochen ihr Landsmann war. Nun schrieen sie: „Vivat Knipstrow! Vivat Pommerania!“ So drängten sie, die blanken Hieber überm Kopf, den Landsmann in ihrer Mitte, durchs Volk. Anfangs wollten sie ihn nur nach ihrem Konvikt salvieren, dann, als alle vor ihren Hiebern und entschlossenen Mienen wichen, gefiel's ihnen; sie zogen mit Absicht durch die vollsten Gassen, wie im Triumph, immer schreiend: Vivat Knipstrow! Vivat Pommern! Vivat libertas academica!“ Das Volk schrie mit, denn das Schreien steckt an; die schrieen Vivat Tezel! Die Vivat Knipstrow! Am Ende meinten sie, es wäre dasselbe!
Lärm überall, auf den Gassen, vor und in der Kirche, wo der Ablass verkauft ward, sogar im Rathause, wo etliche angesehene Herren beisammenstanden. Einer, der sich mit Mühe aus der Kirche gedrängt, erzählte, wie sie sich fast prügelten, um die Briefe zu kaufen. Sein Schreiber hatte berechnet, wie viel Geld in einer Stunde eingekommen. Die ernsten Herren schüttelten die Köpfe.
„Das muss selbst auf die Maße von Einfluss sein.“
„Und bleibt im Land kein Pfennig sitzen. Er lässt sich überall füttern,“ sagte der von Belkow.
„Ist ein schmutziger, geiziger Kerl“, erwiderte der Patricier und Handelsherr, Herr Petersdorf.
Der Stadtpfarrer war auch zugegen: „Ich meine, der Nachteil, den dieses Spektakulum auf die Sittlichkeit unserer Stadt übt, ist noch gefährlicher, und wird sich erst zu unserem Schrecken ausweisen. Nicht nur, dass die Beichtstühle meiner Herren Konfratres leer stehen, aber es greift an unsere Autorität. Zwei der gefährlichsten Marktdiebe, so nach jeder Messe zu mir kamen, und gewissenhaft beichteten, wiesen mir noch eben hohnlachend ihre erkauften Briefe. Sie hätten auf drei Jahre Ablass im Voraus, und sollt' ich mich nicht wundern, so sie nicht zur Beichte kämen.“
Der Bürgermeister Weise warf sich in eine vornehme Stellung: „Das ist für die Sicherheit der Stadt höchst bedenklich.“
„Gewiss,“ entgegnete der Propst, „denn obwohl die Diebe in der Regel erst dann zur Beichte kamen, wenn sie die gute Hälfte durchgebracht, so vermittelte ich's doch, dass sie die andere, wenigstens zum größeren Teil, den Bestohlenen restituierten. Man musste es allerdings in einer Handelsstadt nicht zu genau nehmen, sonst wären sie gar nicht wiedergekommen.“
„Und“, sagte ein Professor juris, „ein solch Geschwätz auf dem Katheder ist mir noch nicht fürkommen. Eine Latinität und keine Quantität richtig, wenn ihm Wimpina nicht in den erschrecklichsten Fällen zuflüstert. Dieser Doktorhut geht der Universität an Fauna und Reputation.“
„Ihr lieben Herren,“ sprach des Kurfürsten Kommissarius, der zugetreten war, „wenn dem so ist, ich versteh' es nicht, aber was ludet Ihr ihn denn ein? Ihr Herr Propst, ließet läuten; Ihr, Bürgermeister, hieltet ihm gar eine Anrede.“
Der Bürgermeister und der Propst zuckten die Achseln, was so viel sagen sollte, als: „Wir konnten nicht anders, die Umstände –“,
„Wer hätte nicht einmal geirrt,“ sprach der Ritter freundlich. „Nun wisst Ihr's besser. Wenn's dem Gemeinwesen schädlich, wie gesagt, ich versteh' es nicht, wenn aber Eure Meinung so ist, was duldet Ihr's länger?“
Der Professor barg den Kopf zwischen den Schultern und brachte in eigenem Ton den Namen Wimpina vor.
„Der ist Rektor der Universität aber nicht der Stadt –“,
Die Herren sahen sich wieder lächelnd an: „Aber bei Hofe sehr angesehen,“ sagte der Konsul und verneigte sich bedeutungsvoll gegen den Ritter „wenn auch nicht in so hoher persönlicher Gunst wie mein Herr von Bredow.“
„Was tut das zur Sache! Ihr habt's mit Eurer Stadt und nicht mit dem Wimpina zu tun, und СКАЧАТЬ