Название: Zapfenstreich für Österreich
Автор: Ralos Znarf
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783750238565
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„Ich weiß jetzt nicht...“ Sie sah ihn fragend an.
Sein Blick fixierte den blauen Fleck; angeekelt und verärgert verzog er das Gesicht.
„Ich mag das nicht sehen! Pfui Teufel!“ Er wendete sich ab. „Tu irgendwas drüber! Aber nix anziehen! Nimm ein Makeup.“
Sonja stand eingeschüchtert auf und setzte sich an den Schminktisch. Sie nahm ein Gefäß zur Hand, das eine cremeartige, hautfarbene Grundierung beinhaltete. Sie strich ein wenig davon über den dunkelblauen Untergrund, musste aber einsehen, dass ihr Makel nicht ganz überdeckt war. Sie verteilte noch mehr von dem Kosmetikum an der betroffenen Stelle. Jetzt konnte man zwar keinen Farbunterschied mehr erkennen, aber es hatte sich eine kreisförmige, dreidimensionale Struktur gebildet.
Sie legte sich wieder aufs Bett und fragte: „Isses jetzt in Ordnung?“
Bruno, der währenddessen seinen Kopf zur Seite gewendet und die Augen geschlossen gehalten hatte, öffnete diese nun misstrauisch und prüfte ihre Erscheinung.
„Pfoah! Nein! Das ist ja total schiach! Grauslich!“
Sonja sah ihn verständnislos an.
„Schau mich nicht so an!“ warf er ihr zu. „Wenn was so ungustiös ist, dann kann ich wirklich nicht! Ich bin doch kein Neandertaler!“
Missmutig verließ er das Schlafzimmer.
„Wo willst Du hin?!“ rief Sonja und Angst krallte ihr Herz.
„Ich zieh mich jetzt an und dann gehe ich!“ kam es aus dem Bad.
Sonja krümmte sich auf dem Bett zusammen und herzzerreißendes Schluchzen entrang sich ihrer Brust.
Kurz darauf hörte sie einen Aufschrei.
„Nein! Nein! So ein Mist!! Das darf doch nicht wahr sein!!! Scheiße!!“
Sonja fuhr hoch: „Was ist denn?“
Sie lief ins Badezimmer.
Dort stand Bruno vor der geöffneten Waschmaschine und hielt fassungslos sein rohseidenes Hemd und die Boxershorts in den Händen.
„Was hast Du denn?“ Angstvoll zitterte Sonjas Stimme.
„Was ich habe?! Schau doch einfach nur her, dann weißt Du’s!“
Hatte Sonja vergessen den Schongang zu wählen? Oder hatte die Trocknerfunktion einen Defekt?
Die edlen Kleidungsstücke schienen eingegangen zu sein und der farbige Glanz war einer grauen Stumpfheit gewichen.
„Die Sachen sind hin! Total im Arsch! Weißt Du eigentlich was ich dafür bezahlt habe?!“
Sonja versuchte einen beruhigenden Ton zu treffen.
„Zieh die Sachen doch einmal an? Vielleicht ist es ja gar nicht so schlimm...“
Grunzend versuchte er die Wäsche anzulegen. Doch das nunmehr poröse Material gab nach und zahllose Risse degradierten die einst so feinen Stücke zu wertlosen Fetzen.
Konsterniert betrachtete Bruno sein Spiegelbild.
„Bruno...Es tut mir so leid...Ich weiß auch nicht...Ich hab doch auch so viel Seide...Mir ist das noch nie passiert.“
Und wieder kullerten Tränen über ihre Wangen.
„Hör bitte mit dieser Heulerei auf! Deine widerliche emotionale Erpressung zieht bei mir nicht!“
„Bruno...!“
„Ruhe jetzt!“
Er riss sich die Wäsche vom Leib, warf den Stoff achtlos zu Boden, suchte seinen Anzug zusammen und zog ihn über. Dann schlüpfte er in die Socken, die von Sonja säuberlich zusammengefaltet danebenlagen, begab sich ins Vorzimmer, zog die Schuhe an und sagte:
„Ich bin fassungslos!“
In der Tür stehend wandte er sich noch einmal zu Sonja, die ihm angsterfüllt nachgetrippelt war und meinte tonlos: „...und lass Dir ja nicht einfallen, mich anzurufen.“
Dann zog er die Tür zu.
Sie stand wie erstarrt. War das jetzt ein Albtraum? Innerlich leer, verlor sich ihr Blick in der Struktur des Teppichbodens. Das Grauen des Alleinseins formte sich zur konkreten Vorstellung. Hätte sie doch die Möglichkeit einer Aussprache mit Bruno!
Da! Als hätte eine höhere Macht ihr Flehen erhört, erklang das Klingeln des Handys. Sie hastete hin und sah auf dem Display 'Bruno' leuchten. Mit zitternden Händen stellte sie die Verbindung her.
„Ja? Bruno?!“ In hoffnungsvollem Außer-sich-Sein hauchte sie den Namen.
„Sonja?“ Seine Stimme klang sachlich gefasst: „Wie komme ich denn bei der Haustür raus?“
„Rechts an der Wand ist ein Kippschalter....“ antwortete sie kleinlaut.
„Ah ja!“ Im Telefon hörte sie ein surrendes Geräusch.
„Bruno...“ Doch die Verbindung war unterbrochen.
Durch ein gassenseitiges, geöffnetes Fenster nahm sie die Startgeräusche des Lancia wahr. Es folgte das Aufkreischen dessen überdrehter Maschine, die, in den roten Bereich gepeitscht, nach Hilfe schrie. Dies wurde plötzlich durch das enervierende Ruckeln des abgewürgten Motors konterkariert. Dreimal starb der Wagen ab und musste neu gestartet werden, ehe Bruno es dann doch schaffte ihn auszuparken - und die hochtourige Gequältheit des Lancia verlor sich in der Ferne.
Sonja schwankte ins Schlafzimmer und warf sich aufs Bett, wo sie laut aufschluchzte: „Nein! Nein! Nein! Ich hasse mich!“
Nach einer etwa fünfminütigen Litanei der selben Worte setzte sie sich auf, wobei die rechte Hand an ihrem Makelpunkt streifte. Hautfarbene Schminke haftete nun an ihren Fingern und verunstaltete auch die azurblaue Satinbettwäsche. Angeekelt nahm sie ein Kleenex aus der Pappschachtel, die auf dem Nachtkästchen stand.
Mit selbstzerstörerischer Energie rieb sie das Makeup von ihrer Haut.
Sie steigerte sich in einen autoaggressiven Wahn und versuchte auch den blauen Fleck wegzureiben. Sie rieb und rieb; in ihrem Selbsthass spürte sie keinen Schmerz. Nach einiger Zeit zerknüllte sie das Papier und warf es fort.
In blinder Wut schrie sie auf, krallte die Nägel des rechten Zeige-, Mittel- und Ringfingers unterhalb des blauen Flecks in ihr Fleisch und riss die Hand aufwärts.
Drei tiefe Wunden durchzogen nun streifenartig und blutrot den blauen Grund.
Restpartikel des Makeup gelangten in die Wunden und bescherten eine oberflächliche Infektion.
So blieben ihr, der Makellosen, für den Rest des Lebens drei Narben; ein ewiges Mahnmal ihrer Entgleisung.
Sie ließ die Wunden einfach bluten, warf sich auf den Rücken und starrte an die Decke. Die Sehnsucht nach Bruno wurde unerträglich.
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