Название: Steuerstrafrecht
Автор: Johannes Franciscus Corsten
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Heidelberger Kommentar
isbn: 9783811406506
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(e) Geldverkehrsrechnung: Die Geldverkehrsrechnung ist eine Abwandlung der Vermögenszuwachsrechnung, bei der die Zu- und Abflüsse analysiert werden (anstelle des Vergleichs des Vermögensbestandes zu unterschiedlichen Zeitpunkten). Sie gilt, sofern die hohen Anforderungen der Rspr. an diese Schätzungsmethode[595] beachtet werden, steuerlich als so zuverlässig, dass sie das (formell ordnungsgemäße) Buchführungsergebnis im steuerlichen Verfahren widerlegen und in Höhe der errechneten Fehlbeträge nicht verbuchte Betriebseinnahmen bzw. einen Saldo nicht verbuchter Betriebseinnahmen/Betriebsausgaben nachweisen kann.[596] Der 1. Senat des BGH hat auf die erhöhten Anforderungen an die Schätzung (auch) im Hinblick auf die Geldverkehrsrechnung hingewiesen. Im Urteil muss nachvollziehbar dargelegt werden, warum sich das Gericht für diese verhältnismäßig grobe Schätzungsmethode entschieden hat, insbesondere, dass keine konkretere und damit genauere Schätzungsmethode zur Verfügung stand. Zudem muss ausgeschlossen werden können, dass die durch die Geldverkehrsrechnung ermittelten Bargeldüberschüsse aus einer Bargeldreserve stammen könnten.[597]
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(f) Chi-Quadrat-Test: Der sogenannte Chi²-Test ist eine stochastische Methode zur Überprüfung der Buchführung des Steuerpflichtigen, z.B. bei den Betriebseinnahmen. Die Methode analysiert die Verteilung bestimmter Ziffern und basiert auf der Erkenntnis, dass jeder Mensch unbewusst Sympathien für oder Antipathien gegen bestimmte Zahlen hat. Bei größeren Zahlenkolonnen besteht die Wahrscheinlichkeit, dass jede der Ziffern 0-9 mit einer Häufigkeit von 10 % vorkommt. Bucht ein Unternehmer nicht die tatsächlichen Zahlen, sondern manipulierte Zahlen, führen psychologische Faktoren oft zu einer abweichenden Häufigkeit, die der Chi2-Test ermittelt. Der Test kann jedenfalls dann keine aussagekräftigen Ergebnisse liefern, wenn eine abweichende Verteilung z.B. auf der Preisgestaltung des untersuchten Unternehmens beruht.[598] Der Test allein ist – selbst wenn er eine Manipulationswahrscheinlichkeit von 100 % ergibt – nicht geeignet, den Nachweis dafür zu erbringen, dass die Buchführung nicht ordnungsgemäß ist.[599]
(3) Verwertung von angekauften Daten-CDs
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In der jüngeren Vergangenheit ist ein heftiger Streit um die Frage ausgebrochen, ob die Finanzbehörden sog. Steuer-CDs mit Angaben zu Kunden ausländischer Banken ankaufen und daraufhin auswerten dürfen, ob sich darauf Daten zu im Inland steuerpflichtigen Personen finden, die keine entsprechenden Kapitalerträge erklärt haben (s. dazu auch § 385 Rn. 35 ff. und § 397 Rn. 46 ff.). Das BVerfG hat in einem Fall liechtensteinischer Finanzinstitute kein Verwertungsverbot angenommen. Ein solches sei zwar zumindest bei schwerwiegenden, bewussten oder willkürlichen Verfahrensverstößen, bei denen die grundrechtlichen Sicherungen planmäßig außer Acht gelassen worden sind, geboten. Ein absolutes Beweisverwertungsverbot unmittelbar aus den Grundrechten sei aber nur in den Fällen anerkannt, in denen der absolute Kernbereich privater Lebensgestaltung berührt ist.[600] Beweismittel, die von Privaten erlangt wurden, seien – selbst wenn dies in strafbewehrter Weise erfolgte – grundsätzlich verwertbar.[601] In dem zu entscheidenden Fall hat das BVerfG die Annahme, der Bundesnachrichtendienst sei gezielt eingesetzt worden, um Zufallsfunde für nicht nachrichtendienstliche Zecke zu erlangen, als durch nichts belegt erachtet.[602]
4. Kausalität und objektive Zurechnung
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Der Taterfolg des § 370 Abs. 1 muss durch eine der Tathandlungen („dadurch“) herbeigeführt werden. Nach der im allgemeinen Strafrecht entwickelten „Conditio-sine-qua-non“-Formel ist eine Handlung für den Erfolg kausal, wenn sie nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele.[603] Für Unterlassungstaten wird die Formel ebenfalls angewendet, mit dem Unterschied, dass die Handlung nicht hinzugedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele. Verschweigt der Täter bspw. einen Teil seiner Einkünfte und wird entspr. seiner Erklärung veranlagt, so wäre die zu niedrige Festsetzung ohne die falsche Angabe nicht erfolgt. Nicht abzustellen ist darauf, dass bei gänzlich unterlassener Erklärung gar keine Festsetzung erfolgt und damit ebenfalls bzw. in noch größerem Umfang Steuern verkürzt worden wären.
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Weitere Voraussetzung über die reine (Mit-)Verursachung hinaus ist, dass der Täter ein rechtlich missbilligtes Risiko für den Erfolg gesetzt hat, das sich vorhersehbar im Erfolgseintritt verwirklicht.[604] Trifft die Finanzbehörde Ihre Entscheidung nicht auf der Grundlage der unterbliebenen oder der ihr gegeben falschen Informationen, ist die Tathandlung für den Erfolg nicht kausal. Gibt also bspw. der Steuerpflichtige eine Einkommensteuererklärung ab, in der er Einkünfte verschweigt, nimmt das Finanzamt die Erklärung aber nicht wahr, sondern schätzt die Besteuerungsgrundlagen, so ist für ein daraus resultierendes falsches Ergebnis die Erklärung des Steuerpflichtigen nicht kausal. Er kann sichdann mangels ihm zurechenbaren Erfolges nur eines Versuchs strafbar machen. Nimmt das Finanzamt allerdings die als falsch erkannte Erklärung zum Anlass, die Einkünfte zu schätzen, so ist ihm eine wegen fehlerhafter Schätzung zu niedrige Festsetzung zuzurechnen, da vorhersehbar ist, dass eine Schätzung zu unzutreffenden Ergebnissen führt.
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Deklariert der Steuerpflichtige seine Einkünfte aus mitunternehmerischer selbstständiger Arbeit in der Gewinnfeststellungserklärung zwar in zutreffender Höhe, in der zeitgleich abgegebenen Einkommensteuererklärung aber zu niedrig, unterbricht die rechtsfehlerhaft unterbliebene Auswertung des Grundlagenbescheids durch das Finanzamt nach Ansicht des BGH nicht den vom Steuerpflichtigen in Gang gesetzten Kausalverlauf, da die Nichtauswertung keine neue, von den Angaben des Steuerpflichtigen unabhängige Ursache setzt, sondern die falschen Angaben unberührt lässt.[605]
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Der Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO setzt – anders als der Betrugstatbestand des § 263 StGB – keine Täuschung und keinen Irrtum des zuständigen Finanzbeamten voraus.[606] Das ergibt sich abgesehen vom abweichenden Wortlaut des § 370 AO gegenüber § 263 StGB auch daraus dass die Regelbeispiele des § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 und Nr. 3, Steuerhinterziehungen erfassen, in denen ein Amtsträger bei einer Steuerhinterziehung seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger missbraucht. Dieser Amtsträger kann СКАЧАТЬ