Название: Steuerstrafrecht
Автор: Johannes Franciscus Corsten
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Heidelberger Kommentar
isbn: 9783811406506
isbn:
214
Im Rahmen der Verteidigung gilt es insbesondere, zu überprüfen, ob die Einordnung des geprüften Unternehmens innerhalb der Richtsatzsammlung zutreffend nach Branche, Größe, Organisation usw. erfolgt und darzulegen, welche Besonderheiten des Betriebes eine Unterschreitung der Richtsätze im Einzelfall plausibel erscheinen lassen. Unter Umständen lässt sich auch die Richtigkeit oder Genauigkeit der Werte der Richtsatzsammlung angreifen (z.B. weil die für eine Unternehmensart zu Grunde gelegte Datenbasis nicht repräsentativ ist).
215
Die Unterschreitung der Richtsätze genügt allein genommen weder steuerlich noch strafrechtlich, um eine Steuerverkürzung zu unterstellen, die Buchführung zu verwerfen oder eine Schätzung vorzunehmen. Hinzukommen müssen vielmehr weitere Indizien,[584] wie im Besteuerungsverfahren bspw. gravierende Buchführungsmängel und strafrechtlich konkrete Hinweise auf die Verkürzung von Steuern, wie etwa nachweisbar „schwarz“ erfolgte Einkäufe. Für die Schätzung der Höhe nach kann die Richtsatzsammlung heran gezogen werden, wenn dies plausibel und wirtschaftlich vernünftig erscheint und die Besonderheiten des Strafverfahrens beachtet werden.[585]
216
Der Vergleich mit den Kennzahlen eines einzelnen anderen Betriebes (Einzelbetriebsvergleich) kommt wegen der damit verbundenen Unsicherheiten (u.a. darüber, ob die Vergleichszahlen richtig und repräsentativ sind) zumindest strafrechtlich nicht in Betracht.[586] Das gilt umso mehr, als Einzelheiten des Vergleichsbetriebes wegen des Steuergeheimnisses nach § 30 grundsätzlich nicht offen gelegt werden dürften, so dass der Beschuldigte sich nur beschränkt verteidigen könnte.
217
(b) Interner Betriebsvergleich: Beim internen oder inneren Betriebsvergleich werden die Vergleichswerte des geprüften Unternehmens (z.B. Umsatz, Wareneinsatz, Personalkosten, Rohgewinn, Reingewinn) verschiedener Besteuerungszeiträume gegenüber gestellt und miteinander verglichen. Kommt es über die Jahre zu Schwankungen der Werte, begründet dies den Verdacht von Unregelmäßigkeiten, sofern sich die Schwankungen nicht mit tatsächlichen Veränderungen im Betrieb (wie z.B. saisonale Schwankungen, Einstellung oder Entlassung von Personal, Reduzierung des Warenverlusts usw.) erklären lassen.
218
Mit Hilfe der mathematisch-statistischen Methode des Zeitreihenvergleichs von Umsatz und Wareneinsatz wird überprüft, ob eine wochenweise Untersuchung der Rohgewinnaufschläge eines Betriebs schlüssig zum durchschnittlich erklärten Rohgewinnaufschlag des Kalenderjahres führt. Der wöchentliche Wareneinsatz wird aus den Wareneinkäufen, wie sie sich aus den Eingangsrechnungen für diesen Zeitraum ergeben, abzüglich Pauschbeträgen für unentgeltliche Wertabgaben ermittelt. Dabei wird davon ausgegangen, dass Waren zeitnah verbraucht werden und es keine nennenswerte Vorratshaltung gibt. Der höchste Rohgewinnaufschlagsatz, der sich für einen 10-Wochen-Zeitraum ergibt, wird dann auf den für das Jahr erklärten Wareneinsatz angewendet. Wegen verschiedener methodisch bedingter Ungenauigkeiten einerseits sowie der (aufgrund extrem umfangreicher Datenmengen, die der Auswertung zugrunde liegen) fehlenden Möglichkeit zur Nachprüfung durch den Steuerpflichtigen andererseits, hat das Ergebnis schon steuerlich nur beschränkte Aussagekraft.[587] Bei einer formell ordnungsgemäßen Buchführung oder einer Buchführung, die nur geringfügige formelle Mängel aufweist, kann der Nachweis der materiellen Unrichtigkeit grundsätzlich nicht allein aufgrund der Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs geführt werden.[588] Strafrechtlich kann der Zeitreihenvergleich wegen seiner Mängel zwar den Anfangsverdacht einer Steuerverkürzung begründen, zu einer Überzeugungsbildung sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach aber nur in Kombination mit anderen Nachweisen führen.[589]
219
Bei einer Verteilungsprüfung wird überprüft, wie sich die Umsätze auf verschiedene Geschäfte (z.B. Verhältnis Getränkeverkauf zu Speisenverkauf) oder Perioden (z.B. Wochentage) verteilen und dies auf einen Vergleichszeitraum zugrunde gelegt, in dem die Verteilung grundsätzlich vergleichbar sein müsste, um so die Plausibilität der erklärten Umsätze zu überprüfen.
220
(c) Nachkalkulation: Mit Hilfe einer Nachkalkulation lässt sich die Schlüssigkeit der erklärten Umsätze und des Betriebsergebnisses auf der Grundlage der betriebsinternen Daten (insb. des Wareneinsatzes) recht zuverlässig überprüfen, sofern diese zutreffend sind. Die Methode wird einerseits verwendet, um die (formell ordnungsgemäße) Buchführung zu erschüttern und andererseits, um die Schätzung der Höhe nach durchzuführen. Sie enthält in erster Linie Elemente des internen Betriebsvergleichs. Bei der Aufschlagkalkulation wird durch Gegenüberstellung des dokumentierten Wareneinsatzes mit den Verkaufspreisen ein durchschnittlicher Roherlös- oder Rohgewinnaufschlagsatz für die unterschiedlichen Waren über einen bestimmten Zeitraum ermittelt, der – sofern es zu keinen relevanten Veränderungen im Betrieb gekommen ist – auf andere Zeiträume übertragen werden kann, um schätzungsweise zu ermitteln, wie hoch der Ertrag sein müsste. Das Ergebnis einer auf diese Weise ordentlich durchgeführten Verprobung ist sowohl steuerlich als auch strafrechtlich grundsätzlich geeignet, die Vermutung der sachlichen Richtigkeit der Buchführung zu erschüttern, selbst wenn keine formellen Fehler vorliegen.[590] Das ordentlich ermittelte Ergebnis kann außerdem sowohl im Steuer- als auch im Strafverfahren zur Berechnung der Höhe der verkürzten Steuer verwendet werden. Mögliche Angriffspunkte gegen die Nachkalkulation können bspw. eine ungenaue Aufgliederung des Wareneinkaufs, saisonale Besonderheiten, die unterbliebene Berücksichtigung von Rabattaktionen, außergewöhnlichen Verlusten usw. sein.
221
(d) Vermögenszuwachsrechnung: Bei der Vermögenszuwachsrechnung (auch Gesamtvermögensvergleich genannt), wird die Entwicklung des Vermögens insgesamt betrachtet, indem das Gesamtvermögen an zwei Stichtagen ermittelt und gegenüber gestellt wird. Werden dabei nicht erklärbare Vermögensmehrungen festgestellt, kann dies ein Indiz für verschwiegene steuerpflichtige Vermögensmehrungen sein. Grundsätzlich könnte der Zuwachs aber ebenso gut aus nicht steuerbaren oder nicht steuerpflichtigen Vorgängen stammen. Die finanzgerichtliche Rspr. hält diese Schätzungsmethode bei ordentlicher Durchführung für so zuverlässig, dass aufgrund des Schätzungsergebnisses das Buchführungsergebnis widerlegt und in Höhe der errechneten Fehlbeträge nicht verbuchte Betriebseinnahmen bzw. ein Saldo nicht verbuchter Betriebseinnahmen/Betriebsausgaben nachgewiesen werden können.[591]
222
Strafrechtlich kann ein nicht erklärbarer Vermögenszuwachs als Indiz für eine Steuerverkürzung gewertet werden. Eine Verurteilung kann er wegen des In-dubio-pro-reo-Grundsatzes jedoch allein nicht tragen, da das Vermögen auch aus nicht steuerbaren oder nicht steuerpflichtigen Quellen stammen kann. Bedenklich ist in dieser Hinsicht eine Entscheidung des BGH[592] in der das Gericht die Unterstellung des Tatsachengerichts beanstandet, das Endvermögen eines wegen Steuerhinterziehung Angeklagten habe sich über Jahre hinweg ausschließlich durch nichtsteuerbare Verschiebungen in der Vermögenssphäre gebildet, СКАЧАТЬ