Название: Steuerstrafrecht
Автор: Johannes Franciscus Corsten
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Heidelberger Kommentar
isbn: 9783811406506
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Dogmatisch begründen lässt sich eine solche Gesamtbetrachtung nicht. § 153 statuiert keine einheitliche Pflicht zur Berichtigung aller nachträglich als unrichtig erkannten Erklärungen. Die Norm bezieht sich vielmehr ihrem Wortlaut nach auf „eine Erklärung“. Hat der Erblasser mehrere Steuererklärungen unrichtig oder unvollständig abgegeben, treffen den Erben dementsprechend mehrere gesonderte Berichtigungspflichten nach § 153[374] soweit die Festsetzungsfrist für die jeweilige Steuer noch nicht abgelaufen ist. Es ist kein Grund ersichtlich, warum die Korrektur mehrerer Erklärungen im Rahmen einer einheitlichen Berichtigungserklärung erfolgen müsste oder sollte. Die Pflicht entsteht schon nicht (zwingend) einheitlich, da der Erbe die Fehlerhaftigkeit mehrerer vom Erblasser abgegebener Erklärungen in der Regel zu unterschiedlichen Zeitpunkten erkennen wird. Erforderlich ist dazu die Kenntnis des Erben von den vom Erblasser in der einzelnen Erklärung fehlerhaft gemachten oder nicht gemachten Angaben.[375] Es steht dem Erben außerdem frei, sofern es nicht sogar erforderlich ist, jede als unrichtig erkannte Erklärung durch jeweils eine Erklärung gem. § 153 zu berichtigen.[376] Ausgehend von der aktuellen Rspr. des BGH scheidet eine tateinheitliche Begehung selbst dann aus, wenn der Erbe eine einheitliche Berichtigungserklärung für mehrere fehlerhafte Erklärungen des Erblassers abgibt, in der er (erneut) falsche Angaben macht.[377] Gleiches gilt in Unterlassungsfällen.
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Steuerliche Berater sind nach der Rspr. des BGH[378] grundsätzlich nicht verpflichtet, als falsch erkannte Erklärungen ihrer Mandanten nach § 153 zu berichtigen (s. dazu auch Rn. 42). Der Anwendungserlass des BMF vom 23.5.2016[379] zu § 153 enthält eine entsprechende Klarstellung.
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Besteht die Anzeigepflicht, so ist der Fehler nach § 153 Abs. 1 S. 1 „unverzüglich anzuzeigen und die erforderliche Richtigstellung vorzunehmen“. Das bedeutet, die Anzeige ist ohne schuldhaftes Zögern[380] abzugeben, nachdem der Fehler erkannt worden ist, während die Richtigstellung anschließend erfolgen kann. Wird die Abgabe schuldhaft verzögert, ist darin eine vollendete Steuerhinterziehung durch Unterlassen zu sehen, sobald das Finanzamt die Berichtigung im Einzelfall bei rechtzeitiger Abgabe der Berichtigungserklärung vorgenommen hätte.[381] Deshalb wird in der Literatur vertreten, eine Strafbarkeit scheide aus, wenn die Anzeige erst zusammen mit der Berichtigungserklärung, etwa nach Beschaffung der zur Steuerberechnung erforderlichen Unterlagen, abgegeben wird, sofern dieser Schritt nicht ebenfalls verzögert wird.[382]
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Die unvorsätzlich fehlerhaft abgegebene Steuererklärung und die unterlassene Berichtigungserklärung nach § 153 sind nach Ansicht der Rspr. zwar mehrere Handlungen i.S.d. § 53 StGB, bilden jedoch eine einheitliche prozessuale Tat gem. § 264 StPO. Zwar sei die Pflicht zur Berichtigung gem. § 153 eine von der Primärpflicht zur Abgabe einer inhaltlich zutreffenden Steuererklärung unabhängige eigenständige Pflicht. Es handele sich aber dennoch um einen einheitlichen geschichtlichen Lebenssachverhalt i.S.d. § 264 StPO, da sich zum einen beide Tatvarianten auf denselben Steueranspruch beziehen und zum anderen der Tatrichter nur dann prüfen kann, ob eine Berichtigungspflicht bestanden hat, wenn er geklärt hat, ob sich der Angeklagte wegen einer nach Ort, Zeit und konkretem Steueranspruch eingegrenzten Steuerhinterziehung strafbar gemacht hat.[383]
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(b) Steuerhinterziehung durch dolos unvollständige Selbstanzeige: Gibt der Täter eine unvollständige Selbstanzeige ab und bewirkt dadurch, dass erneut eine zu niedrige Steuerfestsetzung erfolgt, begeht er nach der hier vertretenen Auffassung keine neue Steuerhinterziehung soweit sich die Berichtigung auf die Steuer der bereits vollendeten Tat bezieht.[384]
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(c) Steuerhinterziehung durch unterlassene Angaben im Betreibungsverfahren: Eine Steuerhinterziehung kann im Beitreibungsverfahren durch jedes täuschende Verhalten über steuerlich erhebliche Tatsachen begangen werden, wozu auch Umstände zählen, die für die Entscheidung des Finanzamtes von Bedeutung sind, ob und welche Vollstreckungsmaßnahmen ergriffen werden. Verweigert der Steuerpflichtige im Rahmen des steuerlichen Beitreibungsverfahrens hingegen die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung i.S.d. § 284 oder unterlässt er schlicht die Angabe von Vermögenswerten, ohne damit die Finanzbehörden zu täuschen, so verwirklicht er nicht den Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 2.[385] Das gilt für die unterlassene Angabe von Vermögenswerten deshalb, weil ein Steuerpflichtiger nicht verpflichtet ist, von sich aus, also ungefragt, Vermögensgegenstände, die er während eines gegen ihn laufenden Beitreibungsverfahrens erwirbt, dem Finanzamt anzugeben, so dass er mit dem bloßen Schweigen weder unrichtige oder unvollständige Angaben macht, noch die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt. Hinsichtlich des Unterlassens der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung ergibt sich aus § 284 keine strafbewehrte steuergesetzlich begründete Offenbarungspflicht.
cc) Steuerlich erhebliche Tatsache
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Der Begriff der steuerlich erheblichen Tatsache entspricht dem der Tatbestandsalternative der Begehung durch aktives Tun nach § 370 Abs. 1 Nr. 1. Es wird deshalb auf die dortige Kommentierung verweisen (s. dazu Rn. 54 ff.).
dd) Unkenntnis der Behörde
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Anders als bei § 370 Abs. 1 Nr. 1 ist Adressat des § 370 Abs. 1 Nr. 2 nur die Finanzbehörde i.S.d. § 6 Abs. 2, nicht auch andere Behörden.
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Nach dem Wortlaut des § 370 Abs. 1 Nr. 2 muss der Täter die Finanzbehörde – anders als nach der h.M. zu § 370 Abs. 1 Nr. 1 (s. dazu Rn. 255) – in Unkenntnis der steuerlich erheblichen Tatsache lassen. Umstritten ist, ob Voraussetzung dafür ist, dass die Finanzbehörde in Unkenntnis der steuerlich erheblichen Tatsache ist, also nicht auf andere Weise Kenntnis erlangt hat.[386] Dies ist zu bejahen. Die Finanzbehörde wird nur dann über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen, wenn ihr solche Informationen vorenthalten werden, die sie benötigt, um eine Steuerfestsetzung zutreffend vorzunehmen oder eine andere steuerliche Entscheidung richtig СКАЧАТЬ