Erwerb der deutschen Pluralflexion. Gülsüm Günay
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Название: Erwerb der deutschen Pluralflexion

Автор: Gülsüm Günay

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия: Language Development

isbn: 9783823300243

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СКАЧАТЬ style="font-size:15px;">      Die Kasusmarkierungen im Türkischen richten sich nach den Gesetzmäßigkeiten der Vokalharmonie und gelten nahezu ausnahmslos. Ausnahmen sind bei der Flexion von Fremd- und Lehnwörtern zu finden.

      Da im Türkischen keine Artikel existieren und das in der vorliegenden Arbeit betrachtete attributive Adjektiv nicht flektiert wird, erfolgte nur eine Betrachtung der Markierung am Nomen.

      

      Teil II Zum Spracherwerb

       „Was ist das?

       – Ein Schaf.

       Und hier sind ganz viele …?

       – Ganz viele Schäfe.“

      (Gesprächsausschnitt aus Experiment 6 mit einem 7-jährigen DaZ-Kind)

      Woher weiß das Kind, dass es etwas an Schaf ändern muss, wenn mehrere Exemplare hiervon vorliegen? Warum markiert das Kind manche Wörter, wenn es Pluralität erkennt, und lässt bei anderen Wörtern jegliche Markierung weg? Welche Prozesse laufen im mentalen Lexikon ab? Welche Faktoren können diese Prozesse wie beeinflussen? Mit diesen und ähnlichen Fragen beschäftigt sich die Spracherwerbsforschung. Sowohl Neurowissenschaftler als auch Pädagogen und Linguisten bemühen sich um geeignete Methoden, um mit Hilfe von Studien, die die produzierte Sprache und den Vorgang der Produktion untersuchen, den Antworten dieser Fragen näher zu kommen.

      In diesem Teil werden zunächst wichtige Begriffe geklärt und die Rolle des Alters beim Zweitspracherwerb thematisiert. Zudem erfolgt eine Skizzierung der Strömungen, die in der Linguistik zur Erklärung von Spracherwerbsprozessen formuliert worden sind, um überprüfen zu können, welche Annahmen und Modelle sich nach einer Analyse für eine Beschreibung eignen bzw. als nicht geeignet anzusehen sind.

      Im fünften Kapitel werden die wichtigsten Ergebnisse zum Erst- und Zweitspracherwerb der deutschen Nominalflexion zusammenfassend dargestellt, die im Rahmen von Studien zum Numerus-, Genus- und Kasuserwerb formuliert wurden. Anschließend werden die daraus zu folgernden Fragestellungen und Hypothesen formuliert, die im empirischen Teil der Arbeit untersucht werden.

      

      4 Der Zweitspracherwerb

      4.1 Zur Begriffsklärung

      Die Sprache, mit der Kinder von Anfang an aufwachsen, die oft als „Muttersprache“ bezeichnete Sprache, ist die Erstsprache (siehe dazu Meisel 2011: 1ff. und Ahrenholz 2010a: 3f.). Erwirbt das Kind von Anfang an zwei Sprachen, beispielsweise wenn Mutter und Vater sich in verschiedenen Sprachen mit dem Kind unterhalten, handelt es sich um simultan bilingualem Erstspracherwerb (siehe hierzu Genesee/Paradis/Crago 2011: 59ff.). Das Wort „Bilingualität“ wird jedoch oft unterschiedlich verwendet:

      „Bilingualität (bzw. Multilingualität) kann mit Zweisprachigkeit (bzw. Mehrsprachigkeit) übersetzt werden. Einerseits wird Bilingualität als Überbegriff für alle Formen von Mehrsprachigkeit verwendet. Andererseits hat sich in der neueren Literatur durchgesetzt, von bilingualem Spracherwerb nur dann zu sprechen, wenn ein Kind zwei (oder mehr) Sprachen simultan erwirbt.“ (Rothweiler 2007: 106)1

      Wird die zweite Sprache erst dann erworben, „wenn die Muttersprache bereits ganz oder teilweise gemeistert ist“ (Felix 1982: 10), wird diese Form des Erwerbs als „sukzessiver“ (Meisel 2007: 99) Zweitspracherwerb bezeichnet.

      Auch diesen Begriff gilt es weiter zu differenzieren. Zu unterscheiden ist vor allem zwischen dem frühen bzw. kindlichen Zweitspracherwerb und dem Erwerb einer Zweitsprache im Erwachsenenalter (vgl. Rothweiler 2007: 106, Müller et al. 2011: 15). Die Begriffe früher und kindlicher Zweitspracherwerb werden in der Literatur oft synonym zueinander verwendet und man fasst darunter meistens den Zweitspracherwerb, der mit drei bis vier Jahren beginnt (vgl. Rothweiler 2007: 127). Nach Meisel (2009), Rothweiler (2009) und Grimm/Schulz (2012) liegt ein früher Zweitspracherwerb vor, wenn dieser zwischen dem zweiten und dem vierten Lebensjahr beginnt und ein später kindlicher Spracherwerb, wenn der Erwerb nach dem vierten Lebensjahr anfängt. Hierbei handelt es sich immer um ungesteuerten Zweitspracherwerb (Klein 1987: 28). Unter gesteuertem Erwerb einer zweiten und jeder weiteren Sprache fassen wir das Fremdsprachenlernen, das gesondert betrachtet und untersucht werden muss (vgl. Rothweiler 2007: 106).

      In der vorliegenden Arbeit wird unter kindlichem Zweitspracherwerb der Spracherwerb einer zweiten Sprache durch Kinder im Alter von drei bis zehn Jahren gefasst, die mit drei bis vier Jahren mit dem Zweitspracherwerb beginnen. Der Schwerpunkt der Ausführungen in den nächsten Kapiteln wird auf diesem Bereich der Spracherwerbsforschung liegen.

      4.2 Die Rolle des Alters

      Bei der Frage nach der Rolle des Alters beim Erwerb der Zweitsprache handelt es sich um eine zentrale Fragestellung der kindlichen Zweitspracherwerbsforschung. Wann ist die Erstsprache bereits ganz oder teilweise erworben, so dass es sich beim Erwerb der zweiten Sprache um eine Zweitsprache handelt und wann gilt die zweite Sprache noch als weitere Erstsprache, die erworben wird?

      „Die Frage, wie alt ein Kind sein muß, bevor es sich seine Umwelt für den Spracherwerb nutzbar machen kann, entspricht der Frage, wie jung ein Individuum sein muß, bevor es zu spät ist, Sprechen und Sprache zu erwerben. Vieles spricht dafür, daß der primäre Erwerb der Sprache von einem bestimmten Entwicklungsstadium abhängt, dem ein Individuum mit der Pubertät schnell entwächst.“ (Lenneberg 1977: 177)

      Dieses Zitat von Lenneberg, einem der ersten Vertreter der „Critical Period Hypothesis“ (Birdsong 1999), beinhaltet zwei zentrale Aussagen, die wichtige Anhaltspunkte für die Beantwortung der oben formulierten Frage liefern: Erstens verdeutlicht Lenneberg, dass es einen Zeitpunkt gibt, an dem es „zu spät“ für einen Spracherwerb sein kann, bei dem die Zielsprache „mit Hilfe der ursprünglichen Erwerbsmechanismen wie eine Erstsprache erworben werden [kann]“ (Rothweiler 2007: 125). Die Frage nach diesem Zeitpunkt sei genauso wichtig wie die Frage nach dem Beginn des Spracherwerbs. Zweitens konkretisiert er auch den Zeitpunkt, ab wann er nicht mehr ganz so erfolgreich verläuft, nämlich mit dem Eintreten der Pubertät.

      Diese Annahmen sind jedoch nicht unumstritten. Einer der Hauptkritiker in der Diskussion ist Bialystok (1997). In ihrer Studie erreichen die untersuchten Jugendlichen, die die Pubertät hinter sich hatten, bessere Ergebnisse als die Kinder. Aus dieser Beobachtung heraus zweifelt sie an der Aufrechterhaltung der Critical Period Hypothesis, die besagt, dass der „Spracherwerb, der in der frühen Kindheit beginnt, signifikant besser endet“ (Turgay 2010: 10) als der Erwerb nach der Pubertät. Diese Diskussion zeigt, wie komplex das Phänomen Spracherwerb ist und wie viele Faktoren hierbei mitwirken. Die von Bialystok untersuchten Jugendlichen mögen ein besseres Ergebnis bei den Aufgaben ihrer Studie erreicht haben. Doch welche Sprachbereiche wurden dabei abgefragt? Wie wurden diese Ergebnisse erzielt? Welche Erhebungsmethoden wurden eingesetzt? Denn andere Studien (z.B. Bast 2003 und Dimroth 2007) erhalten andere Ergebnisse, die zeigen, dass jüngere Kinder bessere Fortschritte erzielen als Jugendliche. Eine Betrachtung der Studien im Hinblick auf die zuletzt gestellten Fragen zeigt, dass eine differenzierte Analyse unabdingbar für die Klärung der Frage nach der Rolle des Alters ist. Die unterschiedlichen Sprachbereiche verlangen unterschiedliche kognitive Voraussetzungen, so dass sie in unterschiedlichen Erwerbsphasen erworben und optimiert werden (vgl. Dimroth 2007: 134). Wie festgestellt werden kann, ist die Hypothese der kritischen Periode nicht СКАЧАТЬ