Название: Antikorruptions-Compliance
Автор: Simon Schafer
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: C.F. Müller Wirtschaftsrecht
isbn: 9783811457294
isbn:
6
Schließlich fallen auch sog. kommunale Mandatsträger[13] unter den Straftatbestand, nämlich zum einen die Mitglieder der Volksvertretungen kommunaler Gebietskörperschaften[14] und zum anderen die Mitglieder von in unmittelbaren und allgemeinen Wahlen gewählten Gremien von Verwaltungseinheiten, die für ein Teilgebiet eines Landes oder einer kommunalen Gebietskörperschaft gebildet wurden.[15] Zur ersten Fallgruppe gehören Gemeinde-, Stadt- und Kreisräte, zur zweiten Ortsbeiräte und Mitglieder von Bezirksversammlungen, sofern sie unmittelbar und allgemein gewählt worden sind.[16] Es ist möglich, dass auf eine Person mehrere Mandatsträgertatbestände zutreffen.[17] Ferner kann ein Mandatsträger zugleich Amtsträger sein (Rn. 1, 40 f.).
I. Überblick
7
Für die meisten der von § 108e StGB erfassten Mandatsträger (Rn. 4 ff.) gibt es außerstrafrechtliche Antikorruptionsregelungen (Rn. 2), die häufig zusammenfassend als „Verhaltensregeln“ bzw. (im internationalen Kontext) „Code of Conduct“ bezeichnet werden, auch wenn sie nicht oder nur zum Teil in einem Rechtstext niedergelegt sind, der diese Bezeichnung trägt.[18] Für Bundestagsabgeordnete (Rn. 4) sind insoweit einschlägig: die §§ 44a, 44b AbgG, die zur Geschäftsordnung des Bundestages gehörenden[19] „Verhaltensregeln für Mitglieder des Deutschen Bundestages“ (VR) sowie die dazu vom Bundestagspräsidenten erlassenen Ausführungsbestimmungen (AB) (s. Rn. 9 ff.). In den Bundesländern bestehen vergleichbare Regelungen für Landtagsabgeordnete (Rn. 4), die überwiegend ebenfalls auf mehrere Regelungsebenen verteilt sind.[20] Mitglieder des Europäischen Parlaments (Rn. 5) unterliegen seit 2002 einem „Verhaltenskodex im Bereich finanzielle Interessen und Interessenkonflikte“[21], der durch Durchführungsbestimmungen des Präsidiums[22] konkretisiert wird.[23] Die Parlamentarische Versammlung des Europarates (Rn. 5) verfügt seit 2012 über einen eigenen „Code of Conduct“[24], der im Jahre 2017 geändert wurde und es ihren Mitgliedern beispielsweise untersagt, Vergütungen, Entschädigungen oder Belohnungen anzunehmen, die darauf abzielen, ihr Verhalten als Mitglied der Versammlung zu beeinflussen (Rn. 31). Bei ausländischen Gesetzgebungsorganen (Rn. 5) kann regelmäßig ebenfalls davon ausgegangen werden, dass ihre Mitglieder Korruptionspräventionsregelungen unterliegen – sei es solchen, die speziell auf sie zugeschnitten sind (Code-of-Conduct-Modell), sei es allgemeinen, für alle „public officials“ geltenden. Das Bestehen von (auch) Parlamentarier erfassenden Korruptionspräventionsregelungen ist eine zentrale Forderung der beim Europarat angesiedelten „Gruppe der Staaten gegen Korruption“ (GRECO, s. Einf. Rn. 29).[25] Für kommunale Mandatsträger (Rn. 6) sind dem Verfasser hingegen keine nichtstrafrechtlichen Korruptionspräventionsregelungen bekannt.[26] Ein denkbarer Regelungsort hierfür wären die Gemeinde- und Kreistagsordnungen oder die Geschäftsordnungen der entsprechenden Kommunalversammlungen.
8
Aus rechtsvergleichender Perspektive lassen sich zwei im Grundansatz unterschiedliche Herangehensweisen identifizieren, die in der Praxis freilich häufig auf verschiedene Weise miteinander kombiniert werden.[27] Die eine Herangehensweise zielt darauf ab, in regelmäßigen Abständen das Vermögen des Mandatsträgers (und häufig auch enger Familienangehöriger) möglichst vollständig zu erfassen und durch eine Betrachtung der Vermögensentwicklung Anhaltspunkte für „unerklärliche“ und damit möglicherweise durch Korruption erlangte Vermögenszuwächse zu erlangen. Die andere Herangehensweise geht darauf aus, (tatsächlich oder potentiell) interessenkonfliktträchtiges Verhalten des Mandatsträgers zu erfassen, dieses offenzulegen und im Extremfall auch zu verbieten. Das Vermögenserfassungsmodell lässt (zumindest formal) wenig Schlupflöcher, greift dafür aber erheblich in die informationelle Selbstbestimmung des Mandatsträgers (und seiner Angehörigen) ein und verursacht, wenn es effektiv sein soll, einen nicht unerheblichen bürokratischen Aufwand. Das Interessenkonfliktoffenlegungsmodell ist tendenziell lückenhaft, erfordert aber weniger bürokratischen Aufwand und greift auch nicht so intensiv in die informationelle Selbstbestimmung der Betroffenen ein.
1. Einleitung
9
Das Interessenkonfliktoffenlegungsmodell (Rn. 8) liegt auch den für den Bundestag geltenden Vorschriften der §§ 44a, 44b AbgG, VR und AB zugrunde.[28] Die beiden zentralen Regelungsgegenstände sind zum einen Nebentätigkeiten – entgeltliche wie unentgeltliche – sowie damit ggf. generierte Einnahmen, zum anderen materielle Zuwendungen.[29] Eine allgemeine Vermögensoffenlegungspflicht gibt es nicht.[30] Lediglich Unternehmensanteile müssen ab einer bestimmten Größenordnung angezeigt und veröffentlicht werden,[31] ebenso Vereinbarungen, wonach dem Mandatsträger während oder nach Beendigung seiner Mitgliedschaft im Parlament bestimmte Tätigkeiten übertragen oder Vermögensvorteile zugewendet werden sollen.[32] Angezeigt und zum Teil veröffentlicht werden auch bestimmte Tätigkeiten, die er vor dem Mandat ausgeübt hat.[33] Kein Regelungsgegenstand sind immaterielle Vorteile, die der Abgeordnete erhält,[34] sowie Aktivitäten von und Zuwendungen an Familienangehörige oder sonstige ihm nahestehende Personen.[35] Eine indirekte Betroffenheit von Dritten ist aber insoweit gegeben, als Unternehmen oder sonstige natürliche oder juristische Personen, bei denen der Abgeordnete einer anzeigepflichtigen Nebentätigkeit nachgeht oder von denen er Spenden erhält, grundsätzlich ebenfalls anzuzeigen und zu veröffentlichen sind (Rn. 11, 16).
10
Im Regelungsbereich „Nebentätigkeiten“ geht es überwiegend um Herstellung von Transparenz durch Anzeige- und Veröffentlichungspflichten. Der Bereich „materielle Zuwendungen“ ist dagegen stärker durch Annahmeverbote geprägt, außer bei Spenden, die grundsätzlich angenommen werden СКАЧАТЬ