Название: Handbuch Medizinrecht
Автор: Thomas Vollmöller
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: C.F. Müller Medizinrecht
isbn: 9783811492691
isbn:
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Von der Vertretung zu unterscheiden ist der Wechsel des Behandlers innerhalb einer Berufsausübungsgemeinschaft. Begründet wird dies damit, dass eine BAG gegenüber der KV als Einheit auftritt und damit als „Behandler“ anzusehen ist. Die Rechte und Pflichten treffen somit die BAG als Ganzes.[64] Vertretungen i.S.v. § 32 Abs. 1 Ärzte-ZV kommen nur in Betracht, wenn der Ausfall eines Mitglieds einer BAG nicht durch die anderen aufgefangen werden kann.[65] Innerhalb der BAG ist jedes Mitglied an sein Fachgebiet und seinen Versorgungsbereich gebunden, jeweils bestimmt durch den Zulassungsstatus. Außerhalb dessen liegende „weitere“ Fachgebiete bleiben in der vertragsärztlichen Versorgung grundsätzlich außer Betracht und berechtigen auch nicht zu einer „internen“ Vertretung innerhalb einer BAG, wenn kein Mitglied mit Zulassung für das Fachgebiet des abwesenden Partners anwesend ist.[66] Deshalb darf z.B. ein als Hausarzt zugelassener Internist seinen als Fachinternisten zugelassenen Partner innerhalb der BAG nicht vertreten.[67] Ebenso wenig darf ein Partner mit besonderen Qualifikationen durch einen anderen Partner in diesem Leistungsbereich vertreten werden, der diese Qualifikation nicht hat.[68]
4. Die Delegation ärztlicher Leistungen
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Die grundsätzliche Verpflichtung des Vertragsarztes zur persönlichen Leistungserbringung schließt nicht aus, dass Hilfsleistungen an Personal delegiert werden dürfen.[69] Das ergibt sich bereits aus einer sachgemäßen Auslegung des Behandlungsvertrages, der den Einsatz des üblicherweise in einer Arztpraxis beschäftigten Personals nicht ausschließt, weil man nicht annehmen kann, dass der Arzt eine strikte Selbstbindung eingehen will (§ 157 BGB).[70] Auch wird der Patient nicht erwarten dürfen, dass der ihm vertraglich verpflichtete Arzt alle im Rahmen der Therapie erforderlichen Verrichtungen persönlich ausübt. Folglich schließt § 28 Abs. 1 S. 2 SGB V die vom Arzt angeordnete Hilfeleistung anderer Personen in die Behandlung ein. Sie müssen aber nach § 15 Abs. 1 S. 2 SGB V von ihm angeordnet und verantwortet werden. Zu differenzieren ist dabei, ob nur untergeordnete Verrichtungen dem Personal überlassen werden (Assistenz) oder ob ärztliche Leistungen, die dem Arztvorbehalt unterliegen, weil sie Heilkundequalität[71] haben, delegiert werden.[72] Die Abgrenzung kann im Einzelfall schwierig sein.[73]
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Der vom Patienten erteilte Behandlungsauftrag ist dahingehend auszulegen, dass der Patient diejenigen Leistungen, die eine ärztliche Qualifikation voraussetzen, auch von einem Arzt erbracht haben möchte. Das schließt die Delegation der wesentlichen ärztlichen Leistungsbestandteile, wie zum Beispiel Diagnose und Therapieauswahl, die medizinische Beratung oder den operativen Eingriff, grundsätzlich aus.
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Soweit die Übertragung von Leistungen auf nachgeordnetes Personal, im Rahmen des jeweiligen Behandlungsverhältnisses jedoch zulässig und möglich ist, unterliegt sie besonderen Anforderungen. Grundsätzlich müssen Hilfsleistungen nichtärztlicher Mitarbeiter, die Heilkundequalität haben, vom Arzt angeordnet und verantwortet werden.[74] Diese sowohl aus dem Behandlungsvertrag nach § 278 BGB, wie auch aus dem Arztvorbehalt für heilkundliche Leistungen abzuleitende Voraussetzung, ist in § 15 Abs. 1 S. 2 SGB V ausdrücklich für das Vertragsarztrecht normiert. § 15 Abs. 1 S. 5 BMV-Ä geht über diese allgemeine Verpflichtung hinaus und verlangt zusätzlich die fachliche Überwachung der nichtärztlichen Mitarbeiter und deren spezielle Qualifikation für die entsprechenden Tätigkeiten.[75]
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Anordnung, Überwachung und Verantwortung der delegierten Leistungen erfordern nicht die zeitgleiche Anwesenheit des leistungsverpflichteten Arztes während der Tätigkeit des betrauten Mitarbeiters. Unter welchen Umständen die Voraussetzungen einer Delegation erfüllt sind, vorausgesetzt, die Anwesenheit des Arztes ist für die jeweilige Situation nicht im EBM oder BMV-Ä explizit vorgeschrieben, ist eine Frage des Einzelfalles und hängt maßgeblich von der Schwierigkeit der Behandlung und vom „Können“ des betrauten Mitarbeiters ab. In der Literatur werden dazu unterschiedliche Ansichten vertreten.[76] Zweifellos wird es nicht zu beanstanden sein, wenn eine ausgebildete Arzthelferin in Abwesenheit des Praxisinhabers einen Verbandwechsel vornimmt oder Blut entnimmt für spätere Untersuchungen, wenn vorher abgeklärt wurde, dass keine Risiken zu erwarten sind. Selbstverständlich muss die jederzeitige Erreichbarkeit des Arztes wie auch dessen Möglichkeit in angemessener Zeit in der Praxis zu erscheinen, sichergestellt sein. Besteht ein Komplikationsrisiko, müssen auch Vorkehrungen für den Notfall getroffen werden. Möglicherweise darf der Arzt dann nicht delegieren. Das unterliegt seiner Risikoeinschätzung. Eine längere Urlaubsabwesenheit schließt die Delegation von Leistungen während der Abwesenheit grundsätzlich aus, auch wenn es sich um üblicherweise von qualifizierten Mitarbeitern erbrachte Laborleistungen handelt und ständige telefonische Erreichbarkeit besteht.[77]
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Grundsätzlich muss das Hilfspersonal für die jeweilige Verrichtung ausreichend qualifiziert sein. Die zulässige inhaltliche Reichweite der Delegierbarkeit einzelner ärztlicher Maßnahmen ist sachlich und personell zu bestimmen. Sachlich können einfache Hilfstätigkeiten und Zuarbeiten für den Arzt relativ unproblematisch abgegeben werden. Je spezieller die Tätigkeit ist und je selbstständiger das Personal dabei arbeiten soll, umso mehr kommt es auf die dafür geeignete Qualifikation des Mitarbeiters an. Dabei ist zu unterscheiden zwischen gesetzlich geregelten Gesundheitsberufen mit klar geregeltem Berufsbild[78] und Ausbildungsberufen wie medizinische und zahnmedizinische Fachangestellte, denen man die Aufgaben übertragen darf, für die sie ausgebildet wurden. Bei den immer häufiger werdenden ungelernten Kräften und beruflichen „Quereinsteinsteigern“ kommt es darauf an, deren verlässlich vorhandene Kenntnisse zu ermitteln. Dazu wird dem Arzt eine höhere Überwachungsintensität abzuverlangen sein, als bei Mitarbeitern mit nachgewiesener Ausbildung. Auf die durch Berufsanerkennungen, Zeugnisse und Ausbildungsbescheinigungen manifestierten Qualifikationen darf vertraut werden. Ansonsten muss sich der Vertragsarzt persönlich von den Kenntnissen und Fertigkeiten seiner Mitarbeiter überzeugen. Unter diesen Voraussetzungen sind die delegierten Leistungen persönliche Leistungen des Vertragsarztes mit der Folge, dass sie auch als solche abgerechnet werden dürfen.[79]
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Mittels dem durch das GKV-VStG eingeführten § 28 Abs. 1 S. 3 SGB V wurde den Bundesmantelvertragspartnern aufgegeben beispielhaft festzulegen, welche Tätigkeiten delegiert und welche Anforderungen an die Mitarbeiter zu stellen sind. Ergebnis dieses СКАЧАТЬ