Название: Handbuch Medizinrecht
Автор: Thomas Vollmöller
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: C.F. Müller Medizinrecht
isbn: 9783811492691
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Mit dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz (GKV-VStrG)[31] ist eine partielle Öffnung des Katalogs von Leistungen durch sogenannte Satzungsleistungen der Krankenkassen geschaffen worden, nach denen diese ihren Mitgliedern nicht ausgeschlossene Behandlungsmethoden, Medikamentierungen u.a. anbieten können und mit denen die Krankenkassen diese Leistungen durch nicht zugelassene Leistungserbringer wie bspw. Privatkliniken erbringen lassen können.[32] Hierbei haben die Krankenkassen in ihren Satzungen hinreichende Anforderungen an die Qualität der Leistungserbringung zu regeln und die Wirtschaftlichkeit nachzuweisen.[33] Den Krankenkassen sind hierdurch trotz Restriktionen Gestaltungsmöglichkeiten auch im Bereich der zahnärztlichen Behandlung und der Versorgung mit Heil- und Hilfsmitteln eröffnet worden, § 11 Abs. 6 SGB V. Einen materiell rechtlichen Anspruch auf eine Satzungsleistung können einzelne Versicherten aus dieser Norm jedoch nicht ableiten.
3. Berücksichtigung des medizinischen Fortschrittes/Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden
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Schon der Begriff „Berücksichtigung“ in § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V verdeutlicht, dass der Einsatz neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden und die Verabreichung oder die Verordnung von neuen Arzneimitteln und Hilfsmitteln der Implementierung in das System bedürfen, wobei das Gesetz nicht definiert, was unter neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu verstehen ist. Diese Aufgabe haben daher primär die Gerichte übernommen.[34] Sie bedürfen der Anerkennung in Richtlinien des G-BA nach § 92 SGB V.
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Die Verfahrungsordnung des G-BA (VerfO G-BA) regelt die Entscheidungsverfahren des Gremiums in allgemeiner Form sowie die für bestimmte Entscheidungen geltenden speziellen Regelungen, wie z.B. Beratungs-, Stellungnahme- und Antragsverfahren.[35] Die unparteiischen Mitglieder des G-BA sowie der GKV-Spitzenverband, die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV), die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und die Patientenvertretung sind zum Antrag auf Prüfung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden befugt. Mit dem GKV-VStG erhielten zudem Hersteller eines Medizinprodukts, auf dessen Einsatz die technische Anwendung einer neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode maßgeblich beruht und Unternehmen, die als Anbieter einer neuen Methode ein wirtschaftliches Interesse an einer Erbringung zu Lasten der Krankenkassen haben, das Recht, einen Antrag auf die Erprobung einer neuen Methode zu stellen.
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Infolge des die Arzneimittelversorgung betreffenden sog. Nikolaus-Beschlusses des BVerfG[36] hatte der Gemeinsame Bundesausschuss einen Beschluss über Richtlinien Methoden Krankenhausbehandlung und Methoden vertragsärztlicher Versorgung sowie zur Verfahrensordnung erlassen und hat für die vertragsärztliche Versorgung und die Krankenhausversorgung festgelegt, dass Anspruch auf nicht anerkannte oder ausgeschlossene Behandlungsmethoden besteht, wenn eine regelmäßig tödliche Erkrankung oder zumindest wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung vorliegt, für die allgemein anerkannte Methoden nicht zur Verfügung stehen und eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder spürbare positive Entwicklung des Krankheitsverlaufs besteht.[37] Der Gesetzgeber hat im GKV-VStrG mit der Aufnahme des § 2 Abs. 1a nunmehr eine rechtliche Grundlage geschaffen und in § 135 Abs. 1 für die vertragsärztliche und vertragszahnärztliche sowie in § 137 SGB V für die Krankenhausbehandlung konkretisiert.[38][39]
a) Grundsätze für die vertragsärztliche Versorgung
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Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung stehen unter einem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt des § 135 Abs. 1 S. 1 SGB V.[40] Sie können nur nach Anerkennung durch den gemeinsamen Bundesausschuss nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 SGB V und Aufnahme in den Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) nach § 87 SGB V zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen erbracht werden, sodass die Versicherten keinen Anspruch darauf haben.[41] Dies gilt grundsätzlich, sofern nicht die Situation des vorgenannten § 2 Abs. 1a SGB V sowie ein Seltenheitsfall vorliegt, d.h. ein Fall, der sich einer systematischen Erforschung entzieht.[42] Ferner gilt eine Ausnahme für das sogenannte Systemversagen, d.h. dann, wenn der G-BA dem in § 135 Abs. 1 SGB V vorausgesetzten Auftrag nicht gerecht geworden ist, selbst für eine Aktualisierung der Richtlinien Sorge zu tragen.[43]
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Hierfür muss der Bewertungsausschuss passende Abrechnungsziffer kreieren, falls es diese noch nicht gibt. Der Bewertungsausschuss bestimmt somit die Rahmenbedingungen der vertragsärztlichen Vergütung und ist an die Beschlüsse des G-BA gebunden, die er in festgelegten Fristen umsetzen muss, § 87 Abs. 5b SGB V. Besonders relevant ist dies für Arzneimittel-Medizinprodukte Kombinationen, sog. Companion Diagnostics. Nach S. 5 muss zeitgleich mit dem Nutzenbewertungsbeschluss der EBM angepasst werden, soweit das betreffende Arzneimittel nach der Fachinformation nur in Begleitung mit einem Pflichttest angewendet werden darf, für den es aber noch keine passende Abrechnungsziffer gibt. Dadurch wird verhindert, dass das verfügbare neue Arzneimittel nicht eingesetzt wird, weil der dazugehörige Test (noch) nicht erstattungsfähig ist.
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Wird der Methodencharakter einer neuen Leistung verneint, ist kein Beschluss des G-BA erforderlich. Auch in diesem Fall hat der BA eine Abrechnungsziffer, sofern nicht vorhanden, zu erzeugen. Grundsätzlich ist der BA nach § 87 Abs. 2 S. 2 SGB V nur verpflichtet, die Bewertungsmaßstäbe „in bestimmten Zeitabständen auch daraufhin zu überprüfen, ob die Leistungsbeschreibungen und ihre Bewertungen noch dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik sowie dem Erfordernis der Rationalisierung im Rahmen wirtschaftlicher Leistungserbringung entsprechen“. Er ist hierbei an keine bestimmten Fristen gebunden.
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Die Abrechnungsziffer bildet die diagnostische Leistung ab, die der Arzt bei Anwendung eines neuen Produkts erbringt, ohne dass er dabei an den Einsatz eines bestimmten Produkts eines bestimmten Herstellers gebunden wäre. Der EBM beinhaltet demnach keine Liste sozialrechtliche geprüfter und erstattungsfähiger Untersuchung- und Bewertungsmethoden, sondern bezieht sich lediglich auf die damit verbundene ärztliche Leistung. Diese muss dem sozialrechtlichen Wirtschaftlichkeitsgebot entsprechend; nur insoweit ist der Arzt bei der Auswahl des Produkts gebunden. Er muss sich selbst darüber informieren, welches Produkt diese Voraussetzungen erfüllt, da ihm keine Vorauswahl des G-BA in der Art eines Hilfsmittelverzeichnisses zur Verfügung steht.
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Praxishinweis
Für Hersteller ist es problematisch, dass sie den Methodencharakter ihrer Innovation vorher oftmals schwer abschätzen können und die Rechtsprechung nur für Einzelfallentscheidungen Klarheit schafft. Abhilfe kann insoweit die neue Verfahrensordnung des Bewertungsausschusses schaffen, § 87 Abs. 3e S. 1 Nr. 1 SGB V. Diese СКАЧАТЬ