Название: BGB-Schuldrecht Allgemeiner Teil
Автор: Harm Peter Westermann
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Schwerpunkte Pflichtfach
isbn: 9783811453562
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8. Verbot des Zinseszinses (§§ 248, 289 S. 1)
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§ 248 untersagt in Anlehnung an ältere Vorbilder des BGB die vorherige Vereinbarung einer Zahlung von Zinsen auf Zinsen (Zinseszinsen).[61] § 248 wird durch §§ 289 S. 1 und 291 S. 2 ergänzt. Die Norm hat eine doppelte Schutzrichtung: Sie schützt den Schuldner, der die effektiv entstehende Zinsbelastung bei Zinseszinsen vielleicht nur schwer vorhersehen und der durch den Zinseszinsmechanismus besonders belastet sein kann.[62] Die Norm dient also der Rechtsklarheit.[63] Mittelbar bewahrt § 248 Abs. 1 den Schuldner aber auch vor unzumutbar hohen Belastungen. Rechtsfolge des § 248 ist die Nichtigkeit der Abrede, ohne dass § 134 bemüht werden müsste.
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Tatbestandlich sind nur Vereinbarungen „im Voraus“ – also vor Fälligkeit der Zinsforderung – erfasst. Auf Zinsen, die schon fällig sind (sog. „rückständige“ Zinsen) können dagegen Zinsen vereinbart werden. § 248 verlangt außerdem, dass der Zinsbegriff doppelt erfüllt ist, denn es müssen „Zinsen“ auf „Zinsen“ vereinbart sein. Außergewöhnlich hohe Bearbeitungsgebühren können im Voraus vereinbarte Zinseszinsen sein, wenn sie sich auf eine Gesamtkreditsumme beziehen, zu der Zinsen gehören.[64]
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§ 248 gilt in mehreren Fällen nicht. Beispielsweise können gem. § 248 Abs. 2 S. 1 Kreditinstitute Zinseszinsen im Voraus versprechen. Dahinter steht der Gedanke, dass der Schutzzweck der Norm bei Zinseszinsvereinbarungen zu Lasten von Kreditinstituten im Einlagengeschäft nicht eingreift. Auch können Zinseszinsen grundsätzlich gem. § 289 S. 2 als Verzugsschadensersatz (§§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286) verlangt werden.
9. Lösung Fall 18
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Gem. § 556b Abs. 1 ist die Miete spätestens bis zum dritten Werktag der einzelnen Zeitabschnitte zu entrichten, nach denen sie bemessen ist. Das ist der dritte Werktag eines jeden Monats. Fraglich ist, ob für die Rechtzeitigkeit der Zahlung die Erteilung des Überweisungsauftrags an das Kreditinstitut ausreicht oder vielmehr die Gutschrift auf dem Gläubigerkonto den maßgeblichen Zeitpunkt darstellt. Das hängt von der Rechtsnatur der Mietschuld ab. Sie ist Geldschuld und damit gem. §§ 270 Abs. 1, Abs. 4, 269 eine qualifizierte Schickschuld: Die Handlungspflicht des Schuldners beschränkt sich auf das Abschicken des Geldes, allerdings – und im Unterschied zur einfachen Schickschuld – trägt der Schuldner das Verlustrisiko (§ 270 Abs. 1). Daher ist die Erteilung des Überweisungsauftrags an das Kreditinstitut bis zum dritten Werktag eines jeden Monats ausreichend und maßgeblich für die Fristwahrung. Daran ändert sich auch durch die Auslegung der Zahlungsverzug-RL durch den EuGH nichts: Für die Zwecke der Zahlungsverzug-RL ist die Gutschrift auf dem Empfängerkonto der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit einer Zahlung.[65] Die rechtzeitige Erteilung des Überweisungsauftrags ist dagegen ungenügend. Deshalb wird die Geldschuld teilweise nicht mehr als qualifizierte Schickschuld, sondern als (modifizierte) Bringschuld eingeordnet. Das überzeugt aber nicht. Die Zahlungsverzug-RL ist nur im unternehmerischen Rechtsverkehr anwendbar. Man mag einwenden, dass die Rechtzeitigkeit einheitlich beurteilt werden sollte, weil Unterschiede, die vom Verbraucher- bzw Unternehmerstatus des Schuldners abhängen, Rechtsunsicherheit bewirken können.[66] Das überzeugt aber schon deshalb nicht, weil sich ein richtlinienkonformes Ergebnis auch durch die Anwendung der Verzugsregeln erreichen lässt. Die Geldschuld ist deshalb weiterhin qualifizierte Schickschuld. Der Leistungsort ist somit der Wohnsitz des Schuldners. Daher genügt die rechtzeitige Erteilung des Überweisungsauftrags für die Rechtzeitigkeit der Mietzahlung. Für die verzögerte Übermittlung des Geldes muss der Schuldner nicht einstehen.[67] M hat die Miete stets rechtzeitig iSv § 556b Abs. 1 gezahlt. Sie befand sich zu keinem Zeitpunkt im Schuldnerverzug nach § 286 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr 1.
10. Lösung Abwandlung zu Fall 18: Ausgangsfrage
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In Abgrenzung zum Ausgangsfall enthält nun der Mietvertrag (MV) selbst eine vom Gesetz (also § 556b Abs. 1) abweichende Regelung, die für die Rechtzeitigkeit der Mietzahlung den Zeitpunkt des Zahlungseingangs auf dem Konto der V bestimmt. Danach würde M – die Wirksamkeit der Klausel unterstellt – jeweils mit Ablauf des dritten Werktages eines Monats in Schuldnerverzug gem. § 286 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr 1 geraten. Dieser würde erst durch die Gutschrift auf Vʼs Konto beendet. Die Klausel könnte allerdings gem. § 307 Abs. 1 unwirksam sind.
Die Klausel ist eine für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingung, die V als Verwenderin der M stellt und damit eine AGB iSd § 305 Abs. 1 S. 1. Der BGH sieht in der Klausel eine unangemessene Benachteiligung iSd § 307 Abs. 1. Nach der gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung kann die Klausel so verstanden werden, dass der Mieter trotz rechtzeitiger Erteilung des Zahlungsauftrages seine Pflichten verletzt, wenn sich der Zahlungsvorgang auf Grund eines Verschuldens des Zahlungsdienstleisters verzögert. Da die Klausel eine solche, nicht vom Mieter zu verantwortende Zahlungsverzögerung zudem als möglichen Kündigungsgrund einordnet, benachteiligt sie den Mieter unangemessen.[68] Denn die drohenden existenziellen Folgen eines Verlustes der Wohnung sind deutlich schwerwiegender als das Interesse des Vermieters, den Mieter für Zahlungsverzögerungen verantwortlich zu machen.[69] Der Mietvertrag zwischen M und V bleibt trotz der insofern unzulässigen Klausel gem. § 306 Abs. 1 im Übrigen wirksam. An die Stelle der unwirksamen Klausel tritt gem. § 306 Abs. 2 das dispositive Recht, so dass sich die Beurteilung der Rechtzeitigkeit – wie im Ausgangsfall – nach den Bestimmungen der §§ 556b Abs. 1, 270 Abs. 1, Abs. 4, 269 richtet. M entrichtete wiederum die Miete stets rechtzeitig iSv § 556b Abs. 1 und befand sich zu keinem Zeitpunkt im Schuldnerverzug (§ 286 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr 1).
11. Lösung Abwandlung zu Fall 18: Zusatzfrage
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I. Im unternehmerischen Geschäftsverkehr sind Rechtzeitigkeitsklauseln höchstrichterlich anerkannt, da sie gemessen an den Bedürfnissen des modernen Zahlungsverkehrs weder unangemessen noch überraschend sind.[70] Da im unternehmerischen Rechtsverkehr auf Grund der Zahlungsverzug-RL wie oben dargestellt ohnehin der Zeitpunkt der Gutschrift maßgeblich für die Rechtzeitigkeit der Leistungshandlung ist, sind solche Klauseln jedoch nunmehr ohne Bedeutung.[71] Die Klausel ist also grundsätzlich wirksam.
II. Etwas anderes kann sich allenfalls aus dem Umstand ergeben, dass nach der Zahlungsverzug-RL (Art. 3 Abs. 1 lit. b RL 2011/7/EU) kein Verzug begründet wird, wenn der Schuldner die Verzögerung nicht zu vertreten hat. Ihm können somit auch im unternehmerischen Geschäftsverkehr unvorhersehbare Verzögerungen der Zahlungsdienstleister nicht angelastet werden.[72] Daraus folgt jedoch keine unangemessene Benachteiligung der Klausel iSd § 307 Abs. 1.[73] Andernfalls wäre die Eigenverantwortlichkeit im unternehmerischen Geschäftsverkehr СКАЧАТЬ