Название: BGB-Schuldrecht Allgemeiner Teil
Автор: Harm Peter Westermann
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Schwerpunkte Pflichtfach
isbn: 9783811453562
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Bei Gattungsschulden liegt dagegen keine individuelle Bestimmung des Leistungsgegenstandes vor. Der Gegenstand ist vielmehr nur nach bestimmten Merkmalen bestimmt.[4] Wenn ich beispielsweise Hundezüchter bin und Ihnen telefonisch den Verkauf eines einjährigen Schäferhundes zusage, kann ich mit grundsätzlich jedem Schäferhund erfüllen, der ein Jahr alt ist. Möglich (und vielleicht naheliegend) ist allerdings, dass die Auslegung eine Einschränkung ergibt: Es kann in dem Beispiel stillschweigend mitvereinbart sein, dass der Schäferhund aus meiner eigenen Züchtung stammt. Dann liegt eine besondere Form der Gattungsschuld vor, nämlich eine Vorratsschuld. Auch der Verkauf eines Neuwagens mit Serienausstattung ist ein Beispiel für eine Gattungsschuld.[5] Keine Gattungsschulden sind dagegen Geldschulden: Sie sind vielmehr auf die Verschaffung abstrakter Vermögensmacht bezogen und deshalb Wertverschaffungsschulden.
In Fall 16 hat S nicht vier individualisierte Reifen bestellt, sondern lediglich vier Reifen für einen seiner Mietwägen. Es liegt also eine Gattungsschuld vor. Das gilt auch in Fall 17: Hier ist der Verkauf auf vier Reifen der Gattung „Ultraspezial-Tires“ bezogen, nicht aber auf individuell bestimmte Reifen.
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Anders als bei der Stückschuld kann der Schuldner also bei der Gattungsschuld mit jedem Gegenstand erfüllen, der den von den Parteien festgelegten Kriterien entspricht. Die konkrete Ausgestaltung der Gattung ergibt sich aus der Auslegung der Parteivereinbarung.
In Fall 16 kann und muss V mit allen Reifen erfüllen, die für den Mietwagen des S passen. In Fall 17 ist die Gattung dagegen enger bestimmt: Die Erfüllung kann nur durch Lieferung von Reifen der Gattung „Ultraspezial-Tires“ erfolgen.
bb) Vorratsschulden
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Vorratsschulden sind ein Unterfall der Gattungsschulden. Sie werden daher auch als begrenzte bzw beschränkte Gattungsschulden bezeichnet.[6] Vorratsschulden zeichnen sich durch spezifische Beschränkungen der jeweils in Blick genommenen Gattung aus. Die Parteien sehen spezifische Merkmale vor und vereinbaren, dass der Schuldner aus einer bestimmten Menge leisten muss. Diese bestimmte Menge ist oft der Vorrat des Schuldners; daraus erklärt sich der Name „Vorratsschuld“. Wenn eine Vorratsschuld vorliegt, ist der Schuldner weder verpflichtet noch berechtigt, einen Gegenstand aus einer anderen als der vereinbarten Menge zu leisten. Das gilt selbst dann, wenn dieser Gegenstand wirtschaftlich identisch oder sogar höherwertig ist als ein Gegenstand aus der vereinbarten Menge.[7]
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Anschauliche Beispiele für eine Vorratsschuld sind der Verkauf von Mais aus der Ernte eines Hofes[8], von Mehl aus der Mühle einer Müllerin oder auch von Wertpapieren aus dem Deckungsbestand einer Bank[9]. Ob eine Vorratsschuld vorliegt, muss durch Auslegung der Parteivereinbarung ermittelt werden (§§ 133, 157). Im oben angeführten Beispiel des Verkaufs eines einjährigen Schäferhundes gilt: Wenn sich aus den Umständen der Vereinbarung ergibt, dass ich als Hundezüchter nur aus der Menge der von mir gezüchteten Schäferhunde leisten darf und soll, liegt eine Vorratsschuld vor.[10]
In Fall 17 liegt keine Vorratsschuld vor. Das ergibt sich aus der Auslegung der Parteivereinbarung (§§ 133, 157). Bei Abschluss des Kaufvertrages weiß K nicht, dass A lediglich vier Reifen in ihrem Lager hat. Daher ist die Schuld der A auch nicht auf diesen Bestand reduziert. Vielmehr liegt eine marktbezogene Gattungsschuld vor. Die Gattung ist freilich vergleichsweise eng begrenzt, weil am Markt nur 1.000 Exemplare existieren. A hätte im eigenen Interesse darauf bestehen können, nur aus dem eigenen Lagerbestand zu liefern; dann wäre eine Vorratsschuld gegeben.
b) Wichtigste Rechtsfolgen
aa) Leistung mittlerer Art und Güte (§ 243 Abs. 1)
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Wenn eine Gattungsschuld vorliegt, ist der Schuldner gem. § 243 Abs. 1 zur Leistung mittlerer Art und Güte verpflichtet (vgl auch § 360 HGB für Handelsgeschäfte: „Handelsgut mittlerer Art und Güte“). § 243 Abs. 1 ist allerdings dispositiv: Die Parteien können also vertraglich engere oder weitere Grenzen vereinbaren.[11] Wenn sie dies nicht tun, darf der Leistungsgegenstand nicht hinter der mittleren Güte zurückbleiben. Geschuldet ist also nicht Spitzenqualität, es darf aber auch kein „Ramsch“ geleistet werden.[12] Wenn der Leistungsgegenstand hinter der mittleren Art und Güte zurückbleibt, kann der Gläubiger die Annahme des Gegenstandes verweigern, ohne in Annahmeverzug zu geraten (vgl §§ 293 ff).[13] Etwas anders liegt es, wenn der Schuldner bessere als nur „mittlere“ Qualität leistet. In diesen Fällen darf der Gläubiger den Leistungsgegenstand nur zurückweisen, wenn er ein besonderes Interesse an bloß mittlerer Güte hat.[14]
bb) Beschaffungspflicht des Schuldners
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Innerhalb der soeben beschriebenen Grenzen des § 243 Abs. 1 kann der Schuldner frei darüber entscheiden, mit welchem konkreten Leistungsgegenstand er erfüllt. Das hat gewisse Vorteile für ihn. So kann er sich etwa zu einem günstigen Zeitpunkt bei seinen Zulieferern eindecken. Allerdings sind mit § 243 Abs. 1 auch Gefahren für den Schuldner verbunden, denn ihn trifft eben auch die Pflicht, einen Gegenstand aus der Gattung zu beschaffen (Beschaffungspflicht). Daher trägt der Schuldner grundsätzlich auch die Leistungsgefahr, solange noch aus der Gattung geleistet werden kann. Damit ist die Gefahr gemeint, trotz Untergang einer Sache noch leisten zu müssen. Bei der Gattungsschuld trägt dieses Risiko der Schuldner, so lange nicht alle Leistungsgegenstände aus der jeweiligen Gattung untergegangen sind. Ist das nicht der Fall – also solange noch der Gattung zugehörige Leistungsgegenstände existent sind – bleibt der Schuldner zur Erfüllung verpflichtet. Wie weitreichend dieses Risiko ist, kann der Schuldner allerdings gewissermaßen mitbestimmen: Denn dafür kommt es entscheidend darauf an, wie weit oder eng die Gattung in der Parteivereinbarung definiert ist.[15] So kann der Schuldner etwa seine Beschaffungspflicht einschränken, wenn er in der Parteivereinbarung entsprechende Klauseln durchsetzen kann, also etwa die Klausel „Selbstbelieferung vorbehalten“[16].
Da A wie aufgezeigt eine (marktbezogene) Gattungsschuld übernommen hat, bleibt ihr in Fall 17 daher nichts anderes übrig, als vier neue Reifen zu besorgen. Dass sie Mehrkosten iHv 200 Euro zu beklagen hat, ist ihr Geschäftsrisiko.
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Bei Vorratsschulden wird der Schuldner dagegen schon dann von der Leistungspflicht frei, wenn der gesamte Vorrat untergeht oder bereits an Dritte weiterveräußert ist.[17] Eine schwierige Frage stellt sich, wenn der Vorrat des Schuldners nur teilweise untergegangen ist, der Schuldner aber mehrere Gläubiger hat, die er jedenfalls nicht alle vollständig befriedigen kann. Klausurklassiker dieser Situation ist der Brand in der Mühle der Müllerin M: Von ihren 5 Tonnen Mehl werden 3 Tonnen vernichtet, so dass sie die Käufer A und B, die beide 2,5 Tonnen aus ihrer Mühle bestellt hatten, nicht mehr voll befriedigen kann. Überzeugend ist es, den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242) in dieser Situation zum Tragen zu bringen und zu berücksichtigen, dass die Gläubiger – bildlich gesprochen – „in einem Boot sitzen“, also eine Risikogemeinschaft bezüglich des teilweisen Untergangs СКАЧАТЬ