Название: Atemlos in Hannover
Автор: Thorsten Sueße
Издательство: Автор
Жанр: Триллеры
isbn: 9783827184146
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Timo unterbrach das Videospiel, fuhr sich mit der linken Hand über die kurzen blonden Haare. Während er sich umdrehte, begrüßte er seinen Vater mit der obligatorischen Floskel: „Und, was geht ab?“
„Alles okay“, behauptete Sven.
Timo, der inzwischen ungefähr Svens Körpergröße hatte, presste skeptisch die Lippen aufeinander.
Seine Gesichtszüge erinnern mich an Lara, ging Sven durch den Kopf. Aber das mag er nicht hören.
„Wenn du so guckst, ist irgendetwas mit dir?!“, bohrte Timo.
„Nein, alles okay.“
„Ich kenn dich doch!“, ließ Timo nicht locker.
Sven rang einige Sekunden mit sich, dann sagte er: „Ich treffe mich mit ihr.“
„Mit wem?“ Timo musste nicht lange überlegen: „Etwa mit Lara?!“
„Ja, mit deiner Mutter.“
In Timos Mimik spiegelten sich Fassungslosigkeit, Entsetzen und Ärger wider.
„Du hast mir versprochen, sie nie wieder in unser Leben zu lassen! Aber als du sie am Telefon nicht gleich abgewimmelt hast, war schon klar, worauf das hinausläuft!“
„Ich will eigentlich auch keinen Kontakt mit ihr“, versuchte Sven seinen Sohn zu beschwichtigen. „Aber es fällt mir schwer, sie ganz abzuweisen. Und sie ist deine Mutter.“
„Ja, sie hat mich mal zur Welt gebracht.“ Timo lachte spöttisch, warf den Controller zur Seite und ballte die Fäuste. „Aber meine Mutter ist sie schon lange nicht mehr! Du darfst dich auf keinen Fall mit ihr treffen!“
Seit der Trennung bezeichnete Timo sie nur noch als „Lara“, wenn er über seine Mutter sprach, was selten genug passierte.
„Sie hat mir heute vorm Haus aufgelauert. Ich hab zugesagt, dass wir am Montag im Tiergarten spazieren gehen.“
„Sag das ab!“
„Das geht nicht mehr“, sagte Sven ohne großen Nachdruck. „Sie hat mein Versprechen. Das wäre unfair.“
„Weißt du noch, wie oft Lara ihre Versprechen, nicht mehr zu saufen, gebrochen hat?!“, fuhr Timo aus der Haut. „Mir ist sehr genau in Erinnerung, was sie uns jahrelang angetan hat! Wie sie dich aufs Übelste beleidigt und mehrfach auf dich eingeschlagen hat. Und alle möglichen Sachen, die wir beide geliebt haben, sind ihrer blinden Zerstörungswut zum Opfer gefallen.“
„Ich weiß …“
„Die Zeit war einfach nur grauenhaft.“ Timo redete sich in Rage. „Damals dachte ich, es würde nie aufhören. Und wenn du einkaufen warst, weil Lara mit ihrem besoffenen Kopf dazu nicht mehr in der Lage war, hat sie ihre Wut an mir ausgelassen.“
„Ich kann auch die Gründe verstehen, warum sie zu trinken angefangen hat.“
Timo ließ den Satz seines Vaters unkommentiert und forderte ihn auf: „Beende das mit Lara, bevor alles wieder von vorne anfängt!“
Kapitel 12
Samstag, 19. Mai
Die Vorstellung, sein getötetes Opfer nicht nur zu fotografieren, sondern den Tötungsakt und die letzten Sekunden davor per Video aufzuzeichnen, erfüllte ihn mit Vorfreude.
Bereits im normalen Internet gab es ein reichhaltiges Angebot an Spionagebrillen. Er hatte sich im Darknet eine derartige Brille bestellt und auf dem Postweg zuschicken lassen – von einem Händler, der angesichts seiner Angebotspalette sicher keine Anfragen der Polizei nach einem möglichen Käufer aus Hannover beantworten würde. Wenn er sich im Internet bewegte, war er sich stets bewusst, dass er sich vor einer späteren Nachverfolgung durch die Polizei schützen musste.
Gleich am Vormittag begann er, sich mit den Funktionen der ausgepackten Brille vertraut zu machen. In der schwarzen Kunststofffassung, die nur Brillengläser aus Fensterglas umschloss, war vorne links eine Mini-Kamera eingebaut. Mit nur einem einzigen Knopfdruck ließ sich die Videoaufzeichnung starten. Eine besondere Funktion hatte der linke Brillenbügel. Hier befand sich vorne auf der Innenseite, mit dem Daumen gut erreichbar, der unauffällige Knopf zum Ein- und Ausschalten, im unteren Bereich die USB- und Speicherkartenschnittstelle. Auf der eingelegten Micro-SD-Speicherkarte konnten die Videoaufnahmen gespeichert werden. Über den USB-Anschluss wurde die Spionagebrille mit dem PC verbunden, um Daten überspielen und anschließend bearbeiten zu können. Laut Beschreibung erreichten die Aufnahmen HD-Qualität.
Genau so will ich es haben. Genial. Ich hoffe, dass später im Einsatz alles so abläuft wie versprochen.
Er hatte gelesen, dass es selbstverständlich nicht erlaubt war, Menschen ohne deren Genehmigung heimlich zu filmen.
In meinem Fall sind die gefilmten Personen eh nicht mehr in der Lage, dagegen zu protestieren.
Spionagebrillen wie seine konnten selbst bei Amazon oder eBay in großer Auswahl legal erworben werden. Gesetzlich verboten waren lediglich Spionagekameras, die nicht nur Bilder und Videos aufzeichnen, sondern diese gleichzeitig an andere Empfänger kabellos senden konnten.
Das passende Etui hatte der Hersteller gleich mitgeliefert.
Er ging ins Badezimmer, setzte die Brille auf und betrachtete sich im Spiegel.
Sieht aus wie eine x-beliebige moderne Brille. Völlig unauffällig, wenn ich mich damit in der Öffentlichkeit bewege. So bald wie möglich probier ich das aus. Da hätt ich schon früher drauf kommen können. Schade, dass ich das Teil bei der Schächtung von Nadine Odem noch nicht hatte.
Manche Ideen kamen ihm erst nach und nach. Auch das gelungene Wortspiel mit Atem und Odem in der Botschaft an die Polizei war ihm erst kurz vorher eingefallen.
Das ganze Projekt war eine Versuchung, die er zunehmend als angenehm empfand. Aber es hatte auch eine Zeit lang gedauert, bis er sich endgültig dazu hatte durchringen können.
Die Erstellung und das Absenden der Nachricht für die Mordkommission hatten ihn beträchtliche Mühe gekostet.
Zunächst ging es darum, sich darüber zu informieren, welche Informationen die Polizei einem gedruckten Blatt Papier entnehmen konnte. Farblaserdrucker zum Beispiel versahen ihre Ausdrucke automatisch mit einem fast unsichtbaren gelben Code aus Pünktchen, der Aufschluss über die eindeutige Seriennummer des Druckers sowie Datum und Uhrzeit gab. Außerdem fanden sich beim Laserdrucker auf dem Papier alle Schäden und Abnutzungsspuren der Belichtungstrommel wieder.
Ein Thermodrucker hinterließ charakteristische vertikale Streifen auf dem Blatt, da die Heizelemente nie perfekt gleich waren.
Er hatte sich für die Verwendung eines bestimmten Tintenstrahldruckers entschieden, der es den Ermittlern sehr schwierig machte. Das Fehlerbild durch verstopfte Düsen veränderte sich nach Einsatz des Reinigungsprogrammes ständig. Die Positionierung des in die Tintenpatrone integrierten Druckkopfes war nach dem Patronenaustausch ebenfalls völlig anders. Was allerdings gleich blieb, selbst nach Auswechselung von Verschleißteilen, waren die typischen Spuren, die der Einzelblatteinzug hinterließ.
Aber um ihm darüber auf die Schliche zu kommen, СКАЧАТЬ