Название: Atemlos in Hannover
Автор: Thorsten Sueße
Издательство: Автор
Жанр: Триллеры
isbn: 9783827184146
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Er verließ das Haus und war erleichtert, die Begegnung mit Annika schnell hinter sich gebracht zu haben. Erfreulicherweise parkte sein Auto heute einmal direkt vorm Hauseingang. Das klappte nicht immer in der Südstadt. Schwungvoll verstaute er die Sporttasche im Kofferraum und setzte sich ans Steuer.
Bevor er losfahren konnte, öffnete jemand die Beifahrertür. Völlig überrascht drehte er den Kopf nach rechts und zuckte unwillkürlich zusammen.
Ach, du Scheiße! Heute ist wirklich nicht mein Tag.
Da stand Lara auf dem Gehweg neben dem Auto. Bevor er protestieren konnte, nahm sie bereits auf dem Beifahrersitz Platz und schloss die Tür. Sven fühlte sich ausgetrickst, hatte sofort die Vermutung, dass Lara nur ein kleines Stück mit dem Wagen weitergefahren war und sich dann vermutlich vorm Eingang des Nebenhauses versteckt hatte, um auf ihn zu warten.
Ich hatte nur meinen Wagen im Blick, hab sie gar nicht bemerkt.
„Hallo Sven“, meinte Lara mit einem verlegenen Lächeln, „ich freu mich, dich zu sehen.“
„Wo kommst du denn her?“, brummte er. „Hast du mir aufgelauert?“
„Nein, ich bin ganz zufällig hier … und da war auf einmal der Wunsch, dich persönlich zu sehen.“ Sie hatte etwas Flehendes in den Augen. „Vorhin hatte ich schon mal geklingelt, aber da warst du noch nicht zu Hause. Ich bin kurz weggefahren, hab was erledigt und mir dann überlegt, noch mal wieder zurückzugehen und mein Glück erneut zu probieren. Toll, dass es geklappt hat.“
Zufällig … ich glaub dir kein Wort, schoss es ihm durch den Kopf. Wenn ich dich nicht gleich rausschmeiße, sülzt du mich wieder voll. Wehret den Anfängen!
„Unsere Telefonate haben mich in den letzten Wochen aufgebaut und mir wieder Lebensmut gegeben“, sagte sie mit anscheinend echter Begeisterung. „Danke, dass du die Gespräche nicht gleich abgebrochen und mir zugehört hast.“
Sven wollte ihr verärgert mitteilen, dass er am Telefon klar gesagt hätte, dass weder er noch Timo sie persönlich treffen möchten. Aber ihre freundlichen Worte machten es ihm jetzt unmöglich, seine Ablehnung zu formulieren.
Stattdessen murmelte er: „Ist ja schön, dass du das so siehst.“
Wenn sie gefeixt hätte, ihn überlistet zu haben, wäre es ihm leichtgefallen, ihr kontra zu geben. Aber das tat sie nicht.
„Hättest du heute Zeit für einen kleinen Spaziergang?“, fragte sie mit gesenktem Blick.
„Geht leider nicht. Ich muss zum Sport.“
„Fußball – wie früher?“
Sven hatte vor Jahren ein wenig im Verein gekickt. Es gab harmonische Zeiten, da hatten Lara und er im Fußballtrikot gemeinsam beim Public Viewing die Spiele der deutschen Fußballnationalmannschaft verfolgt. Mit dem Wort Fußball löste Lara bei ihm schlagartig positive Erinnerungen aus, wenn auch nur für Sekunden.
„Nein, Fitnessstudio“, antwortete er laut, und unterbrach selbst die sentimentalen Bilder.
„Merkt man gleich. Gut siehst du aus“, lobte sie. „Zu welchem Fitnessstudio fährst du denn?“
„Fitness for all in der Südstadt.“
„Trainiert Timo da auch?“
„Nein, der macht Hochschulsport.“
„Und du fährst jeden Tag nach Dienst ins Fitnessstudio …?“
„Ach was, meistens nur dienstags und freitags.“
Sie wickelt mich ein, ich muss sehen, dass ich hier wegkomme – ohne sie.
„Ich muss jetzt los“, sagte er mit Nachdruck. „Nach dem Training fahre ich direkt zum Stammtisch mit Arbeitskollegen.“
Er legte die rechte Hand symbolisch auf den Schalthebel. Noch machte sie keine Anstalten, den Wagen zu verlassen.
Stattdessen meinte sie: „Ich bin jetzt stabil, habe seit Jahren keinen Tropfen Alkohol mehr getrunken.“
„Das mit dem Alkohol hast du mir schon am Telefon erzählt.“
„Es gab mal eine Zeit, da haben wir uns sehr geliebt …“
Er bemerkte, wie sich ihre linke Hand seiner rechten näherte, und zog die Hand rechtzeitig zurück.
„Und dann kam die Zeit“, konterte er, „da hast du mir ins Gesicht geschrien, dass du mich hasst, mich und Timo.“
„Das war nicht ich, das war der Alkohol“, beteuerte sie. „Durch unseren gemeinsamen Sohn sind wir immer miteinander verbunden.“
„Ich verspäte mich“, äußerte er unwillig, „ich würde jetzt gerne fahren.“
„Ja natürlich, entschuldige. Können wir statt heute am kommenden Wochenende spazieren gehen?“
„Am Samstag und Sonntag bin ich schon verplant.“
„Dann am Tag darauf …? Das ist Pfingstmontag.“
„Na gut, okay. Pfingstmontag. Aber nicht hier in unmittelbarer Nähe. Wegen Timo.“
Sie strahlte und schlug einen Treffpunkt am Montagnachmittag im Tiergarten in Hannover-Kirchrode vor.
Sven willigte ein und war froh, dass Lara endlich ausstieg. Mit einem gequälten Lächeln erwiderte er ihr freudiges Winken zum Abschied.
Ach, du meine Güte, dachte er sich. Wie wird das enden?!
*
Als Sven abends den Flur seiner Wohnung betrat, hörte er Geräusche aus Timos Zimmer. Sein Sohn war also zu Hause. Für Sven nicht selbstverständlich. Timo war oft bis spät in die Nacht unterwegs, mit Kommilitonen – wie er immer sagte –, „die du eh nicht kennst, Papa“. Seit Neuestem engagierte er sich für Tierrechte, obwohl er früher ein Riesenfan von Steaks und Schinkengrillern gewesen war.
Sven klopfte an die geschlossene Zimmertür. Zwar hatte Timo schon seit Längerem keine junge Frau mehr zu Besuch gehabt, aber das konnte sich womöglich schlagartig ändern. Momentan war Sven sich unsicher, ob sein Sohn momentan überhaupt eine Freundin hatte. In solchen Angelegenheiten hielt sich Timo gerne bedeckt.
Ein kurzes „Ja“ war die Reaktion auf Svens Klopfen.
Timo saß auf einem Drehstuhl am Schreibtisch, hatte einen Controller in beiden Händen und versuchte die virtuelle Autojagd auf dem Monitor für sich zu entscheiden. Auf dem Drucker neben dem Schreibtisch türmte sich ein Stapel Unterlagen, die Sven mit Timos Studium Bau- und Umweltingenieurwesen in Verbindung СКАЧАТЬ